was vom jahr bleibt

6. Januar 2014

Was vom Jahr bleibt 2013

Von Marie-Luise Angerer, Sven Beckstette, Raymond Bellour, Johannes Beringer, Ludger Blanke, Robin Celikates, Ciprian David, Matthias Dell, Jan Distelmeyer, Daniel Eschkötter, Lotte Everts, Lukas Foerster, Die Brüder Goncourt, Christoph Haas, Günter Hack, Stephan Herczeg, Jakob Hesler, Tom Holert, Dominik Kamalzadeh, Birgit Kellner, Sarah Khan, Rainer Knepperges, Ekkehard Knörer, Gertrud Koch, Florian Krautkrämer, Merle Kröger, Franz Müller, Cristina Nord, Kathrin Peters, Bert Rebhandl, Manfred Rebhandl, Cord Riechelmann, Simon Rothöhler, Armin Schäfer, Michael Sicinski, Silvia Szymanski, David Wagner, Robert Weixlbaumer und Matthias Wittmann

Marie-Luise Angerer

Nachtflug: Wien – Viennale – der Überraschungsfilm – Only Lovers Left Alive von Jim Jarmusch! Von Tanger nach Detroit und zurück erfordert einiges an Logistik, wenn man tagsüber nicht landen sollte, sondern stets mit genug Blutproviant die Zeit an Bord durchschläft, um abends oder mitten in der Nacht in Detroit oder Tanger anzukommen. Tilda Swinton, mit prächtiger Löwenmähne, eilt ihrem Vampir-Lover in Detroit zu Hilfe, wenn dieser sich in mondsüchtiger Musikerdepression wieder zu verlieren droht. Man hat sich an diese Vampire gewöhnt, die unter uns leben und nur in zwei Momenten ein abweichendes Verhalten zeigen: zum einen, was ihre Zeit- oder Lebensspanne betrifft, zum anderen ihre einseitige Ernährung. Großartig die nächtlichen Autofahrten durch Detroit, das vor sich hin verfallende Michigan Theatre, das Künstler, Musiker und Filmleute offenbar gleichermaßen begeistert. Auch wir haben vor einiger Zeit in Detroit versucht, in das heute als Garage benutzte Theater zu gelangen. Gegen ein par Dollar Trinkgeld ließ uns der Pförtner eine Viertelstunde zum Fotografieren allein hinein – und dann tauchen diese Bilder mit den schwarz glänzenden Limousinen zwischen den Logen des Theaters und dem verblichenen Samt in diesem Film wieder auf ….

Wasserspiele: Eine andere Art von Auf- und Abtauchen hat Lukas Marxt in seiner Videoarbeit Reigns of Silence inszeniert. In Spitzbergen wird ein Motorboot von der Küste aus über Funk in die Mitte des Bildes gelenkt, von wo aus der Fahrer beginnt, mit dem Boot Spirale um Spirale zu fahren, wie in Spiral Jetty von Robert Smithson (1970). Das kleine Boot mit seinen Drehungen, im Hintergrund ein mächtiger Eisberg, der auf den ersten Blick wie ein soeben zu Eis erstarrter Tsunami erscheint. Dann vervielfachen sich die Spiralen, und die Wellen schäumen und zeichnen weiße Kreise aufs Wasser. Plötzlich, nach Minuten, ertönt die Funkstimme wieder und erklärt die Aktion für beendet. Das Boot fährt aus dem Bildrahmen. Allmählich verebben die Kreise, die Wasseroberfläche beruhigt sich und wird spiegelglatt – das Boot, der Mensch – ein Spuk von Geistern – Eisberg, Wasser und Stille haben das Regiment wieder übernommen … .

Bilderrausch: Black Mirror, eine britische TV-Serie, erste Staffel (2011) angeschaut. Bester britischer Humor. Der britische Premier wird von der gekidnappten Prinzessin des Königshauses aufgefordert, für deren Freilassung öffentlich, also vor den Augen von Millionen YouTube-Zuschauern, mit einem Schwein zu schlafen. Die Öffentlichkeit ist geschockt und belustigt über diese Forderung. Der Premier weigert sich und meint, dass niemand so etwas von ihm verlangen kann. Sein Kabinett übt zunehmend Druck auf ihn aus und beschwört ihn immer dringlicher, der Forderung der Kidnapper nachzukommen und in Gottes Namen diesen Akt hinter sich zu bringen. Man wird das Video nur ganz kurz ins Netz stellen, nur einen Augenblick lang, um der Forderung nach Öffentlichkeit nachzukommen, um es danach selbstverständlich sofort zu löschen. Der Premier gibt dem Druck schließlich nach, alles wird für den Event vorbereitet. Kameras, das Schwein, das Filmteam … die Öffentlichkeit schaut gebannt auf die überall installierten Monitore – in den Krankenhäusern, in den Straßen, U-Bahnen, überall. Die Leute können nicht glauben, wollen nicht glauben, was sie nun sehen sollen. Angesichts der Absurdität, dass ein britischer Premier dies wirklich tut, ist die Bevölkerung derart erregt, und für den Augenblick einer Sekunde formt sich ein einziger Schrei des Entsetzens und der Abscheu: Er hat es wirklich getan. Mit Ekel wenden sich die Menschen von den Bildern ab. Der Premier bricht zusammen. Die gekidnappte Prinzessin erweist sich als Fake, die Forderung war ein Fake, alles ein Fake – nur die Tatsache, dass der Premier mit dem Schwein – (k)ein Fake? Die Macht der Bilder, der Voyeurismus der Vielen, die politische Ohnmacht … .

Netzwahn: The Circle von Dave Eggers gelesen, worin dieser die Herrschaft und Totalität einer global vernetzten und agierenden Firma (google) als kapitalistischen Wahnsinn beschreibt – safe & sane, transparency & democracy bedeuten (immer schon) Paranoia, Manie, grenzenloser Narzissmus, Kommunikationszwang, Scham.

 

Sven Beckstette

Theater: Sehr beeindruckt hat mich Die Apokalypse von Ulrich Rasche, die im Januar im Kammertheater des Schauspiel Stuttgart zu sehen war. In dem Stück vermischt Rasche die biblische Prophezeiung der Offenbarung des Johannes mit zeitgenössischen Reden, in denen ökologische und militärische Katastrophen entworfen werden. Während die Schauspielerinnen und Schauspieler am Publikum vorbeiwandern, zerlegt sich nach und nach die Bühne, bis am Ende ein leerer Raum zurückbleibt. Ohne didaktisch zu sein, zeigt Rasche die Rhetorik hinter Endzeitszenarien auf und macht so die Muster deutlich, die hinter den Beschwörungen von Ängsten stehen. In Zeiten, in denen das Wort Krise omnipräsent ist, ein deutliches Statement mit den Mitteln der darstellenden Kunst.

Buch: Eine Musikerbiografie und was für eine: In Mo'Meta Blues erzählt Schlagzeuger Ahmir «Questlove» Thompson die Geschichte seines Lebens und vor allem seiner Hip-Hop Gruppe The Roots. Wie im Titel angedeutet, entpuppt sich das Buch als Meta-Biographie: Tatsächlich reflektiert Thompson gleich zu Beginn darüber, wie sich Erinnerung überhaupt festhalten lässt, wer hier eigentlich redet und was zu einem ordentlichen Band mit den Memoiren eines Musikers gehört. In seinem Text wird er dann immer wieder von seinem Manager unterbrochen, der ihm gerne auch einmal widerspricht, wenn er Ereignisse anders empfunden oder abgespeichert hat. Mo'Meta Blues ist aber nicht nur ein intelligentes, sondern zugleich noch ungemein komisches Buch über das Leben im heutigen Musikbetrieb.

Tonträger: Da ich Anthony Joseph bislang noch nicht auf der Bühne gesehen habe, ist der Konzertmitschnitt Live in Bremen (Naive/Indigo) hochwillkommen. Die Platte offenbart, dass Joseph auch in kleiner Besetzung ein so wortgewandter wie dynamischer Interpret seiner Gedichte ist, den man sich unbedingt auf der Bühne ansehen sollte. Oft lief zu Hause auch der zweite Teil von Fela Kutis Anthologie The Best of Black President 2 (Knitting Factory/Rough Trade), weil man Kuti eigentlich nie genug hören kann.

Ausstellung: Ich bin nun wirklich kein ECM-Fan, aber die Ausstellung zum Label von Manfred Eicher im Haus der Kunst in München hat Maßstäbe gesetzt, wie man das Thema «Geschichte einer Plattenfirma» anschaulich, spannend und lebendig auch auf einer visuellen Ebene darstellen kann, ohne nur auf Dokumente und Archivmaterialien zu bauen.

Kino: Viele Filme waren es in diesem Jahr, in dem unsere Familie Zuwachs bekommen hat, nicht. Als Diptychon über Erwachsenwerden fand ich, dass sich Spring Breakers von Harmony Korine und Sofia Coppolas The Bling Ring ganz gut ergänzten, wobei Korine seine Geschichte wesentlich bildmächtiger, mit mehr Interesse an seinen Figuren und vor allem konsequenter erzählt hat. Das beste an Coppolas Film war genau genommen die großartig geschriebene Besprechung von Peter Richter in der Süddeutschen Zeitung.

 

Raymond Bellour

Etonnement admiratif, au festival de La Roche-sur-Yon, devant la presque rétrospective des films du mexicain Nicolás Pereda, que j'avais honteusement ignoré jusque là. Saisissement, comme on peut l'éprouver chez José Luis Guerin, qu'aucun de ses films ne ressemble à l'autre, à ceci près qu'ils possèdent tous un air de famille tenant au fait que Pereda tourne toujours avec quelques acteurs complices incarnant un éventail mouvant de rôles aléatoires. De tous ses films, j'ai retenu surtout Perpetuum Mobile (2009) : la vie chaotique d'une mère et d'un fils dans un quartier populaire de Mexico y est fixée en de longs plans cruels montés avec une précision qui fascine et intensifie la valeur dérisoire de ce qui est montré.

J'ai connu Thomas Harlan il y a environ cinquante ans, un soir où il menait simultanément trois conversations avec trois interlocuteurs, en polonais, en français et en allemand. La réussite extraordinaire de Veit (qui vient d'être traduit en français) est que Thomas puisse jusqu'à l'égarement y devenir en même temps lui et son père, que leurs deux vies se trouvent ainsi retournées jusqu'à la mort l'une sur l'autre pour ne plus former qu'un tapis vibrant de mots par lesquels le fils voudrait rémunérer sans jamais pouvoir même l'espérer la faute inexpiable du père. 

Comment aviver jusqu'à l'improbable la conscience du plan? En dotant chaque plan ou presque d'un cache aux formes constamment renouvelées qui fait sembler les rares fois où l'image occupe enfin sagement tout l'écran un trucage supplémentaire. C'est l'étonnante leçon de Die Bergkatze (1927) de Lubitsch que je découvre au fil d'un transfert de VHS sur DVD. Incroyable pensée en liberté de certains films muets. 

 

Johannes Beringer

Filme aus dem Kino-Abseits: Kollektiv, Zwickel auf Bizyckel. (BRD 1968/69, D 1997, 35mm, s/w, 80 Min.) (Regenbogenkino, 3.5.2013) Das Kollektiv bestand aus ‹Ulmern› (Absolventen des Instituts für Filmgestaltung), die in Frankfurt am Main unter Epplwoi Motion Pictures firmierten. Reinhard Kahn hat den Film 1997 fertiggestellt – und so etwas vom damaligen Leben-BRD gerettet. – Harald V Uccello, Super8-Filme (1978-1985). (Regenbogenkino, 14.-17.6.2013) – Frank Behnke, Das Wasser des Nils wird zu Blut werden. (BRD 1989, 35mm, 60 Min.) (Regenbogenkino, 23.11.2013) Der Film, der zuerst «Tatorte» heissen sollte, hat ebenfalls mit Leben-BRD zu tun, vielleicht gerade noch. – Barbara Kasper, Brigitte, Jule, Agnes, Beate und Hilke. (D 2013, HD, 104 Min.) (Privatvorführung im Kino Babylon, 26.11.2013) Eine Befragung von Mitstudentinnen an der Hochschule der Künste in Hamburg: wie das mit der Politisierung war damals, vor und nach ’68, und wie es weitergegangen ist. 

