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Judd Apatow Über Judd Apatow: Comédie, mode d’emploi. Entretien avec Emmanuel Burdeau

Von Daniel Eschkötter

Auf die Idee, sich mit Judd Apatow, dem Imperator der Gegenwartskomödie, in Buchlänge zu unterhalten, wäre man in den USA wohl nicht so schnell gekommen. Eine Industriefigur ist Apatow da vor allem, vielleicht jemand für Audiokommentare und Making-ofs, kaum ein ernstzunehmender Stichwortgeber. Auch der amerikanischen Kritik in ihrer beweglichsten, integrativsten Netzform scheinen seine Filme weiterhin nicht ganz geheuer zu sein. Aber Umwege der Kanonisierung des Populären haben ja Tradition, Umwege über Frankreich zumal. Auteur oder ados, Autoren- oder Adoleszentenkomödie, diese Frage an und über Apatow stellt ein Buch in der französischen Edition Capricci also nur rhetorisch. Comédie, mode d’emploi ist ein Gespräch in Buchlänge, geführt und ausführlich eingeleitet von Emmanuel Burdeau, dem ehemaligen Ko-Chefredakteur der Cahiers du Cinéma.

Eine Gebrauchsanweisung für die amerikanische Filmkomödie ist Burdeaus Buch dann doch weniger als ein Gang durch die Karriere und den Kosmos Apatows, ganz chronologisch, ganz klassisch: Sozialisation, Einflüsse, Vorbilder, Castingentscheidungen, was lesen Sie, wie sieht ein Tag bei Ihnen aus, wie viele Einstellungen drehen sie. Mr. Apatow, wie haben Sie das gemacht eben. Apatow ist ein Comedy-Atmender, kein Historiker der Filmkomödie, auch niemand, der in Einstellungen oder Kameraoperationen denkt. Seine Verortungen reichen durchaus bis zu Keaton, den Marx Brothers und Mark Twain als Erfinder des Stand-up, aber die neuere Fernseh- und Stand-up-Comedy ist der Motor seines Schreibens, SaturdayNight Live der ersten Stunde ist ihr Ausgangs- und Brennpunkt. Vor allem darüber spricht der Comedy-Nerd im Selbstverständnis, der schon in der Jugend Interviews mit seinen Idolen führte und aufzeichnete und sie digital mit sich herumträgt. Darüber, wie man populäres Kino macht, indem man auf James L. Brooks hört und dabei auch mal an Cassavetes denkt. Und über die Familienpolitik seiner Produktionsarbeit. Die Analyse der Diskursmaschinerie Apatows liefert dann doch vor allem Burdeau in seinem Vorwort, in guter Cahiers-Manier: theorieaffin, aber nicht akademisch, mit einem Willen zur originellen Beobachtung und Zuspitzung, zur kurzen exemplarischen Szenenanalyse. Man kann diese Charakterisierung durchaus auf das Verlagsprogramm von Capricci anwenden, das Burdeau betreut. Capricci ist schnell, seit 2009, zu einem der interessantesten französischen Filmbuchverlage geworden. Das Programm ist nicht unbedingt hochriskant, aber es sammelt und konsolidiert cinephile Positionen, die auf dem Zeitschriftenmarkt zwischen Cahiers, Positif, Trafic und dem eingestellten Capricci-Zeitschriftenprojekt Vertigo verteilt waren und sind. Zentrale Autoren der französische Kritik kann man hier in Buchform lesen: Luc Moullet, Michel Delahaye, Jean Narboni und die Fernseh- und Dylantexte des unvergleichlich unterhaltsam-halsstarrigen Louis Skorecki. Neben jenem mit Apatow gibt es schöne Gesprächsbücher mit Monte Hellman, Luc Moullet, Jia Zhang-ke, Übersetzungen von Büchern Fredric Jamesons, Werner Herzogs u. a. und eine Essayreihe, in der kleine Bücher über große französische Favoriten (Fincher, Eastwood) erscheinen, über Serien (The Sopranos, The Wire), zuletzt von Jacques Rancière über Béla Tarr. Man kann sie eigentlich alle empfehlen.

Judd Apatow: Comédie, mode d’emploi. Entretien avec Emmanuel Burdeau, Capricci 2010