spielfilm

Wie man es weiß Zu den romantischen Komödien von James L. Brooks

Von Daniel Eschkötter

Reese Witherspoon und James L. Brooks am Set von How Do You Know (2010)

© Sony

 

James L. Brooks fängt gerne von vorne an. Mit Charakterisierungen, Hintergrund-, Kindheitsgeschichten: Ein Junge trifft einen Baseball mehrfach nicht richtig, ein kleines blondes Mädchen schaut ihm zu, macht’s besser, wird von dem Jungen zu Boden geschubst. Dann ist sie, nach diesem kleinen Prolog, schon wenige Einstellungen später eine erwachsene Softballnationalspielerin, eine von Reese Witherspoon gespielte. So erwachsen, dass ihre Karriere nun dahin ist, sie aus dem Kader gestrichen wird. Oder: Ein blonder Junge erläutert seinem Vater, dass er immer Komplimente für sein Aussehen bekomme, aber einfach zu schlecht sei in der Schule, eben noch härter lernen, an sich arbeiten müsse. Danach noch ein Junge, bei seiner Highschool-Abschlussrede samt folgender Tracht Prügel durch die Bullies der Schule; ein Mädchen beim obsessiven Maschineschreiben im Kinderzimmer: zukünftiger Anchorman, zukünftiger Reporter, zukünftige Nachrichtenproduzentin. Generisches. Wie man wird, was man ist.

Die Szenen stehen am Anfang von How Do You Know und Broadcast News, jener aus dem vergangenen Jahr, dieser von 1987, zwei Komödien über Dreiecke, zwei Männer und eine Frau, Leben und Liebe und Arbeit und keine Arbeit in Washington D.C. Die Anfänge beider Filme sprechen gradlinigen Dramaturgien ihr Vertrauen aus, vertrauen sich ihnen an. Es wäre keinesfalls eine Beleidigung, James L. Brooks’ Filme darin – und in anderem – als konventionell zu bezeichnen. James L. Brooks ist einer der unberühmtesten Berühmten Hollywoods, einer der höchstdekorierten zumal. Bei sechs Filmen hat er bislang Regie geführt, sie alle auch produziert und geschrieben. Er ist eine Person der Fernsehgeschichte: Mitentwickler der simpsons. Autor, Entwickler, Produzent bei MTM Productions, der seriengeschichtlich überaus bedeutsamen unabhängigen Produktionsfirma, wo Brooks unter anderem die Show der Namensgeberin schrieb und verantwortete, the mary tyler moore show. «Remember there are a lot of TV shows with single mom heroines», sagt eine Frau in How Do You Know zu ihrem Vater, der darunter leidet, dass sie im Begriff ist, eine zu sein. Im amerikanischen Fernsehen der 70er gab es keine single moms, aber in Mary Tyler Moore doch die erste und berühmteste single working heroine.

Die Ambitionen der Filme Brooks’ liegen, ein Fernseherbe, im Dialogischen, Konversationellen. Story- und Figurenbögen zu balancieren, darum geht es. Brooks macht RomComs, romantische Komödien, mit ernstem Unterstrom, Umschlagspotenzial, Komödien, die auch mal ins Melodram sich wandeln können: kein Königsgenre der Gegenwart jedenfalls. An dem Sich-Finden der Liebenden, so es denn überhaupt stattfindet, interessiert Brooks dabei allenfalls das im Weg Stehende, die inneren Blockaden, Barrieren, das Nicht-Wissen, Nicht-Können. Brooks’ Dramaturgien benötigen dafür Ticks, Marotten, Kniffe, immer wieder Soziopathen, Figuren mit Zwangsstörungen, Neurosen (viermal Jack Nicholson, auch der großartige Albert Brooks, ein lediglich komödiantisch Verwandter). Sie definieren jemanden schnell und lassen ihn dann lang mit der Definition ringen. Seine filmischen wie Rollenmodellierungen, der Geschlechter vor allem, sind zweifelsohne abgeglichen, abgeschmeckt an Klassischem – klassisch in einem Sinne, in dem Hollywood eben, vielleicht, mal klassisch war. Brooks ist diesen Modellen verhaftet, er versucht dem Klassischen aber seinen eigenen Rhythmus abzulauschen und aufzuerlegen. Unausgewogen auf eine denkwürdige Weise sind deshalb seine Filme meist, als ganze oder in Passagen: Filme wie das Komödien-Melodram Terms of Endearment (1983) oder der in jedem Wortsinne tolle, ganz und gar aus dem Ruder laufende spanglish (2004), Ethnien-Klassen-Eheentfremdungs-Familienwahnsinns-RomCom. Filme, die sich so dicht, so uneben, so überladen ausnehmen, als habe man ein fertiges Script genommen und es noch zwischen den Zeilen vollgeschrieben. Es ist die Schieftönigkeit, Umwegigkeit, die Brooks’ Filme zu Fenstern in die dramaturgische Maschine macht. (Humanistisch sind sie darin ohnehin.)