Kleiner Nachtrag zu meinem Text über «Das Verschwinden des Philip S.» von Ulrike Edschmid. Peter Brückner, Über Krisen von Identität und Theorie (1978): «... pure Neinform eines verschollenen positiven Zusammenhangs ... Verlust des öffentlichen Glücks aus den frühen Jahren der Protestbewegung (1966-68) ...» (S. 188) «... das Unversöhnliche des Protests ...» (S. 190) «Diese diskutierende Vergegenwärtigung erfuhr nach dem Verlust des öffentlichen Glücks bei Vielen eine kaum beachtete, aber wirksame Modifikation. (...) Im Prozess der Verarmung, der ihnen widerfuhr ...» (S. 192)(In: Peter Brückner, Zerstörung des Gehorsams. Aufsätze zur Politischen Psychologie, Berlin 1983.) 

 «Es regnet draussen! Gute Nacht! Die Katze ist nass geworden!» (Ende eines längeren Eintrags von Ludwig Hohl in sein Jugendtagebuch, Nacht des 29. Dezember 1921.) Weshalb gefällt mir das so? Unmittelbarkeit von Schreiben und Dasein. Das Schreib-Ich redet mit dem anderen Ich, dem der leibhaften (siebzehnjährigen) Person, die sich nun zur Ruhe legt. Wünscht ihr eine Gute Nacht. Die beiden haben sich abgesetzt von ihrer familiären Umgebung, pflegen guten Umgang miteinander. Ich kam nicht umhin, diese Stelle noch einzusetzen in meine alten Texte über Ludwig Hohl, die ich jetzt, etwas überarbeitet und gestrafft, veröffentlicht habe unter dem Titel Hohls Weg

 

Ludger Blanke

Wie es nach dem langen Winter doch noch Sommer wurde. 

Veep

Karl Ove Knausgaard

die Halbfinales der Uefa Champions League

die melancholische Eleganz des Adrián Ramos von Hertha BSC

Prefab Sprout – Crimson/Red

Kapringen (A Hijacking) von Tobias Lindholm

Greta Gerwigs Reise als Francis Ha nach Paris

Die Getriebenen

Holly Hunter als GJ in Top of the Lake

Spaziergang in der Sommerhitze durch die Ebene von Messara nach Phaistos auf Kreta.

Spinn/Agitation/Revolte (Versuch von)

Flug mit Sahra Wagenknecht nach Frankfurt und Gregor Gysi, müde, erschöpft, beblumenstrausst, der nach der Klausurtagung der «Linken» im Spreewald abends von der Autobahn noch einmal für ein langes Interview mit uns ins Hotel zurückkehrt – in dem er sein Inneres nach Aussen kehrt und aus dem dann nur ein einziger Satz gesendet wird.

Chodorkowski Christmas Craze at Mauermuseum.

 

Robin Celikates

– Auf Reisen: mit dem Boot auf dem Perfume River von Huế zum Grab von Minh Mạng; mit dem Auto via Trieste in den slowenischen Karst; der Wahnsinn mit Methode kombinierende Sommelier auf Mazzorbo (OK, der griechische Pavillon war auch interessant); Berichte aus der Werkstatt des Soziologen in Boltanskis Pariser Wohnzimmer

– Leider nur aus der Ferne: die Bilder und Videos von Occupy Gezi (Biber gazı oley!); im Moment, aus größerer Nähe, die Bilder des wutschnaubenden Erdoğan, der Politik längst durch fremdaggressive Paranoia ersetzt hat

– Endlich nachgeholt: Breaking Bad & Deadwood; Tabu von Miguel Gomes; Andrei Belys Petersburg (mit großartiger visueller Unterstützung des Mapping St. Petersburg Project, UC Berkeley – sowieso, siehe Wisemans At Berkeley, eine zu verteidigende Idee)

 

Ciprian David

1. House of Cards

Die Regierung versagt, die Politik weiß nicht damit umzugehen, die Wirtschaft nutzt dies schon längst aus. Big Data verkörpert den Alptraum und zugleich die Utopie dieses Jahres, als Traum vom perfekten Kunden, vom perfekten Dienstleister, vom perfekten Regierenden. Daten können, einfacher denn je, gesammelt, ausgewertet und instrumentalisiert werden. Als Schnittmenge von Informationen über Nutzungsgewohnheiten, Präferenzen und Interessen entstand auch die meist mediatisierte der vom VOD-Anbieter Netflix selbst produzierten Serien: HOUSE OF CARDS. Die Serie machte nicht zuletzt darauf aufmerksam, dass klassische Wege zur Eroberung des Filmmarktes, wie etwa Starsystem, Genrefilm oder Themenwahl, lediglich kleine Faktoren in sehr komplexen Gleichungen sind. Denn Daten und Algorithmen führen zum perfekten Film, zur perfekten Serie, zur perfekten Kunst – zu dem, was wir alle sehen oder nutzen wollen. Der Scherz über drehbuchschreibende Algorithmen ist dabei, Wahrheit zu werden. Es fragt sich nur, wie wir als Zuschauer, als Kritiker oder als Theoretiker mit maschinell produzierter Kunst umgehen können, die so konzipiert ist, dass wir nichts daran auszusetzen haben.

2. Der Hofbauer Kongress

Zwar besuchte ich die Veranstaltung in Nürnberg nur für eine Nacht, doch reichte diese aus, um mir einige Wahrheiten über Film beizubringen. Deshalb hatte ich mehrfach das Bedürfnis, über die Interessen der Hofbauer Kommandanten zu schreiben. Hier und hier seien die zwei ausführlicheren Texte verlinkt. In Kürze:

Kunst und die Auseinandersetzung damit hat viel mit Leidenschaft und zu selten etwas mit Geschichtsschreibung gemeinsam.

Idealismus, Archäologie und Revisionismus gehören zu den Fundamenten der Beschäftigung mit Kunst, werden aber unerklärlicherweise meistens nicht berücksichtigt.

Institutionalisierte Kunst ist ohne Bewegungen wie den Hofbauer Kongress eine glänzende, hohle Schale.

3. Gaiu Mic

Das Haus meiner Großmutter, die Sommerferien als Kind, die erste Reise dahin gemeinsam mit meiner Tochter und meiner Freundin. Sehen, wie dieses Dorf fast verwildert, weil die vor zehn Jahren noch um die Häuser herum grasenden Nutztiere nicht mehr da sind, weil die Menschen weg sind, im Ausland, um zu arbeiten. Die zurückgebliebenen Alten in ihrem Alltag beobachten, wie eine Kamera, die das aufnimmt, was sie am besten kann: Bewegung und Zeit. Über sie erzählen, und dabei wissen, dass sie fast vergangen sind. In wenigen Tagen erfahren, dass diese kleine, öde Abgeschiedenheit, in welcher sie leben, ein Mittelpunkt des Lebens sein kann, genauso real und gleichzeitig genauso fiktiv, wie alles andere, was sich gerade woanders ereignet, ob in Mainz, in Deutschland, in Facebook oder wo auch immer. Lernen, einen Teil der Polyphonie der Welt zu umarmen und von der eigenen Fixiertheit auf Themen wie Film loszukommen.

 

Matthias Dell

1. Tiraspol, Transnistrien. Die Reise an ein Weltende in Europa, an dem die Macht sich Sheriff nennt und es übersichtlicherweise alles genau einmal gibt. Never ending Sonntagnachmittag. Auf der Rückfahrt im vollen, lahmen Zug der Disput zwischen einer Frau und einem ziemlichen Sack, aufgeführt wie ein Stück vor interessiertem Publikum, erregt geführt, aber nie eskalierend in Aggression. Gesellschaftskommunikation. Am Ende macht die Frau einen Witz, das Abteil stimmt durch Lachen zu, der Sack braucht für den Spott nicht zu sorgen.

2. Die Tage in Köln mit der beglückenden Helden-der-Jugend-Begegnung, Champions-League-Matches im Päff und dem unglaublichen Konzert von Janelle Monae: Was für eine schillernde Person! Die Zugabe wird überflüssig, weil der knappe Gig schon alle emotionalen Aggregatzustände verhandelt; beim Höhepunkt sitzt der ganze Stadtgarten am Boden, Stille pulst.

3. Die Wieder- beziehungsweise Überhauptentdeckung der American Eighties dank zweier Retrospektiven: John Cassavetes quasi Bester-Film-aller-Zeiten-Film Love Streams oder Robert Aldrichs so schönes Spätwerk ...All the Marbles. 

 

Jan Distelmeyer

Beasts of the Southern Wild auf einem alten Sessel im b-ware! in Berlin. Der absolut richtige Ort für einen Film, der in jedem Moment meiner Angst, jetzt könnte alles schlimm richtig und darum falsch werden, es anders macht und ein wundervolles Gleichgewicht hält.

Hermann Asselberghs’ Dear Steve im Kinemax Gorizia zerlegt ein Wunschobjekt von Apple bis auf den letzten Kontakt und damit auch das Ideologem der Immaterialität des Digitalen. Unpacking MacBook Pro – with a vengeance.

Gravity, die Kamerafahrt im All auf den Helm von Sandra Bullock zu, schwerelos mit einem Ziel, verloren und auch nicht, dann in den Helm hinein und von dort auf den eigenen Weg zurückblickend. Damit ist alles nicht gesagt, sondern gezeigt. Dieser Zustand hat keine Geschichte, keine Ethnie, kein Geschlecht, kein Alter, ist einfach da, wie man sieht und – hier feiert 3D das Kino, statt es zu entschuldigen – fühlt. Nach diesem Moment muss alles, was Gravity später so komplett ohne Not (Gibt es mehr «Human Interest» als allein im Weltraum verlustig zu gehen?) an Geschichte, Gender und Sinn auftürmt, unpassend und klein werden. Gravitätisch ist der Film, weil er das Gegengift seiner eigenen Lüge mitbringt.

Hermann Zschoches Karla im Metropolis in Hamburg – die nachsynchronisierten Szenen von Jutta Hoffmann und Jürgen Hentsch, die den 1965 verschnittenen und verbotenen Film 1990 wieder rekonstruierten, berufen durch die Stimmsprünge eine andere Form von Geschichtsbewusstsein. Großartiges Totalvision-Format, gedreht von Günter Ost, der auch die Rekonstruktion vornahm. Wieder merke ich, wie viele große DEFA-Filme ich noch nicht kenne.

Schweden vs. Portugal, WM-Qualifikation Play-Off, am 19. November. Vor allem: die zehn Minuten der zweiten Halbzeit, in denen Ibrahimovic nach Ronaldos 0:1 erst das 1:1 köpft, vier Minuten später das 2:1 erledigt und damit nur noch ein Tor zur WM-Teilnahme fehlt, bevor Ronaldo fünf Minuten später das 2:2 schießt und 120 Sekunden später das 3:2. Genau die Spieler, auf denen wie immer die größten Erwartungen lasten (Grüße an Christoph Biermann), machen tatsächlich alle Tore mit irrer Dramaturgie und Qualität; zwei zwingend knappe Standards von Zlatan – Keine Zeit für mehr als einen Kontakt, wir brauchen drei Tore! – und zwei technisch anspruchsvolle Sprints und Schüsse von CR7.

Crimson Red von Prefab Sprout und der 5MeterSprungturmSommer.

