spielfilm

20. Januar 2014

Peretjatko, Brac, Letourneur Sehtagebuch

Von Ekkehard Knörer

Das klang interessant.

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Sarkozy und Hollande als Aufziehmännchen: So geht es los. Eine Frau, die am 14. Juli für die Kommune wirbt: So geht es weiter. Außerdem: guillotinierte Hand, guillotinierter Kopf (spielerisch). Ein Arzt (Dr. Plazenta), der nichts als gemeingefährlichen Unsinn im Kopf hat. Man tanzt. Im Dunkeln das Glimmen der Zigarettenspitzen. Hector fährt Schlitten mit dem Titelmmädchen vom 14. Juli, in einer Fantasie, die die beiden allerdings teilen. Und der Film teilt sie mit. So geht es dahin. Rasende Fahrt, Sturz, Frau hängt im Baum, geflüstertes Liebesbekenntnis. Später gehen die beiden einander aber verloren. Sie am Strand, er unterwegs. Ein Mann mit einem Verführungsführer, Bademeister am Strand, kommt zum Beispiel dazwischen. Er spricht etwas komisch. Über Stock und Stein geht der Film. Von Politik ist durchaus die Rede, wegen Finanzkrise ist ein Monat Sommerurlaub gestrichen, da ist die Aufregung groß. Auflösung im Fernsehquiz: Guy Debord. (Aus heiterem Himmel.) Schabernack, Allotria und alberne Scherze sind aber allemal wichtiger als Politik oder Gesellschaftskritik. Viel wichtiger. Mögliches Argument: Die Zersetzung des Ernstes und tiefer Bedeutung wäre selbst eine politische Geste. In der Tat ist der frühe Godard gar nicht fern. La fille du 14 juillet ist trotz seiner recht maßlosen Witzwut ein Film, der sich klein macht, sicher auch, um umso mehr Unsinn treiben zu können. Soundgags, Bildgags, Erzählgags, dazwischen Liebesgeschichten. Durcheinander, das Methode hat. Fortgang, der Zusammenhang flieht. Nicht alles zündet. Aber noch in den Verpuffungen steckt einiges an ansteckender Energie. Langweilig wird es nie. Der Gag ist das Ziel.

Antonin Peretjatko, La fille du 14 juillet, Frankreich 2013 (72cp)

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Ein Kammerspiel mit Meerblick. Zwei Frauen, Mutter-Tochter, kommen an im Ferienapartment. Ault heißt der Ort, Nordfrankreich, Provinz. Der Vermieter, Sylvain (Vincent Macaigne, der auch in La fille du 14 juillet mitspielt), etwas untersetzt, wirres Haar, sanft wie ein Lamm, verschießt sich in die Mutter. So altfränkisch wie das Wort «verschießen» ist diese Liebe. Er ist so schüchtern. Er zeigt ihr was in der Umgebung, sie redet und redet, sie sitzen auf einem Geländer, sie redet und redet. Und er sieht sie an und sieht sie an und sieht sie an und wendet gar nicht den Blick. Dann greift er mit seiner Hand nach ihrer Hand. Sie gewährt ihm die Hand, stockt kurz, redet weiter. Ob er sie küsst? Nein, er küsst sie nicht. Die Hände gehen dann wieder ihrer Wege. Man geht tanzen, sein Körper will erst nicht, dann doch. Ein Konkurrent kommt ins Spiel, sieht besser aus, geht forscher ran, Sylvain rastet aus, nur kurz. So geht das. Dann geht es anders, ein Happy Ending der unwahrscheinlichen Art. Eine Männerfantasie, vielleicht, aber so sanft und zart wie dieser Film selbst, der so schön genau ist und zart ist und so wenig Aufhebens von seiner Genauigkeit und sorgfältigen Zugewandtheit zu einem gar nicht auffälligen Mann macht, als wäre das das Natürlichste von der Welt.

Guillaume Brac, Un monde sans femmes, Frankreich 2011 (75cp)

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Sie reden und reden. Sie trinken und trinken. Und sie reden betrunken. Nicht weniger, eher mehr. Das ist das Leben auf der Ranch. Die Ranch ist ein Apartment, in Paris, hier leben eine Handvoll Frauen Anfang zwanzig. Leben heißt vor allem: Reden. Und trinken. Reden über Männer, ich bin nicht so sicher, ob der Film den Bechdel-Test bestehen würde, obwohl da fast immer nur Frauen reden. Und trinken. Und sie tanzen, quasseln, ziehen sich um, lachen. Das geht einem irgendwann schwer auf die Nerven. Mir jedenfalls. Es ist aber unklar, was der Film darüber denkt. Erst einmal ist er immer mittendrin. Lässt sie reden. Macht zwischendurch rabiate Schritte, legt keinen Wert auf das, was unterdessen geschah. Ist aber auch nicht so wichtig. Was mit Fritz wird aus Berlin. Erst immer nur Fritz, dann ist er weg. Andere Männer. Plötzlich eine Wanderung in den Bergen, oder Hügeln, auf dem Land. Zack, Schnitt, jetzt hier. Ist das Sorglosigkeit oder Kalkül? Besinnungslos sind seine Figuren. Aber wie besinnungslos ist der Film? Macht weiter, muss weiter, soviel ist klar. Am Ende Berlin. Ein halbnackter Mann am Klavier. Eine Kofferinstallation an der Wand. Oh, und ein Cinephilendialog über Hong Sang-soo. Aber wieder nur Fragen: Eine Cinephilenkarikatur oder wird da eine Wahlverwandtschaft gesucht? Was etwas anmaßend wäre. Denn ein explizites Spiel- oder Formbewusstsein gibt es hier nicht. Wenn einer der drei Filme was von Mumblecore hat, dann sicher dieser; aber in Kreuzung mit Girls. Ich weiß nicht recht. Den Streit der beiden cinephilen Jungs am Tisch kann ich aber entscheiden: Tale of Cinema ist toll, und zwar von Anfang bis Ende.

Sophie Letourneur, La vie au ranch, Frankreich 2009 (60cp)