 

Broadcast News (1987)

© Criterion | 20th Century Studios

 

Betrinken und Verlieben

Angefangen hatte James L. Brooks bei dem Hauptnetwork für die MTM-Serien, CBS, hatte sich dort hochgearbeitet zum Newswriter. Und so wurde mary tyler moore dann auch eine Serie über die Arbeit bei einer Nachrichtensendung (wo MTM als Produzentin arbeitet), so ist noch sein zweiter Spielfilm, broadcast news, durchdrungen von der Leidenschaft für die Nachrichtenarbeit, von dem Interesse auch für die Umbrüche des Geschäfts, den Ausverkauf, die moralischen Implikationen, die Dringlichkeiten und Dynamiken und Details, die der Newsroom mit sich bringt (und seien es die Alliterationen des «anxious anchor» William Hurt). broadcast news, der seit kurzem in einer dieser materialreichen Editionen der Criterion Collection als DVDund Blu-ray vorliegt, ist der Brooks-Film, der seine Energie am stärksten von einem Ort und einem Thema bezieht. Wie Fernsehnachrichten handwerklich produziert wurden, das sieht man hier – in Raumerschließungen, Kamerafahrten, die nach Michael Ballhaus aussehen und von Michael Ballhaus sind. Und wie drei Menschen, den drei Kindern des Anfangs, die Arbeit als Ethos und Tätigkeit in die möglichen Beziehungskonstellationen gerät, sie durchkreuzt. Die intimste Szene ist eine der Einflüsterung, in der Albert Brooks als missachteter Reporter der Produzentin Holly Hunter (die, in einer ihrer ersten großen Rollen, ihren sehr schönen Georgia-Akzent im Film beibehält) über das Telefon Libyen-Fakten reicht, und sie diese William Hurt, dem recht ahnungslosen Anchor, souffliert. Dass die Figuren ziemlich genau wissen, was sie können, was sie tun, was man darf, das ist ein Problem für ihr Miteinander: «It must be nice to always believe you know better. To always think you’re the smartest person in the room», sagt der Präsident der Nachrichtenabteilung zu Holly Hunters Jane. «No, it’s awful.»

how do you know ist geradezu das Gegenstück zu dem eloquenten Wissen und eleganten Können aus broadcast news. Wie und woher weiß man (dass es Liebe ist, komplettiert der deutsche Verleihtitel): dies beschäftigt den Film durchaus, allerdings eher als stilles Sich- Fragen, Aussetzen und -stehen. Irgendwann weiß man’s dann eben, vielleicht. You love me too, so erkennen sich hier zwei möglicherweise Liebende. How Do You Know: das zielt auch auf Gemütsbewegungen, die sich im Gesicht abspielen, in den Mienen, oft Grimassen von Paul Rudd und Jack Nicholson, bei dem hier nur in wenigen Momenten die Leine locker gelassen wird; dem Enthusiasmus Owen Wilsons; der vollkommen desorientierten Entschlossenheit von Reese Witherspoon.

Reese Witherspoons Lisa weiß nicht, wie sie dem, was ihr geschieht, wie sie dem Karriereende begegnen kann. Paul Rudds George Madison weiß nicht, wie ihm geschieht: als Gegenstand staatlicher Ermittlung aus Gründen, die er nicht kennt und mit denen nicht er, sondern nur sein Boss und Gauner-Vater etwas zu tun hat, der seinen Sohn mit einem Nicholsonschen Augenbrauenhochziehen für die eigenen Wirtschaftsverbrechen in den Knast zu schicken gewillt ist. Halt gibt ihr, Lisa, zeitweise, ein fröhlich-promisker Baseballstar, Owen Wilson, der, classy und guter Gastgeber, eine Schublade mit Zahnbürsten und einen Schrank mit Jogginganzügen für seine One-Night-Stands hat. Rudd, hier noch besser, liebenswerter als sonst ohnehin schon meist, darf, schwankend zwischen existenzieller Verzweiflung und jugendlicher Verliebtheit, seine physischen Komikregister ausspielen, auch seinen Charme des Unrettbaren. «I’m gonna treat myself like a company in trouble», sagt George einmal in diesem Film, in dem große Kredit- und Vertrauenskrisen weniger inhaltlich denn dramaturgisch-strukturell resonieren. Betrinken und Verlieben wären demnach die Rezepte für eine Firma in Not.

Rudd und Witherspoon, die am Beginn ihrer Filmografien auch schon einmal gemeinsam durch eine romantische Komödie fahren und laufen und hetzen durften, in overnight delivery (1998, Regie: Jason Bloom), spielen Figuren, die aus der Bahn geworfen werden, um dann – sie, die immer auch von ihm Irritierte («These cannot be moves!», begegnet sie seinen merkwürdigen Avancen), er, der bei einem schweigenden Abendessen sofort in sie Verliebte – irgendwie und nie so ganz richtig auf eine gemeinsame zu geraten.