 

Daniel Eschkötter

Compulsions are easy to come by and hard to explain. Sätze, Sachen, die mich begleitet haben in 2013, darüber hinaus, die machen an der Jahresgrenze dann ja doch nicht Halt. Dieser Satz steht in einem Text von John McPhee, von dem man zuletzt etwas über Struktur, über Wortfindung und Wörtertausch lesen und lernen konnte. Ein Text über das Sammeln von Golfbällen diesmal, über den Orange Trapper, ein Gerät mit Teleskopstange, das sich McPhee gekauft hat, um manchmal einen Titleist Pro V1 und meistens andere weniger kostbare Bälle beim Paddeln aus dem Fluss zu fischen. Einer von mehreren Such- und Sammeltexten, die ich in diesem Jahr gemocht habe. Um Eierdiebe, Krähen, Insekten, Lobbykarten ging es in anderen. Am Ende wird es, wie so viele, fast zu viele Geschichten im New Yorker, mit dem Text über Schrullen auch einer übers Alter gewesen sein. Er endet mit einem dieser schönen, lakonischen, abrupten Enden, die mich immer noch überraschen: but that was years ago, when I was eighty.

Ums Alter geht es anders in der Musik von Matana Roberts, die ich in diesem Jahr erst entdeckt habe und die ich mir jung und steinalt zugleich vorstelle. Matana Roberts ist eine Saxophonistin, die singt, spricht, schreit, mit und ohne Saxophon. Und die erzählt, Generationen, Genealogien, afroamerikanische oral history, die dabei so sehr Historikerin wie Medium ist, aus der etwa die Sklavin Marie Thérèse Coincoin spricht. I was only 16. There will never be any pictures of me.

Und manchmal, bei Bildern, Sounds, Stimmen, Get Luckys Popkocherdidaktik, Korines und Daths Springbreak forever, der ersten Einstellung von Kiarostamis like someone in love, dem Blättern im Gesichtsbuch von Matías Piñeiros viola, Weltraumschrott und Gravität, Miley Cyrus’ & Taran Killams We Did Stop, You and me, we got our own sense of time, bei Fahrten und Bleiben, beim Schwimmen und Skaten, bei Muscheln und Kaffee, bei Routinen und Singularitäten, Aussichten, Abstiegen, einer Abfahrt in der Kiste eines Transportfahrrads, Anfängen, Projektenden undsoweiter, dachte ich an das, was die Kuratoren oder wer immer so etwas verfasst bei einer solchen Schau über die Pappenzyklopädie mittlerer mittelständischer alpenländischer Bauformen des Wiener Beamten Peter Fritz, die man in Venedig hat sehen können, geschrieben haben und was dann doch so gar nicht geschrieben war, wie das, was Kuratoren oder wer immer so was verfasst, meistens schreiben, und was mir nicht nur angesichts dieser Modelle und Miniaturen manchmal doch einleuchten will, auch ohne es selbst denken zu müssen: that the world was generally met with his approval.

 

Lotte Everts

Wenig aus der Außenwelt, insgesamt.

Davon zwei Tage in Frankfurt mit Häusern voller neuer Videokunst. Von der versprochenen Expanded Narration kaum was zu sehen, oder doch wenig Neues – Breaking Bad hielt zur Rechtfertigung des zeitgeistseismographischen Mottos her. Dafür gab es Jack und Leigh Rubys Car Wash Incident und Candice Breitz' Treatment: Eine bestrickende Choreographie von Doppelgängern und ihren Geheimnissen, zum Reigen komponiert, und weit geöffnete Schlüssellöcher auf Cronenbergs The Brood, in die Breitz sich einübt, um an ihr blank zu ziehen. Lust am Kino, froh, mit sowas Kunstgeschichte betreiben zu dürfen. Etwas später das Gefühl, dass die Themen doch alt sind (Fiktion und Authentizität, Realität und Repräsentation, Medien und Affektion), vielleicht auch gut, aber expandieren tut insbesondere die Ausstattung.

Zuvor noch Nuran David Calis' Woyzeck für Arte. Lauter Stereotype, nirgends eine passende Schublade.

Und nun ist Nymphomaniac endlich fertig.

 

Lukas Foerster

März / April: Eine Reise nach Tokyo und Hongkong; Sehnsuchtsorte vorher und – noch mehr – nachher.

Juli: Thomas Harlans Heldenfriedhof gelesen – an ein paar wundervollen, glühend heißen Tagen am wunderschönen türkischen Sandstrand. Einen «richtigen» Ort dafür hätte es allerdings eh nicht gegeben…

Oktober: Schon wieder landet in dieser Aufzählung nur das, was ich außerhalb Berlins erlebt habe. Einerseits ist das schade. Andererseits waren eben auch meine eindrücklichsten Kinoerlebnisse auswärts: Baby It’s You von John Sayles in Wien, To the Wonder von Terrence Malick in Hongkong, der 11. außerordentliche Hofbauerkongress im Süddeutschen.

 

Die Brüder Goncourt

In diesem Jahr vor allem die Filme von John Cassavetes. allesamt von großartiger Überlänge, Abend für Abend nach der Arbeit angeschaut, als läse man konzentriert einen Zeile für Zeile zu studierenden Text. Die verknappte Sprache, die schon über den Kopfhörer als körperliche Geste erfahrbar war; und wie die improvisierten Bilder immer wieder aus ihren Ankern kippten: Gena Rowlands in A Woman Under the Influence, die auf Passantinnen zustürzt, um sie nach der Uhrzeit zu fragen, und es sind womöglich tatsächlich unbeteiligte Passantinnen auf der Straße; das gemeinsame Frühstück der Bauarbeiter, bei dem einer der Arbeiter aus dem Stegreif eine italienische Arie schmettert: und es ist eben nicht der vermeintlich prädestinierte italo-, sondern der afroamerikanische Darsteller; — ich hatte mich gefragt, ob die Szene so abgesprochen war, ob nicht vielmehr der Schauspieler aus einem eigenen Impromptu heraus hier die Verhältnisse zum Tanzen hatte bringen wollen.

Am Strand Spinoza gelesen: Spinoza jetzt immer mit Leuten zusammen denken, die in Badesachen herumflanierten oder Beachvolleyball spielten, während man ein paar Seiten über das _Ewige_ gelesen und auf dessen _Unewigkeit_ hin durchreflektiert hatte.

Die seltsame Wechsellektüre überhaupt in der ersten Hälfte des Jahres zwischen BWL-Unterlagen (Investition & Finanzierung, Betriebliches Management & Logistik), Jerry Cotton und Spinoza, die noch in einer mündlichen Prüfung mitschwingen sollte, in der es mir nicht gelingen sollte, die Prüfer ernst zu nehmen, wie wohl auch ihnen nicht, meine geschäftliche Seriosität zu akzeptieren; 

Dieser stetige Eindruck eines Biedermeier dieses Jahr, eine stillschweigend akzeptierte gesellschaftliche Restauration, der man womöglich nicht ein Bild entgegenzusetzen habe.

 

Christoph Haas

Comic

Zeina Abirached: Das Spiel der Schwalben (2013)

Erinnert auf den ersten Blick an Persepolis von Marjane Satrapi, ist aber (noch) besser. Die Geschichte eines Hauses und seiner Bewohner, die Geschichte des Libanon zwischen 1945 und den frühen Achtzigern – klug gespiegelt in einer schlichten Handlung, die nur ein paar Stunden umfasst. Der Arabische Frühling findet auch im Comic statt, dies ist das schönste Beispiel.

CD

Prag: Premiere (2013)

«Wir waren alle so / Verliebt in Sophie Marceau. / Sag nicht, es war nicht so, / Denn es war doch so, / Sag nie, es war nicht so.» Ich war nie in Sophie Marceau verliebt, aber dieses Lied ist grandios. Wie die gesamte CD. Diskurs-Rocker, erblasst vor Neid!

Film

Jean-Pierre Melville: Le samourai/Der eiskalte Engel (1967)

Der schöne Alain Delon, hier ist er ein Wiedergänger von Buster Keaton. Der Killer, den er spielt, ist ein Samourai und ein Engel, klar, aber eben auch ein Dandy und ein deadpan comedian. Und er ist ein verkapptes Selbstporträt des Regisseurs: Jeff Costello und Jean-Pierre Melville, God’s loneliest men, vor und hinter der Kamera.

 

Günter Hack

1. Wenn Alter und Routine das Gehirn in bekannte Bahnen gezwungen haben, vergeht die Zeit schneller. Dem begegnet man entweder durch zunehmend hektisches Verhalten oder indem man sich der Zeit stellt, also Warten als Aktivität zu begreifen lernt. Letzteres habe ich 2013 getan, während die einen hinter der Angel am Fluss auf den Fisch warten, stehe ich mit der Kamera im Anschlag da und passe den Eisvogel ab, der seinerseits auf den Fisch... es ist einfach. Warten ist von Samuel Beckett vorformatiert, aber außerhalb des Theaters ist es alles andere als absurd, Phantasmen erscheinen auf der Großhirnrinde wie Killerwale, tauchen wieder ab, betont langsam, träge Wellen schlagend. Ab und zu ist der Eisvogel zu vernehmen, er versteckt sich nicht, teilt seinem Partner gerne mit, wo er hinfliegt, warnt seine Umgebung trillernd, wenn er um die Ecke biegt, aber er landet nicht, er schwirrt vorbei, ein blitzblauer Punkt mit Raketenspitzenschnabel, ganz in seiner eigenen Zeit und ich in meiner, sodass die von ihm reflektierten Photonen nie den Weg in meine Kamera finden.

2. 2013 war ein medientechnisch bedeutsames Jahr, weil zum ersten Mal ein elektronischer Sucher für Digitalkameras den Weg auf den Massenmarkt gefunden hat, der in Bezug auf Farbwiedergabe und Darstellung des Kontrastumfangs annähernd so gut ist wie ein traditioneller optischer Sucher. Weil die elektronischen Sucher viele Vorteile haben und mittelfristig auch billiger herzustellen sein werden als Messsuchersysteme oder hochwertige Pentaprismen für Spiegelreflexkameras, werden sie ihre Vorläufer wohl endgültig zu Luxusartikeln degradieren. Millionen von Fotografen blicken dann nicht mehr direkt auf ihr Motiv oder wechseln – wie bei der Arbeit mit der Smartphone-Kamera – zwischen Sujet und dessen digitaler Repräsentation hin und her, sondern sie nehmen bei der Arbeit mit dem elektronischen Sucher nur noch die Rekonstruktion ihrer Umgebung wahr, die direkte Verbindung zur Welt durch den Strahlengang ist gekappt, der Fotograf aus der Zeit herausgenommen, weil der elektronische Sucher nie so schnell sein kann wie das Licht. Computational Photography, also die digitale Rekonstruktion des Motivs, findet permanent statt, nicht mehr nur dann, wenn der User den Auslöser betätigt und ein einzelnes Bild aus dem Datenstrom wählt. Der nachbearbeitende Prozess des Kuratierens und Selektierens kann nun nicht mehr zeitlich näher an die fotografische Geste heranrücken, er ersetzt diese gewissermaßen.

3. Flughafen Lissabon: Die Maschine nach Angola startet pünktlich, der Airbus ins Herz von Austeritätseuropa hat acht Stunden Verspätung.

 

Stephan Herczeg

# Das ganze Jahr ständig mit dem Zug zwischen Köln und Paris hin- und hergefahren. Eine gewisse, damit einhergehende Orientierungslosigkeit lässt sich nicht abstreiten. Wer, wie, wo, was bin ich nochmal und warum, beziehungsweise – wie immer die interessantere Frage – warum nicht? Vielleicht hat mir auch deshalb Woody Allens Blue Jasmine so gut gefallen. Cate Blanchett mit dem immer gleichen Chanel-Kostümjäckchen im Computerkurs oder auf der Straße Selbstgespräche führend, das war natürlich ich. Aber Joaquín Phoenix, wie er in The Master diese wahnsinnigen Schüttelgetränke aus Tequila und Entwicklerflüssigkeit gemixt hat, um später Schläger in einer Sekte zu werden, war ich natürlich auch. Und am allermeisten war ich Marine Vacth in Jeune et Jolie als missmutige Schülerin, die sich in ihrer Freizeit im Pullover ihrer Mutter und ohne finanzielles Interesse prostituierte. Hauptsache, sich immer mit den gescheiterten Gutaussehenden identifizieren.

# Überhaupt war es toll, immer in Paris ins Kino zu gehen, sich durch das Programm des Pariscope zu wühlen. Alle neuen Filme laufen in Originalfassung sofort an und nicht erst sechs Monate später. Alle alten Filme, so kommt es einem zumindest vor, werden ständig irgendwo aufgeführt und auch Menschen über Vierzig gehen ins Kino. Und zwar bei allerschönstem Wetter in die ausverkaufte Nachmittagsvorstellung um 16.00 Uhr.

# Ansonsten habe ich mich 2013 weitergehend digitalisiert. E-Book-Reader und Tablet haben sich völlig unerwartet als dauergenutzte Gebrauchsgegenstände herausgestellt, ohne dass ich von der technologischen Idee, die von anderen apokalyptisch oder enthusiastisch damit in Verbindung gebracht wird, besonders ergriffen gewesen wäre. Kann man benutzen wie einen Toaster oder eine Mitfahrgelegenheit. Alles Analoge wird auch weiterhin parallel dazu existieren. Das Angebot an E-Books erstaunlich dürftig, Zeitunglesen auf dem Tablet auch eher unbefriedigend. Und dass ich Facebook immer noch schlimmer finde als sowieso schon und nach all den Jahren Twitter dafür interessanter und nützlicher, hat mich dieses Jahr auch überrascht.

 

Jakob Hesler

1. Ben Mendelsohn bleibt. Er hat eine spezielle, tief vertraute Ausfaltung des Syndroms Mann eingefangen, den innigen Schmerzensmann: verkommen, aber fühlend; in Killing Them Softly, nun wieder in The Place Beyond the Pines.

 2. Die Träne in "Gravity" bleibt, denn so hat das nun einmal kommen müssen.

3. Der Meister und Margerita fehlt: Nach der jüngst aufgenommenen Wiederlektüre beklage ich, daß es niemanden gibt, der heute aus diesem irrsinnigen Buch einen Zeichentrickfilm macht. Das brächte die Leute aus ihrem Zuschauerhäuschen, nicht nur in Moskaus verwöhnten Literaturkreisen. Die italienische 72er-Adaption wirkt nicht einladend. Ich würde so gern zeichnen können.

 

Tom Holert

«Is there laughter in the unconscious?», ist eine der Fragen, mit der mich Wayne Koestenbaum ein ganzes Jahr betört und gekitzelt hat, da macht es auch nichts, das sie aus einem Buch stammt, das schon 2012 erschienen ist. The Anatomy of Harpo Marx kann wie ein liturgischer Text gelesen werden, aber auch wie ein discours de la méthode: «My method: remove comedy from images, and see what remains.» Unter Koestenbaums verliebtem Blick wird Harpo zu einer Figur, die mühelos mit den Bartlebys oder Blooms der jüngeren Theoriegeschichte konkurrieren könnte, ein grandioses Neutrum oder Nihilum, das sich zugleich auf den Job des kleinen Objekts a bewirbt: «Drifting toward uncommunicativeness, he stares into the sliver, the hallucinated dimension, parallel to the conventional universe.» Koestenbaum, dem die Welt schon ultimative Monografien zu Jackie O. und Andy Warhol verdankt, hält sein Selbst nicht zurück, sondern macht aus den Objekten seiner grammatologischen Spurenlesen gern Objektive einer Innenschau. Das Zweifeln an der eigenen Vorgehensweise ist daher nicht nur rhetorisch zu verstehen: «Would Harpo object to my investigations? Maybe I’m betraying him through faulty logic, prurient embroidery, and autobiographical digressions. If he were alive this morning, he’d be 119 years old.» Darüber hinaus enthält Anatomy einige der erhellendsten Passagen auf dem Weg zu einer Theorie der Glanzes und des Glänzens.

Ein wunderbarer, von Samuel Bickels entworfener Bau in Ein Harod, einem Kibbuz nahe Nazareth, in der Oktobersonne. Darin: Eine Ausstellung mit neueren und neuesten Bildern des Malers Yair Garbuz, 1945 geboren, im ersten Kunstmuseum, das nach der Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 eröffnet wurde. Draußen halten die Bewohner in ihren Bungalows Siesta oder fahren mit ihren Elektro-Golf-Carts durch die Anlage, während Garbuz’ vermeintlich flüchtig gezeichnete, mit Texten durchsetzte Historienbilder episch, aber dabei stenografisch, das heißt: in ausschweifenden malerischen Abbreviaturen den Zionismus und besonders die Kibbuzbewegung auf deren Widersprüche und Unabgegoltenheiten hin untersuchen. Zugleich wird das ideologische Pathos der realistischen wie der modernistischen israelischen Kunst der 1950er bis 1980er Jahre ins Visier genommen. Alles in einer erkennbar aufreibenden, den eigenen Form- und Darstellungsmitteln misstrauenden Manier, die keine Anstrengung der historischen Revision und der damit verbundenen Konflikte scheut. Garbuz’ intellektuelle Malerei erinnert bisweilen an R.B. Kitaj oder Cy Twombly und ist voller Anspielungen und Referenzen, die für Nichtisraelis und des Hebräischen nicht Mächtige kaum zu dechiffrieren sind. Doch gab es, an diesem spätsommerlichen Tag in Ein Harod, etwas in und an diesen Bildern, das mich, das Berliner „Painting Forever“-Debakel noch vor Augen, denken ließ: so kann Malerei auch 2013 funktionieren, als Medium, das sich nicht selbst genügt, sondern in allen ihr zur Verfügung stehenden Registern argumentiert.

An einem dieser grandiosen Sonnentage, wie sie sich im Dezember so nur in Paris erleben lassen, im Keller der Galerie gb agency Everything That Rises Must Converge, die neue 4-Kanal-Arbeit von Omer Fast, angeschaut. Eigentlich wollte ich mir nur einen kurzen Eindruck verschaffen, um nicht das schöne Wetter zu versäumen, bin dann aber doch die knappe Stunde, die der Film dauert, geblieben. Nicht, weil die explizite und schier endlose Szene an einem Porno-Set in Los Angeles so fesselnd gewesen wäre (sie ist es nicht). Vielmehr gelingt es dem Film, in der simultanen, parafiktionalen Schilderung des Alltags der vier Protagonisten, die Gleichförmigkeit und Modularität des Lebens in den von Ikea-Möbeln, Smartphones, Billigautos, Tattoos, und Pflegelotions strukturierten Tagen flexibilisierter Kulturarbeiter_innen in den in Abwicklung befindlichen Gesellschaften der vormaligen ersten Welt so überzeugend zur Anschauung zu bringen, das einem alle Vorstellungen von Differenz, Unverwechselbarkeit und Alterität, die das eigene Tun immer noch maßgeblich bestimmen, unbegründeter und haltloser denn je erscheinen. Letztlich fühlt es sich für jeden Kopf ganz ähnlich an, wenn er sich beim Einschlafen ins Kissen (Daunen? Polyesterfasergemisch?) drückt. Nur zeigt das normalerweise niemand. Genausowenig wie, dass der erste Griff nach dem Cumshot, noch nackt in einem völlig austauschbaren Gebäude irgendwo in L.A. , dem Handy gilt, SMS oder Facebook checken. Man könnte während der Arbeit etwas Entscheidendes verpasst haben, etwas Lebensveränderndes.   

 

Dominik Kamalzadeh

Anfang Jänner war ich auf dem norwegischen Filmfestival Tromso, das nicht zuletzt aufgrund der dort herrschenden Polarnacht optimale Kinobedingungen bietet. Zum beeindruckendsten Lichtspiel kam es dennoch al fresco. Am Ende unseres Aufenthalts stapfe ich mit ein paar neuen Freunden auf einen Hügel. Eine iPhone-App hat angekündigt, es würden optimale Bedingungen für Nordlichter herrschen. Wir rutschen am Eis aus. Als wir dann tatsächlich das Schauspiel am Himmel sehen, ergreift uns eine bisher unbekannte Euphorie. Zuerst lachen wir noch, dann wird uns ganz seltsam vor Rührung. Optimale Bedingungen, um später über kosmische Gefühle  bei Terrence Malick nachzudenken, über den ich gerade an einem Buch schrieb. 

E agora? Lembra me – zu deutsch «Und jetzt? Erinnere mich», ein wilder, wuchernder, lebensbejahender Film des Portugiesen Joaquim Pinto. Ich sehe ihn in Locarno und bin überwältigt, von der Aufrichtigkeit, mit der er von seiner Krankheit erzählt, vom Reichtum seines Lebens, das sich in dem Film bewahrt. In Wien treffe ich Pinto dann zum Gespräch. Er erzählt mir von so vielen Dingen, ich könnte ihm noch viel länger zuhören, aber die Zeit wird knapp. Auch vom Renaissancekünstler Francisco de Holanda und dessen Buch des Lebens, De Aetatibus Mundi Imagines, das dieser vor rund 450 Jahren handgefertigt hat. Als Pinto endlich davor stand, in der spanischen Nationalbibliothek, hätte nicht nur er die Aura des Buches gespürt, sondern auch die Leute, die ihn aus Sicherheitsgründen begleitet haben. 

Privatparty auf der Viennale, nach der Vorführung von Raya Martins und Mark Peransons La ultima pelicula.  Gleich als ich das Vorzimmer betrete, stoße ich auf Albert Serra, der mich in ein weirdes Gespräch über die uneuropäische Seite des modernen Russen verwickelt. In der Küche steht Serge Bozon. Das Wohnzimmer ist von US-amerikanischen Independent-Filmemachern wie Matt Johnson und Nathan Silver erobert worden. Von irgendwo schaut Edgar Honetschläger herein und stellt sich mir vor. Jemand singt zum Abschied ein Lied auf einer Mundharmonika. Es ist die Wohnung, in die ich zwei Monate später umziehen werde. Good vibrations.

 

Birgit Kellner

Im Winter estnische Webcams mit Wildschweinen im Schnee. Im März immer wieder Tusk von Fleetwood Mac angehört, wg. Eingangssequenz der ersten Folge von The Americans. Im April das beste chinesische Essen ever in einem verstaubten Einkaufszentrum in Shanghai, auf Einladung eines älteren Professors, Koryphäe in buddhistischer Logik. Zu Hause Trauermückenbekämpfung am Balkon mit Nematoden. Im Mai estnische Webcams mit Käuzchen und Schwarzstörchen. Im Juli in Ulaanbataar von mongolischen Konferenzcaterern in Dirndl und Lederhosen Lunchboxen entgegengenommen.

Im August in Portugal den Tahaweber entdeckt. Mit G. Bienenfresser verfolgt, Weißstörche bestaunt, Limikolen gesucht und allabendliche Massenversammlungen von Spatzen beobachtet. Im September auf Procida eine ganze Woche buddhistische Logik diskutiert. Im Oktober estnische Webcams mit Schreiadlern. Im November am Geburtsort des Buddha in Lumbini (Nepal) historische Formen logischer Theorien diskutiert, auch buddhistische. Chinesische Koryphäe wiedergetroffen. Saruskraniche (groß) und Kuhreiher (klein) bestaunt, nachts Schakale schreien gehört, die wie Pfauen klangen. Ashokasäulen betrachtet, neben denen auf wackligen Beinen Zicklein grasten und Bachstelzen wippten (feste Säulen der Geschichte, fragile Beinchen der Gegenwart). Im Dezember estnische Webcams mit Wildschweinen im Schlamm. Im Schwarzwald knapp vor Weihnachten Aufsatz über buddhistische Logik fertiggeschrieben. Rotkehlchen. Ohne Ortungsgeräte durch Landschaften gestolpert.