Janusz Kaminski, seit schindler’s list Spielbergs Kameramann und von dessen Filmen bestens vertraut mit großen Gemüts- und Gesichtsbewegungen, löst diese Bahnung, dieses ganze Stück von Wissen und Nicht-Wissen, Bezauberung und Irritation auf in Arrangements eleganter, oft farbig entrückt gerahmter Großaufnahmen von Gesichtern. Es ist angenehm zu sehen, wie ein Film, der fast nur aus Zwiegesprächen am Telefon, im Nebeneinander und Gegenüber, aus Ansprachen und Gesprächsabbrüchen zu bestehen scheint, sich mit sehr dezentem Eigensinn der Konventionen zu bedienen weiß, mit welcher grammatikalischen Feingliedrigkeit hier etwa Schuss-Gegenschuss praktiziert wird.

Heulen in Totalen

Reese Witherspoons Lisa marschiert, Kinn voran, energischst selbst noch in ihrem Zaudern, durch den Film. Tracy Flick, Witherspoons Figur aus election, Alexander Paynes stilbildender Komödie von 1999, lief mit einer ähnlichen, freilich weitaus abgründigeren Wucht durch die Flure der Highschool, deren Präsidentin sie mit allen Mitteln werden wollte. In how do youk now ist Lisa, die Leistungssportlerin, ein Noch-Mädchen, das sich kleidet, bewegt, gibt, als habe sie in einer das Älterwerden aufschiebenden Blase gelebt. Und der Film nimmt sich Zeit zu zeigen, wie dem der Boden weggezogen wird, die Luft entweicht. Einmal geht Lisa zum Therapeuten – nichts für sie, merkt sie nach wenigen Momenten. Aber eines will sie dann, beim Rausgehen, doch wissen, ob er einen Rat habe, einen allgemeinen, der bei jedem Menschen, jedem Problem in jeder Situation sich als generell richtig erwiesen habe. Bei Brooks steckt durchaus ernstgemeinte Autorenenergie in durchaus nicht gänzlich unernsten Antworten auf solche Fragen: «Figure out what you want and then learn how to ask for it.» (Nicht, dass das für den Film irgendwelche Folgen hätte.)

Das Krisenrepertoire von Witherspoons Softballathletin ist einmal auf vielen bunten Zetteln an ihrem Badezimmerspiegel zu sehen, und es strukturiert die Syntax des Films darüber hinaus: Es sind solche Phrasen, Sentenzen, Kalendersprüche, mit denen sich Lisa nach kleinen Zusammen-, Tränenausbrüchen umso energischer wieder anfeuert, um wieder zielstrebig-ziellos zu marschieren. (Holly Hunters Produzentin in broadcast news nimmt sich mitunter Weinpausen, stöpselt das Telefon aus und heult, in schönen langen Totalen.) Pep Talk nennt man diese Spruchweisheiten, Erbauliches, für Sportler und überhaupt alle, und so neigt Witherspoons Lisa zur inneren motivierenden Kabinenansprache, die auf einem Post-it Platz hat. Den Pep Talk haben einige Figuren des Films verinnerlicht: Good talk! Nice visit! Good phone call! Amazing sex! Es ist der Anker, der ihre Boote in stürmischer See, auch das eine Metapher des Films, noch irgendwie festhält.

Wie die Sprüche und Lebensregeln, die Lisa in jeder Situation selbstorientierend im Mund führt, eben schon dort zerfallen: das führt how do you know vor. In ihm stockt es deshalb allenthalben, so flüssig der Film zwischen seinen Gesichtern und nicht ganz so prominenten Washington-Örtlichkeiten auch dahingleitet. Als Komödie, als romantische zumal, ist er reiner, schöner Umweg.

Nach all den Erbauungssätzen und Spruchweisheiten, all den orientierenden und doch folgenlosen Phrasen hält aber auch das Ende von how do you know noch eine bereit, die Paul Rudds George mit Play-Doh, einer Knetmasse, und ihrer Erfindung, der Einfärbung und Umwidmung eines überflüssig gewordenen Reinigungsstoffes illustriert; sie ist sein Liebesbekenntnis: dass wir alle nur eine kleine Korrektur, eine minimale Justierung davon entfernt sind, das Leben zu einem funktionierenden, einem guten zu machen. Das ist der kleine, zurechtgeknetete Messianismus des Films. Bei Walter Benjamin heißt es einmal – und das ist durchaus auch das filmische Programm von James Brooks’ romantischen Komödien: Man muss nur mit der Liebe Ernst machen, um in ihr eine profane Erleuchtung zu erkennen.

 

Broadcast News, Director-approved Special Edition, 2 DVDs, Criterion Collection (USA) | Terms of Endearment, Broadcast News, As Good as It Gets und Spanglish sind alle auch auf dem deutschen DVD-Markt erhältlich. How Do You Know erscheint im Mai