 

Sarah Khan

1. Nicht eingeladen

Anfang des Jahres schickte mich ein Magazin nach Lahore in Pakistan, um mit einer Reportage über den Miniaturmaler und «Artist of the Year» der Deutschen Bank Imran Qureshi zurück zu kommen. Es war eine aufregende Woche, und wenige Monate später traf ich Qureshi und seine Frau, die Künstlerin Aysha Khalid, bei seiner Eröffnung in der Deutschen Bank Kunsthalle in Berlin wieder. Es war auch für diese Institution die erste Soloshow, nachdem die Deutsche Guggenheim dort geschlossen und das Berliner Volk auf Einladung der Bank seine eigenen Werke für 24 Stunden gehängt hatte («Macht Kunst» hieß die Kampagne). Qureshis Eröffnung endete traurig für mich, ich durfte nicht zum Dinner ins oberste Stockwerk. Angeblich sei es sowieso nichts Besonderes, trösteten mich diejenigen, die auch verblüfft waren, dass ich so dastand. Das tröstete mich nicht, ich hatte ja keine Orgie von diesen Leuten erwartet. Aber im Gegensatz zu den Anzug- wie Bedenkenträgern der Bank hatte ich mich wenigstens getraut, nach Pakistan zu fahren. Die Frankfurter hatten nur eine Videobotschaft nach Lahore geschickt («see you Unter den Linden!»). Deshalb hätte ich mit den angereisten Pakistanern gerne den Abschluss dieses Projektes gefeiert. Verstimmt ging ich heim. Die Deutsche Bank sollte, was ihre Berliner Kunstambitionen angeht, eines verstehen: Die Kunst gehört in Berlin zur sozialen Chemie und zur sozialen Barrierelosigkeit der Stadt und muss auch weiterhin dazu beitragen. In einer Stadt, die ihr bürgerliches Milieu, ihre Geschäftstätigkeit und ihre Jobmaschinen erst erfinden muss, werden Institutionen glanzvoll, wenn sie sich als Ort von Begegnung, Gespräch und Überraschung erweisen. Das bedeutet nicht nur Generosität gegenüber Uneingeladenen und Buffettabfressern zu zeigen, sondern weit darüber hinaus offen und neugierig zu sein. Man muss selbst Bock darauf haben, Menschen kennenzulernen, die man vorher nicht kannte. Die Deutsche Bank weiß davon noch nichts.

2. Obama in Berlin

Es war ein enttäuschender, kalter Sommer, aber der 18. Juni 2013 war anders. Obama war in der Hauptstadt und die Sonne brannte wie sonst nur in Sergio Leones Filmen. Auf den Dächern des Regierungsviertels standen Scharfschützen. Die morgendliche S-Bahn-Fahrt vom Hauptbahnhof bis Friedrichstraße verlief in gleißend weißem Licht, zwischen schwitzenden Menschen durch ein entvölkertes Gebiet. Es war der letzte Tag, an dem Barack Obama als Hoffnungsträger noch geliebt werden konnte. Er stand vor dem Brandenburger Tor und zog sein Jacket aus. «Unter Freunden darf man das.» Einige Schüler der amerikanischen Schule, die als Jubelschar dabei sein durften, fielen in Ohnmacht, aus Sicherheitsgründen waren Wasserflaschen nicht erlaubt. Es war zu anstrengend, Obama konzentriert zu folgen, als er von der Notwendigkeit kontinuierlicher atomarer Abrüstung sprach. Edward Snowden war an diesem Tag bereits auf der Flucht vor den amerikanischen Behörden. Die deutsch-amerikanischen Beziehungen haben sich seit dem heißen Besuchstag abgekühlt. Putin war schlauer, er totalisierte sogar das Wetter. Um die Winterspiele für Sotschi zu bekommen, sagte er vor einigen Jahren in seiner Bewerbungsrede: «I guarantee snow.Q In Demokratien muss man lernen, mit dem Wetter umzugehen, so wie es ist.

3. Fauxpas am Nikolassee

Sonntagsbraten bei (Geschäfts-)Freunden, größere Runde mit vielen lustigen Kindern, Jakob Augstein war mit seinen Kindern auch dabei. Es war meine erste Begegnung mit dem Publizisten (Freitag) und Erben des Rudolf Augstein (Spiegel). Ich habe ihn in letzter Zeit als einen «left wing populist in the making» wahrgenommen. Seine Spiegel-Online-Kolumne machte mir oft Schaum vorm Mund, aber so bei Tisch und gutem Essen verlief die Unterhaltung sehr nett. Nach dem Hauptgang und bei den ersten Verdauungsschnäpsen angelangt (die Kinder spielten), kam die Sprache auf Augsteins zwei Väter, also Rudolf Augstein und Martin Walser, von dessen Vaterschaft an sich er erst vor einigen Jahren erfuhr, was dann über die Presse der Öffentlichkeit bekannt gegeben wurde. Man sinnierte so ein bisschen über die Mentalität, die es diesen Eltern erlaubte, ein Kind, und später einen erwachsenen Mann, so lange im Unklaren über seine Elternverhältnisse zu lassen. («Der eine wäscht das Kind, der andere zeugt das Kind», um es in Familienrichter-Sprech zu sagen.) Wie ticken die bloß, dass sie das so lange durchziehen? Eine interessante Frage, die wir natürlich nicht ausdiskutierten, das wäre ja auch eine Zumutung für Jakob Augstein. Da passierte mir der Fauxpas, ich sagte: «Wenn du mal Geldprobleme hast, schreib ein Buch darüber, das wird bestimmt ein Beststeller.» Oh Gott, ich war so dumm. Ich wiederholte den Satz. Augstein tat zweimal so, als hätte er das nicht gehört. Da durchfuhr mich die Erkenntnis: Der hat ja niemals Geldprobleme, wie konntest du nur, Dummerle, peinlich. Später änderte ich meine Meinung über diesen Moment. Ich hatte unterdessen wieder einige Augstein-Texte gelesen, die ich inhaltlich nicht ganz präzise gedacht fand, oder nur lapidar, aber man konnte erkennen, dass da jemand mit Meinung und Gegenrede um einen publizistischen Einfluss in Deutschland kämpft und an Boden gewinnt. Augstein bekommt Online nicht selten viele hunderte Kommentare in kürzester Zeit und bringt seine Leser in Rage. Mein peinlicher Satz («schreib ein Buch / wird 'n Bestseller») war doch auch wahr. Ein wichtiges Buch von Jakob Augstein könnte in der Tat nicht ein Buch über den Kapitalismus oder die deutsche Politik werden – was man so publiziert, wenn man politisch publiziert –, sondern ein Buch über seine verrückte Mischpoke, die in der alten Bundesrepublik zwischen Spiegel-Affäre, Medienglanzzeit, bewaffnetem Terrorismus, Sylt-Schickeria, Hitler-Trauma, Kaltem Krieg und großmännlicher Hegemonie lebte. Eine Mentalität ganz anders als heute. Auch die Beziehung zu den eigenen Kindern war vollkommen anders, distanzierter, übergriffiger, zynischer. Jakob Augstein musste das erfahren. Mag sein, dass er keinerlei finanzielle Anreize hat, so ein Buch zu schreiben, aber es mag in einer Ecke auf ihn warten.

 

Rainer Knepperges

Gäbe es noch Jukeboxen mit aktuellen Singles, dann hätte ich 2013 in Wirtschaften und Eisdielen gehörig Münzen eingeworfen, um Paul McCartneys New und Daniel Johnstons Mean Girls Give Pleasure und Deap Vallys Bad For My Body zu hören. Am besten gefiel mir aber Paul McCartneys Early Days, über die schönen Anfänge und so schön wie aus den Anfängen.

Tommy Cooper war mir unbekannt. Als ich zwei oder drei seiner misslingenden Zauberkunststücke aus den frühen Siebzigern auf Youtube sah, war ich verloren. Ich verbrachte ein Wochenende damit, mir alles von ihm anzusehen. Ich las über ihn: «No man was ever less surprised by failure.» An meinem Geburtstag, den wir wegen des heißen Sommers draußen auf der Straße feierten, kam zufällig ein Magier des Wegs. Ein Brite - deshalb kein Zufall: ein Tommy-Cooper-Fan. Meine Freunde glaubten, ich hätte den lustigen Zauberer bestellt, aber das hatte ich nicht. Tommy Cooper starb übrigens 1984 auf einer Bühne, fiel tot um, und die Leute lachten.

Ein Song von Gilbert Becaud aus dem Jahr 1966: «Es ist nie zu spät"» ein außerordentliches Gospel-Duett aus dem kalten Krieg, beschwingt und vollkommen verzweifelt. «Nein, die Welt ist nicht schön, nein, sie ist nicht schön. Schön ist sie nur, wenn wir träumen.» Und das Wort «träumen» wird von Becaud geschrieen! Im Dezember in einem Münchner Plattenladen hörte ich zum ersten Mal dieses exaltiert melancholische Lied, über Kopfhörer, angestrengt zum Fenster hinausschauend, einfach zu nah am Wasser gebaut. Die blanke Kriegsangst, in die der Gesang ausklingt, begegnete mir kurz darauf ganz frisch in Miracle Mile von Steve de Jarnatt. Ende der 80er hatte ich den Film in einem Schachtelkino gesehen. Ihn wiederzusehen war ein überwältigendes Zeitmaschinenerlebnis. Museumsbesuch und Fiebertraum. Spaß und Schock. Vergessenes Unvergessliches.

 

Ekkehard Knörer

Eine Ordnung ist das nicht: Einfach stur Filme aus aufeinanderfolgenden Jahren sehen, Bücher aus aufeinanderfolgenden Jahren lesen. Unbekanntes, das großartig ist, Berühmtes, das langweilt. Ich kann da keinen Zusammenhang sehen, längst auch nicht mehr in meinem Geschmack. Wie passen denn etwa Ame & Yuki und Spring Breakers zusammen, und L'inconnu du lac und dann To the Wonder, der mich dann doch fast noch zu Malick bekehrt hat? Zufällig lese ich bei einer Diskussion auf Facebook, wie wenig ich Wes Anderson früher mochte, völlig vergessen, aber das Argument leuchtet mir ein. Und was ich an Lobendem über den Wolf of Wall Street lese, leuchtet mir auch ein (nicht alles), nur der Film tut es nicht, überhaupt nicht. Aber nächstes Jahr dann, vielleicht. Eigentlich muss man immer alles noch einmal von vorne sehen und lesen, weil man weiß, dass man nicht mehr der ist, der man war. Nur kommt man zu keinem Ende damit. Nicht mal zu einem Anfang.

Der rumänische Pavillon: Geschichte der Biennale, requisitfrei vertanzt, in Posen gebracht. Prasselnder Regen auf dem Glasdach, fast menschenleer noch das Gelände, wir waren spät im Jahr, früh am Tag. Venedig kann auch bei tristem Wetter sehr schön sein.

Und in Rom: Zaha Hadids Maxxi, mehr Bau (wie der eines Tieres) als Gebäude. Darin die große kleinteilige Ausstellung der Fotos und Fotoserien und des fotografischen Denkens von Luigi Ghirri (wobei seine Aussagen wie so oft dümmer sind als das Werk): Ja, so ergibt die Fotografie noch einen Sinn.

Außerdem fallen mir noch weitere Dinge ein, aber beim Nachdenken waren sie dann schon 2012.

 

Gertrud Koch

Erstmal die Erschöpfung wieder nicht alles fertig bekommen zu haben, was eigentlich auf den Stapeln für 2014 nichts mehr zu suchen haben sollte – zu früh für einen panoramatischen Rückblick, zu spät um noch was draus zu machen.

An was erinnert mich das Jahr 2013?

Starke Schwerpunkte am Jahresbeginn: das Wiedersehen mit den Filmen von Chris Marker, das mich plötzlich mit seinem sehr eigenen Humor dazu brachte über LES CHATS PERCHES zu schreiben und die osmotischen Röhren, in denen Wörter und Bilder ineinander über schwappen und sich wechselseitig vorführen – ein Vortrag, der noch seiner schriftlichen Fixierung harrt und mich ins Jahr 2014 begleiten wird.

Im März am eisigen Strand der Ostküste. Eine Gruppe von jungen Mädchen in Bikinis stürmen mit lautem Kreischen und dem Kampfruf «Springbreeeeeeaaaaaaaaaaaaak!» ins Wasser. Am Abend vorher in einer menschenleeren Shoppingmal SPRING BREAKERS gesehen und nun die Verzweiflung verstanden, dass der Körper unter allen Umständen gezeigt und gesehen werden muss, „Springbreak“ als Opferritual. Mir hat der Film gefallen, sehr zum Missfallen einiger befreundeter Kollegen, «if you like nasty…» – sieht so aus.

Strawinskys Ballet SACRE DU PRINTEMPS hat genau vor hundert Jahren Skandal gemacht – was die beiden Frühlingsfeiern verbindet, ist die Stilisierung des Archaischen, der Masken, der Ornamente, die Feier des Primitivismus, des rite de passage – vielleicht ist Korines Film eine Art Remake oder auch schon die Parodie auf die Entfesselung der Triebe, an die die Surrealisten noch als ästhetisches Programm glaubten. Auf alle Fälle spielt Rhythmus eine entscheidende Rolle hier und der Soundtrack von SPRING BREAKERS mit seiner Nummerndramaturgie von Songs passt gut dazu.

Aber auch das muss noch ausgearbeitet werden – 2014. Mein Rückblick ist also mehr eine Vorschau.

 

Florian Krautkrämer

Filmarbeit in der Provinz. So nannte Farocki 1972 einen Aufsatz in der Filmkritik, in der er über Filmausbildung an Kunsthochschulen schrieb. Damals beschrieb er die mangelhafte Ausstattung (die heute immer noch mangelhaft ist). Heute zählt dazu aber auch die mangelhafte Kinosituation: Vieles, von dem man außerhalb der Provinz spricht, gibt es hier schlicht nicht zu sehen. Da muss man seine eigenen Programme machen, und die Gäste gleich mit einladen; Sebastian Mez mit Metamorphosen beispielsweise; oder Michael Baute und Stefan Pethke, die in diesem Jahr mit einem Seminar zu dem wahnsinnigen ORG von Fernando Birri an der HBK in Braunschweig waren.

2013 war das Kino ein Schiff, das mit GoPros gepflastert war, ein bilderzeugendes Monstrum, das sich aus Wasser, Blut und Kadaver nährt und dem ich an drei unterschiedlichen Orten begegnete: auf der Berlinale, ohne zu wissen, was mich da erwartete (bei einer Vorführung, bei der Véréna Paravel bemängelte, dass der Surround-Ton nicht richtig funktionierte (was aber dennoch eindrucksvoll war)); in Basel, auf der Oberflächenkonferenz in einem deutlich kleineren Programmkino, das zusätzlich zum wiederholten Sehen den Schwerpunkt vom Erleben deutlicher aufs Beobachten verschob; und dann noch mal in der Provinz (Braunschweig), aber im Multiplex, mit Surround-Ton und über 100 Besuchern.

Kindersachen. Lange nicht mehr so ein wütendes Mädchen gesehen wie in Kid-Thing. Große Leistung der Zellners, dass man trotz ihres abstoßenden Trotzes so bereitwillig mit ihr in der surrealen Welt der Pubertät unterwegs ist. Vor Jahren habe ich meiner Tochter bei einem Zoobesuch eine Einwegkamera gekauft, 24 Bilder für einen Tag. Auf fast allen Bildern waren dann Ärsche oder Geländer zu sehen: die Sicht eines Kindes. In Das merkwürdige Kätzchen gibt es diese Perspektive am Anfang ebenfalls, aber auch danach bleibt das einer der bewundernswertesten Filme in diesem Jahr. (Deswegen muss auch sein Regisseur Ramon Zürcher kommenden Februar in die Provinz (Braunschweig).) Kinderperspektiven. Dass die Perspektive der Kinder eine andere ist, merkt man u.a. beim gemeinsamen Filmesehen, ihnen fällt immer was anderes auf als mir. Danach dann das Drängen zur Diskussion, wobei, das kenne ich auch: der behagliche Rückzug ins Gesehene.

 

Merle Kröger

1) Liebe

positiv: die Geschichte meiner Cousine, die nach 25 Jahren ihre Jugendliebe wiedergefunden hat. Wenn man lange genug Traumschiff guckt, bleibt was hängen!

negativ: die Entscheidung des indischen Supreme Courts, Homosexualität zu re-kriminalisieren. I Am von Regisseur Onir plötzlich wieder hochaktuell.

2) Arbeit

unsere Filmklasse in Halle (Saale) wird langsam erwachsen, DramaConsult geht auf Kinotour und Revision nach Japan. Ich tingele durch die deutsche Provinz und lese aus Grenzfall: Erlebnisse zwischen absolut erinnernswert und lieber schnell vergessen.

3) Sonstiges

Portman (Spanien): Essenz der europäischen Krise in einer kleinen Bucht am Mittelmeer, mit Schwermetallen verseucht, unrettbar, abgesperrt.

Belfast (Nordirland): Irische post-war euphoria im Vorweihnachtstaumel, die Geschichte eines Krieges im Vorbeifahren, fast forward.

PS: Linda Perhacs in der Berghain Kantine: Peace zum Abschied als authentische Geste, mögen sich die Bühnen der Welt mit pensionierten Hippies füllen!

 

Franz Müller

2 Filme im Metropolis Kino bei mir um die Ecke 

 – einen am Anfang des Jahres, einen jetzt am Ende SILVER LININGS PLAYBOOK von David O. Russell. Hierzulande geächtet, aber mitreißend wie eh und je: Hysterie. Weil sie so frei ist von dem, was man gemeinhin Gefühl nennt. Und weil Erschöpfung glücklich macht. In keinem Film der letzten Jahre habe ich trotz aller erkennbarer Wirkungsmechanismen meine Familie besser wiedererkannt als in Bradley Cooper, Jennifer Lawrence, Robert de Niro und Jacki Weaver, wie sie sich mit solch unverschämter Spielfreude gegenseitig nicht zu Wort kommen lassen.

ENOUGH SAID von Nicole Holofcener

Wie aus Zaudern Schummeln wird und daraus eine Lüge erwächst. Zunächst ist sie leicht gesagt, dann wird sie schwerer. Und als sie dann zusammenbricht, möchte man einfach nur wegrennen. Ich weiß gar nicht, ob ich schon mal ein falscheres Gesicht als das, das Julia Louis-Dreyfus macht, als der ganze Schwindel auffliegt, auf der Leinwand gesehen habe. Einfach herzerfrischend. Was eigentlich Teenagern vorbehalten ist, ist nämlich auch für Menschen über 30 wieder eine echte Option: Sie können sich in die beschissensten Situationen hineinmanövrieren. Man sollte immer mit dem Heck voran und dem Gesicht zum Licht in eine Höhle paddeln, habe ich im Herbst in Irland gelernt. Und es (direkt bei meinem ersten Paddelausflug in eine Höhle) nicht beherzigt. Zu geheimnisvoll gluckste da das Wasser im Dunkel, als gäbe es einen geheimnisvollen Durchgang zum Mittelpunkt der Erde. Dass wir Menschen lügen können, ist etwas besonderes. Dass es uns unfrei macht, wenn wir es tun, ist nichts neues. Aber dass wir dafür nicht bis ans Ende unserer Tage bestraft werden, das ist wichtig zu erzählen.

1 Buch

Erst 2013 gelesen: MILLIARDEN JAHRE VOR DEM WELTUNTERGANG von Arkadi und Boris Strugazki. Da gibt ein Mann seinem Freund einen Rat in Form eines Gedichts:

«Ich hörte, dieser Weg führte zum Ozean des Todes, und kehrte auf halbem Wege um. Seither dehnen sich vor mir Umwege, öde und krumm...»

Es muss schön sein, zu zweit zu schreiben.

 

Kathrin Peters

3x Tanz:

– Astrid Kusser schreibt die Geschichte des Tanzens als koloniale: Cakewalk. Körper in Schieflage. Tanzen im Strudel des Black Atlantic um 1900 reicht bis weit ins 20. Jahrhundert hinein und von New York, Buenos Aires und Berlin bis Kapstadt. Es geht um Standardisierung und Disziplin ebenso wie um Ironien und Widerständigkeiten, die tanzende Körper immer auch freisetzen können. Die Herkünfte, losen Enden und Wiederaufgriffe, die Kusser beschreibt, lassen sich sehr gut für die Gegenwart weiterdenken.

– Z.B. mit Phil Collins’ They shoot horses, schon etwas älter, aber ich habe die Videoinstallation erst im vergangenem Jahr in der „Former West“-Ausstellung im Haus der Kulturen der Welt Berlin gesehen: Ein Disco-Tanzmarathon, den Collins in Ramallah inszeniert hat (und der Sydney Pollacks fast gleichnamigen Film aus den späten 1960ern zitiert, der wiederum in den 1930er Jahren in den USA spielt). Auch Hassan Khans Jewel, in dem zwei Männer zu nordafrikanischem Elektropop tanzen, würde hier gut passen. Ich bekomme das Video bloß nicht mit 2013 zusammen.

– Dafür: Frances Ha, auf der Berlinale gesehen. Erzählt auch von Strudeln und vom Durchhalten, diesmal eher in Sachen Selbstsorge und Selbstregierung, was ganz (selbst-)ironisch und leichthin von Greta Gerwig durch das heutige New York getanzt wird.

 

Cristina Nord

März 

Während einer langen Bahnfahrt mache ich, obwohl müde und übernächtigt, einen Zwischenstopp in München, um mir im Haus der Kunst die von Okwui Enwezor kuratierte Ausstellung Aufstieg und Fall der Apartheid anzusehen. Eine Entscheidung, die ich keine Sekunde bereue. Nicht nur, dass die mehreren hundert Fotografien, die die Schau zeigt, anschaulich machen, wie sich das System der Apartheid etablierte und welche konkreten Maßnahmen es benötigte, um zu bestehen - etwa die penible Aufteilung des öffentlichen Raums oder den bürokratischen Exzess der Pässe und Passierscheine. Sie dokumentieren auch, wie sich der Widerstand gegen dieses System herausbildete, zunächst in Form einer Bürgerrechtsbewegung, später umso militanter, je heftiger die Repression wurde. Und wie das Fotografieren selbst wesentlicher Teil dieses Widerstands war. 

Oktober

Ein besonders schöner Urlaub in Neuengland und New York. Joggen am Morgen auf einem Pfad am Connecticut River, auf dem Wasser sehr malerische Nebelschwaden, die Blätter gelb und rot. Wanderungen durch die  Mittelgebirgslandschaften bei Hanover, New Hampshire. Für das Bestaunen der herbstlich-bunten Wälder gibt es einen lustigen Begriff, leaf peeping. In New York zwei tolle Ausstellungen: Robert Indiana im Whitney Museum und Mike Kelley im PS1. Indiana wird viel zu sehr auf Love reduziert, so dass sein übriges Oeuvre in Vergessenheit gerät. Zu Unrecht: Seine aus Fundstücken aus leer stehenden Häusern gefertigten Herms-Plastiken beeindrucken mich sehr, die Eat- und Die-Serien auch. Überhaupt, diese Hingabe an Wörter, die aus drei Buchstaben bestehen. 

Dezember 

Eine letzte Reise in einem an Reisen reichen Jahr führt mich zum Filmfestival nach Marrakesch. Stehe vor dem 900 Jahre alten Stadttor Bab Agnaou und staune über die vielen, gestaffelten  Bögen, außerdem über die Störche, die auf dem Tor nisten. Ich halte sie für Wintergäste aus der Uckermark, bis mir, zurück in Berlin, eine Kollegin erzählt, diese Störche sparten sich die Mühen der Migration. In den Grabanlagen der Saadier und einer ehemaligen Koranschule, der Medersa Ben Youssouf, kann ich kaum fassen, wie so viele unterschiedliche Muster in so unterschiedlichen Materialien – Keramik, Marmor, Zedernholz – auf so engen Raum passen. Berückende Spannung zwischen Abbildungsverbot und Ornamentexzess.

 

Bert Rebhandl

«Im Ernst, wofür ich fast alles geben würde, aufrichtig gesagt, wäre zu verstehen, wie es mein Kopf manchmal schafft, so herumzuspringen, wie er es tut.» Der explodierende Cartesianismus von Brian Marksons Roman Wittgensteins Mätresse als Fluchtpunkt aller Selbstreflexivität. Übersetzt von Sissi Tax, mit der ich einmal, das war noch 2012, nach einem Film im Arsenal im Lutter & Wegener im Sony Center über Möglichkeiten der Übersetzung eines Wortes sprach, an das ich mich nicht mehr erinnern kann.

Auf einer kleinen Fahrt durch England im Frühling ging die Festplatte meines Laptops kaputt. Ich ging noch am selben Tag in Windermere in einen Laden und kaufte mir einen Tablet-Rechner im Taschenbuchformat. Damit endete für mich das Zeitalter der Printmedien. Ich lese seither fast alle Zeitungen in digitaler Form, und verspüre keinerlei Phantomschmerz. Im November verlor ich das Tablet, musste ein neues kaufen, bei der Einrichtung war ich schon wieder ein paar Monate vorsichtiger als im Mai. Ich habe inzwischen sieben Email-Adressen. Datensparsamkeit, Informationsfülle, Fingerabdrücke.

Alexei Germans Zwanzig Tage ohne Krieg (1976): ein Heimaturlaub in Taschkent kurz vor der Entscheidung in Stalingrad, eine Meditation über Kriegsanstrengungen, im Grunde über das invididuelle Leben angesichts der Geschichte. Ein herausragendes Dokument davon, was das Kino im 20. Jahrhundert war.

 

Manfred Rebhandl

* Früher war ich schon öfter in Frankfurt auf der Messe gewesen, aber auf der Gebrauchsgütermesse, wo ich Quietschenten für das Geschäft meiner Ex einkaufte, oder Postkarten mit lustigen Sprüchen. Die Hallen 12 und 13 waren damals noch voll mit Chinesen, die auch endlich raus durften. Einen Container Chinesische Winkekatzen in Gold gab es um drei Euro fuffzig, plus 13.000 Euronen fürs Porto. Aber heuer gabs keine Chinesen zum Anschaun, heuer gabs Intellektuelle. Ich war das erste Mal auf der Buchmesse, und die ist im wesentlichen so, wie Jakob Arjouni sie in seinem leider sehr schlechten Krimi "Bruder Kemal" beschreibt. Freilich war sie nicht ohne Höhepunkte. Beim Österreich-Empfang gesponsort von Weinland Österreich schrieb ich der Frau vom jungen Unseld meine Handynummer auf die Hand, und nächsten Tag war ich bei denen zum Empfang eingeladen, und die haben dort die strenste Tür. Am Eingang stand eine verwelkende Lyrikerin und schrie verzweifelt in ihr Telefon: «IIIIIDSCHOOOOOOMA, IIIIDSCHOMA, ich komm da nicht rein!» Die schrie noch, als ich schon längst vor der bunten Bibilothek Suhrkamp Wand stand, die heuer mit Plastik verhangen war, weil angeblich Stuckrad Barre mal einen Band rausgeholt hattte. Eine blonde Tagesschausprecherin war auch da und Gesprächsthema, weil sie angeblich gerne Bücher stiehlt. Heribert Prantl von der SZ trug den gleichen braunen Nadelstreif wie ich, ging aber früher. Als Nichttrinker hielt ich das aber auch nicht lange aus. Nächsten Tag ging Ijoma Mangold an unserem Stand vorbei, ich fragte ihn nicht, ob er gestern die Lyrikerin noch reingebracht hatte. Stattdessen trug ich ihm meine Bücher als Lektüre an und sagte: «Geben sie sich einen Ruck und lesen sie mal etwas Gescheites!" Er schaute mich an, als wär ich eine Winkekatze, drückte mir meine Trash-Krimis wieder in die Hand und sagte: "Ich lese keine Krimis, ich bin Intellektueller.»

* Windischgarsten in Oberösterreich, altes Freibad, blaues, glattes Wasser, 50 Meter-Becken, ein Sommer wie damals. Meine 7jährige will plötzlich aufs Drei-Meter-Brett hinauf, ich frage besorgt: «Und wie willst du wieder runter?» In den Wilden Zwergen, die ich ihr immer vorlas, gibt´s nämlich den Adrian, der dann oben am Dreier stehen bleibt, und die Lehrerin muss ihn herunter holen. Ich aber hatte als Kind schon solche Angst vorm Dreier, dass ich das ganze schöne Blau hätte gelb färben können, und die Angst hat sich bis heute nicht gelegt. Keine Chance, dass ich da hinaufklettern und sie herunterholen würde. Das kleine Fräulein aber steigt hinauf und macht eine Arschbombe, die mir die Tränen in die Augen treibt, so stolz bin ich. Später gab´s Gummischlangen und Twinni-Eis, und den einen sehnsuchtsvollen Gedanken: Warum kann denn die Zeit nicht stehenbleiben, wenn es so schöne Jahreszeiten gibt?

* Wenn man so wie ich vom Leben abgehängt wird, dann hat das den Vorteil, dass man sich die Sopranos im Ganzen erst 14 Jahre nach Serienstart anschaut. Dabei kriegt man ein gutes Gefühl dafür, wie langweilig die Serie eigentlich war, lustig natürlich schon, aber halt nicht spannend. Ein Höhepunkt aber war die Folge Pine Barrens, directed by Steve Buscemi: Pauli Gualtieri und Chrissi Moltisanti sollen Geld von Valery, einem Mitglied des russischen Mobs und ausgewiesenen Tschetschenien-Krieger, Geld eintreiben. Das läuft ein bisschen aus dem Ruder, und sie fahren mit der vermuteten Leiche im Kofferraum hinaus in die Pinelands. Dort läuft ihnen die Leiche aber im tiefen Schnee davon, und obwohl sie ihr jede Menge Blei nachschicken, läuft sie einfach immer weiter, denn Valery hält einiges aus.  Pauli verliert dann seinen Schuh, als sie ihr Auto suchen, und Christopher hat noch immer nichts gespachtelt. Das ist dann fast - fast! - Coen-like. Valery taucht aber leider weder in dieser Folge noch in weiterer Folge jemals wieder auf, vielleicht lief er einfach bis nach Tschetschenien. Also wirklich sehr schwache Dramaturgie, aber ganz starke Folge. Mein Facebook-Account bietet mir als Höhepunkt für 2013 an: «Puckerl und Muckerl gekauft.» Ein altes Kinderbuch voller Hirschkäfer und schwimmender Schuhe in einem Wald, ähnlich der Pine Barrens. Manchmal weiß Facebook eben doch besser über mich Bescheid als ich.

 

Cord Riechelmann

Pierre Huyghe Retrospektive im Centre Pompidou

Gleich im ersten Raum gab es einen immer schmelzenden Schneehaufen, einen Menschen mit Vogelkopfmaske, der mal stehend, mal gehend überall auftauchen konnte, und jene Frauenskulptur mit Bienenwabenschädel, die auf der Dokumenta im Zentrum von Huyghes relationaler Skulptur um die Kompostierungsanlage in den Kasseler Parkauen stand. Schon diese grandios lichte Installation nahm einen so ein, das man andauernd „Gegenwart! Gegenwart hoch zehn!“ schreien wollte Und es ging so weiter und ließ einen diesen Winter als den schönsten aller Zeiten in Paris empfinden. So genau hat lange keiner mehr die Erfindungen der Kunst mit den Mächten des Lebens, seien es Fische, Waschbären, Bienen, Hunde oder Schnee und Eis, in ein nie überspanntes Verhältnis gesetzt, das trotzdem jeden Augenblick auch zerreißen könnte.

James Benning: Stemple Pass auf der Berlinale

Der beste Waldfilm für immer. Eine feste Einstellung auf ein Waldstück in Montana, mit einem Seitenblick rechts unten auf der Leinwand auf die Hütte des Unabombers Theodore («Ted») John Kaczynski. Der Wald in vier Jahreszeiten, jeweils etwa eine halbe Stunde mit den Orginaltönen aufgenommen. Am Stillsten ist es im Herbst, im Winter hört man vor allem einen Häher und dazwischen meisenähnliche Laute. Dazu liest eine Stimme aus Kaczynskis Tagebuch, das er während seiner Waldzeit schrieb, sowie Passagen aus seinem Manifest. Genauer hat seit Thoreau niemand mehr den amerikanischen Wald angeschaut. Wenn es überhaupt ein «must see» gibt, hier ist eins.

Der Zoo von Tripolis und die Freiheit Europas

Nachdem nun – mit Unterstützung auch der Freiheitstypen im deutschen Feuilleton, aber ohne Guido Westerwelle – Libyen in ein Reich von Warlords und konkurrierenden Mörderbanden zerbombt worden ist, wird die Freiheit Europas auch im Zoo von Tripolis verteidigt. Aktiv vor allem durch Vergewaltigungen und anderen Mißhandlungen, deren Opfer Flüchtlinge aus anderen Teilen Afrikas auf dem Weg nach Europa sind. Im Zoo hat eine der «Freiheits»-Brigaden ihr Hauptquartier und dort sperren die dann Leute aus Mali, Gambia oder dem Senegal in Käfige direkt neben den Löwen. «Die EU braucht unsere Hilfe, wir müssen Pack wie dieses aufhalten», sagte einer der Milizionäre einem Journalisten des österreichischen Magazins Profil. Und während man das also las, kam es, dass Bernard-Henry Levy, kurz BHL genannt und der Held der deutschen Freiheitskämpfer im Feuilleton, ein paar Tische weiter im gestärkten weißen Hemd ein kleines Mal zu sich nahm, das ihm offenbar schmeckte. Es fiel einem dazu passend Goethe ein, dem es auch schmeckte, während sie sich in der Türkei die Köpfe einschlugen. Leider fielen einem auch noch ein paar andere Sachen ein, die alle nichts als schlechtes Denken waren und einmal mehr nur zu einer Wahrheit führten: aus Schlechtem, wie dem sogenannten Freiheitsdenken, folgt nur noch Schlechteres. Und man wünschte sich, dass Jacques Derrida einmal in seinem Leben richtig hingelangt hätte, als er BHL mal nur von einem Podium schubste. Aber auch das war falsches Wünschen. 

 

Simon Rothöhler

War was (war viel) im Kino? Bin mir gar nicht so sicher. The Master und Spring Breakers aus dem regulären Verleihprogramm; None Shall Escape von André de Toth auf der Berlinale; vor kurzem noch Lanzmanns Le Dernier des injustes, den man auch nicht einfach so abhaken kann; zwischendurch sehr eingeleuchtet: Sniadeckis Inklusionsplansequenz People’s Park als Anti-Leviathan; zum ersten Mal gesehen: Running on Empty (1988) von Sidney Lumet, dürfte mein Lieblingsfilm des Jahres gewesen sein # Gutes sonst: Alan Rusbridger vor dem Commons home affairs committee am 3. Dezember 2013 (hier) # Das Val d’orcia (Sommer) und die Rhätische Eisenbahn (Winter) # 25. Mai 2013, 89. Minute (hier) # Katie Mitchells klinisch präzise, im Grunde kaum genießbare Medieninstallation Die gelbe Tapete an der Schaubühne # Im Spätsommer begonnen Fontane wiederzulesen, an Weihnachten Hans Blumenbergs Gerade noch Klassiker dazu geschenkt bekommen: «Rebhuhnflügel oder Krammetsvögelbrüste».

 

Armin Schäfer

Filme: James Benning, Stemple Pass. Der Film besteht aus vier Einstellungen, die dieselbe Landschaft in vier Jahreszeiten zeigen. Jede Einstellung dauert eine halbe Stunde. Die Sonne geht unter. Am rechten Rand steht eine Holzhütte. In solch einer Cabin, wie sie Henry David Thoreau oder Ted Kaczynski, der so genannte Unabomber, bewohnten, wird die Wildnis zum Rückzugsort. Benning hat im Innern der Hütte eine Auswahl von Aufzeichnungen und Notizen, die Kaczynski hinterlassen hat, für die Tonspur des Films eingesprochen. Als ich Stemple Pass auf der Berlinale sah, wurde mir klar, dass die Zeit, die ich im Kino verbringe, nicht vom Rest meines Lebens abgezogen, sondern zur Lebenszeit hinzuaddiert wird.

Harmony Korine, Spring Breakers. Das Bedienfeld eines Wiedergabegeräts für DVDs ist ein Dispositiv, das nicht nur Verlangsamung, Wiederholung oder Looping der Bilder erlaubt, sondern mit diesen kleinen Manipulationen mein Unbewusstes mit dem Film kurzschließt: Ich kann die Bilder jetzt so sehen, wie sie in meinen Träumen prozessiert werden. Diesen Kurzschluss lässt Spring Breakers in Filmbildern thematisch werden, die Werbeclips, Sexfilmen, Musikvideos abgeschaut sind.

Retrospektive der Filme von Johan van der Keuken im Filmmuseum Amsterdam. Man kann einen Film nur einmal zum ersten Mal sehen. Van der Keuken hat den Alltag des zehnjährigen Mädchens Beppie, das in seinem Nachbarhaus wohnt, (Beppie, 1965), das Saxophonspiel des Musikers Ben Webster (Big Ben: Ben Webster in Europe, 1967), den Handel an der Börse (I love dollars, 1986), den Alltag in Kerala, Indien (Het Oog Boven de Put / The Eye Above the Well, 1988), das Spiel auf selbstgebauten Blechblasinstrumenten (Bewogen Koper, 1993) oder die Fahrten eines Moped-Kuriers in Amsterdam (Amsterdam Global Village, 1996) als intensives Lebenserleben gefilmt: Kino, als ob man die Filme noch einmal zum ersten Mal sähe.

Und Bücher: Oswald Egger, Euer Lenz, Suhrkamp; Imre Kertész, Letzte Einkehr. Tagebücher 2001 – 2009. Mit einem Prosafragment, Rowohlt; Wolfgang Herrndorf, Arbeit und Struktur, Rowohlt. 

 

Michael Sicinski

1. Liminal Disturbance, a show by Canadian / Six Nations artist Greg Staats, seen during the Images Festival in Toronto. Incorporating video, photography, and sculptural installation, the work draws on contemporary theories of trauma, bringing them into dialogue with Mohawk aesthetics, in particular the concept of art as part of healing rituals and the repairing of what has been torn asunder. In Staats' case, this involves the physical landscape, the Six Nations' history and rights, as well as the material media with which such concepts might be articulated. For me, this was the discovery of a major artist.

2. It appears that 2013 may have been the year that a critical mass of individuals finally realized that The Walking Dead is not a good television show. Only time will tell, but if the meandering, plague-ridden half a fourth season hasn't make viewers realize that the walkers are far more entertaining than the living, well, I just don't know anymore. (At least Hershel, Scott Wilson's homespun Habermas character who never met a problem he couldn't spin a homily around, is finally dead.)

3. Nathaniel Dorsky's Spring. Just when it seems like the avant-garde master is in jeopardy of repeating himself, he finds new promise in his signature style. His latest, a virtual orgy of phallic foliage, is another triumph, and the best film of 2013.

 

Silvia Szymanski

1 + 2: Filme und Freunde. Das schönste in dieser Hinsicht waren die Hofbauerkongresse in Nürnberg. Es kommen Leute aus ganz Deutschland dorthin, obwohl es ein sehr kleines, fast geheimes Filmfest ist. Es laufen rare, ältere, poröse Filme, oft sind sie sexuell, und es ist eine Wucht, mit diesen Leuten diese Filme anzugucken, als wäre das hochwichtig, als würde das die Welt zusammenhalten. Wir sitzen wie in einem Tourbus, total übernächtigt, angetörnt voneinander und den Filmen, und es strömen auf uns ein: Baby Vickie von John Hayes. Der Perser und die Schwedin von Akramzadeh. Der Liebesschüler von Siggi Götz. Merkwürdigkeiten von Frits Fronz. Lass jucken, Kumpel 5. Einmal war Katja Bienert zu Gast, und wir guckten mit ihr zusammen Filme von Jess Franco, in denen sie nackt und dreizehn war; es war sehr zauberhaft, die Zeiten überschlugen sich. – Zwischendurch rauchen wir auf der Dachterrasse. Hinter den Stadtbaumwipfeln liegt der golden angeleuchtete Hauptbahnhof, ein abgründig-phantastisch-schnörkeliges Prachtstück. Der Zigarettenqualm der Freunde kommt in meinen Körper, die Nachtluft streichelt mein Gesicht, ich habe angefangen, einen Roman über das alles zu schreiben.

3: Wir haben Jürgen Enz gefunden! Ich bin ganz hibbelig vor Freude. Es fing, was mich betrifft, damit an, dass ich durch Christoph vom Filmblog Eskalierende Träume auf Enz‘ Sexfilm Tagebuch einer 17-Jährigen (1979) aufmerksam wurde. Christoph schilderte seinen ersten Schrecken über dessen Tristesse so farbig und eindringlich, dass ich das sehen wollte. Und dann immer mehr, ich fraß mich an Enz fest. Und ich war nicht die einzige. Immer mehr Leuten geschah es so, besonders als die Herbstromanze (1980) die Runde machte: Enz’ fast sexfreier, zutiefst seltsamer und vor Unausgesprochenem und Unterdrücktem nur so wummernder Heimatfilm. Zwei Jahre verfassten wir Texte über seine Filme und suchten ihn. Und dann, im November 2013, kam plötzlich der Durchbruch. Oliver stieß die Recherche noch mal an, Sebastian übernahm, innerhalb weniger Wochen hatten wir unseren ersten Interviewtermin – bald, im Januar 2014. Wir wollen einen Film darüber machen und darüber schreiben.

 

David Wagner

Oktober

Mit T. im Schloßpark von Fulda, morgens, kurz nach sieben, unterwegs zum Bahnhof. Auf einer Bank finden wir einen Filzstift – und verewigen uns damit auf der Rückseite einer der vielen dort herumstehenden Skulpturen (Schmiererei). In zehn oder zwanzig Jahren will sie nachsehen, ob sich das noch lesen läßt. Abends sind wir in Venedig.

November

Jeune & jolie von Ozon in den Hackeschen Höfen. J. und mir bleibt der Mund offen stehen. Bin so angetan.

Immer noch November

In Gizeh, ich stehe neben den Pyramiden, es ist sehr hell und sehr warm und ich verstehe plötzlich das Wort Weltwunder. 

 

Robert Weixlbaumer

Pausen-Café in Cannes, zwei Tage nach der Premiere von Desplechins Jimmy P.. B erzählt mir, dass sie vor ihrer Filmkritikerinnenlaufbahn eine Promotion an der École des Hautes Études en Sciences Sociales bei Georges Devereux begonnen hat. Begeisterung, dass der Held des Desplechin-Films in der Erzählung plötzlich so nah ist – und dass jemand meine aktuellen Spleens teilt. Gegenübertragungssorge, weil sie ihr Unternehmen nach Devereux’ Tod abgebrochen hat.

 Joshua Oppenheimer. The Act of Killing. Überwältigtes Staunen, wie viel das Kino und dieser Regisseur an Containment leisten können – und wie das die Prozesse immer weiter vorantreibt. Später begreife ich im Gespräch mit Oppenheimer, dass seine Forschungsgruppe an der britischen Uni nur aus einer Person besteht. Er ist sein eigenes Projekt.

Uni-Referatsclips im vergangenen Jahr: Seinfeld-Finale – The Good Samaritan; The Great Muppet Caper; Denis Lavants Black-Box-Punktwolke aus Holy Motors; Slavoj Zizek’s Intro zum Pervert’s Guide to The Cinema; Frage-Elmo (Sesamstraße): «Was, was, was, was, was, was, was?» Ich bin der ewigste Student.

 

Matthias Wittmann

Ereignisse:

Samantha Fuller im Anschluss an ihre Doku über ihren Vater, A Fuller Life, gesehen bei der Viennale 2013. Ziemlich beeindruckend, was Sams taffe Tochter da aus dem Archiv plauderte: ihr Vater ist nicht in den USA, sondern in der Ukraine geboren (Wikipedia bitte korrigieren!), er war mit einer Frau verheiratet, die Bigamistin und somit auch mit Buster Keaton verheiratet war, und es gibt unzählige bislang unverfilmte Drehbücher, etwa einen Film Noir, den Samantha nun verfilmen möchte. Bin gespannt.

Wahlen im Iran, begleitet vom Warten eines iranischen Freundes, wann denn sein Bruder endlich das Teheraner Gefängnis verlassen dürfe. Parallelaktion: Lektüre von Naficys Sozialgeschichte des iranischen Kinos

sommerabendliche Gespräche am Rhein (Basel) / Mike Kelley Ausstellung im Centre Pompidou (Paris) / Yo La Tengo im Le Bataclan (Paris) / Gespräch mit Jean Louis Schefer (Paris) / eine geschenkte Flasche aus F.F. Coppolas Weingut (Marke: Directorʾs Cut, Cabernet Sauvignon) / Maurice Pialat Ausstellung in der Cinémathèque française (Paris) / Inszenierung von Tschechows Die Möwe im Basler Schauspielhaus

Filme, Texte, ein SMS

Filme: Spring Breakers (Korine), Post Tenebras Lux (Reygadas), Last Days of Disco (Stillman), Michael Kohlhaas (Pallières), Mes Séances de Lutte (Doillon), Tip Top (Bozon), Viola (Matias Pinero), Història de la meva mort (Serra), La Ultima Pelicula (Martin/Peranson), Inside Llewin Davis (Coen), De rouille et d'os (Audiard), Grand Central (Zlotowski), Jerry and Me (Saaedvafa), La Grande Bellezza (Sorrentino), Hatufim (Serie)

Texte: Wittgensteins Mätresse (Markson), Limonow (Carrère), Vorlesungen über russische Literatur (Nabokov), Moments politiques: Interventionen 1977-2009 (Rancière), Sunset Boulevard. Vom Filmen, Bauen und Sterben in Los Angeles (Vennemann), Evangelii gaudium (Jorge Mario Bergoglio), Teju Coles Dictionary of Received Ideas (inspiriert von Flaubert/Bierce), zahlreiche Bücher von César Aira, Winter Journal (Auster)

ein SMS meiner Eltern (aus Japan): «Soeben ein Erdbeben erlebt. Sind etwas erschüttert.»

Ankündigungen, Vorfreuden: 

gleich zwei Abel Ferrara Projekte, nicht nur eines über die Affäre Strauss-Kahn (mit Depardieu), sondern auch eines über P.P. Pasolini, wenn man diesem Interview glauben darf.