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Periphere Perlentaucherinnen Die kontinuierlichen DVD-Veröffentlichungen des Korean Film Archive machen Schlüsselwerke der Filmgeschichte zugänglich und werfen die Frage nach den Grenzziehungspraktiken heutiger Mainstream-Cinephilie auf

Von Lukas Foerster

 

«Eine neue Form kollektiver Cinephilie» beschwor der US-amerikanische Filmkritiker Jonathan Rosenbaum jüngst in einem kurzen Essay für das Cineaste Magazine. Der Medienwandel und die mit ihm einhergehende Bewegung vom gemeinsamen Filmerlebnis im dunklen Kinosaal zum individuellen Filmzugang per DVD/Blu-ray/divx-File bedeutet Rosenbaum zufolge nicht zwangsläufig das Ende der Cinephilie als diskursiver und damit auch sozialer Praxis. Im Internet formiert sich demnach ein neuartiger kollektiver Reflexionsraum, der seinen gedruckten Vorgängern nicht zwangsläufig unterlegen sein muss.

An Rosenbaums Kritik der Kinonostalgie gibt es wenig auszusetzen. Ich würde aber behaupten, dass die neue Cinephilie ihr eigenes Potenzial nicht ausschöpft, weil sie ohne Not viele blinde Flecken der alten Cinephilie reproduziert. Insbesondere fällt auf, dass auch der gegenwärtige, digitale Kinodiskurs viel zu oft entweder den historischen europäischen Autorenfilm und seine Ausläufer oder das alte und neue Hollywood samt Indie-Unterbau implizit als Zentrum setzt. Das restliche Gegenwartskino wird zwar nicht mehr «Third Cinema» genannt, teilt aber mit diesem historischen Korpus das Schicksal, in erster Linie über sein (Nicht-)Verhältnis zum diskursdominierenden Kino bestimmt und rezipiert zu werden.

Dabei enthält die Digitalisierung eigentlich durchaus das Versprechen, die Hierarchien zwischen Zentrum und Peripherie aufzuheben. Insbesondere die DVD drängt sich hier als Verbreitungsmedium auf. Aber sowohl der real existierende DVD-Markt als auch der neue cinephile Mainstream, der sich um ihn formiert, gehorchen anderen, älteren Gesetzen und beide verlängern im Großen und Ganzen ein dringend renovierungsbedürftiges, eurozentrisches Bild von Filmgeschichte. Ein entscheidendes Symptom der fortgesetzten Scheuklappenmentalität der Szene ist die konsequente Weigerung, diejenigen DVD-Labels auch nur zur Kenntnis zu nehmen, die außerhalb «Kerneuropas» oder des nordamerikanischen Kontinents beheimatet sind.

Natürlich gibt es Ausnahmen. Die meisten finden sich im Internet. Rosenbaums eigene Kolumne «Global Discoveries on DVD» ist zu nennen, dann spezialisierte Websites wie molodezhnaja oder MidnightEye und natürlich auch einzelne Print-Großtaten wie Dave Kehrs Hinweis auf eine philippinische Lino-Brocka-Edition in der New York Times 2006.

Abseits derartiger Nischen kann von einer echten Globalisierung der Cinephilie weiterhin keine Rede sein. Im Zweifelsfall wartet man dann doch lieber darauf, dass die Filmgeschichte von – selbstverständlich, darum geht es nicht: äußerst verdienstvollen – Edellabels wie Criterion oder Masters of Cinema aufbereitet und vorsortiert wird. Labels, die gerade dann, wenn es um asiatisches, afrikanisches oder lateinamerikanisches Kino geht, die Selektionspolitiken der Filmfestivals nur zu oft bedenkenlos fortschreiben und intensivieren. Was dabei unter den Tisch fällt, bleibt faktisch unsichtbar, auch wenn es im Internet oft nur ein, zwei Klicks entfernt zu finden wäre, zum Beispiel bei verlässlichen und günstigen Online-Versandhäusern wie yesasia.com (ja, mit englischen Untertiteln und allem, was dazu gehört).

Ausreichend untertitelte Entdeckungsreisen

Und es geht dabei nicht nur um obskure Ausgrabungen, sondern auch um potentielle Schlüsselwerke der Filmgeschichte, um ganze OEuvres, die völlig aus dem Blick zu geraten drohen.

Zwei Beispiele aus vielen: Mrinal Sen galt bis in die 80er Jahre als einer der drei großen indischen Autorenfilmer neben Satyajit Ray und Ritwik Ghatak. Doch während Ray gut editierten Klassikerstatus genießt und der ewige Underdog Ghatak immerhin über einige bfi-Veröffentlichungen sichtbar bleibt, wird Sen, der mindestens politisch, vielleicht auch ästhetisch radikalste der drei, bislang ausschließlich in Indien verlegt und dementsprechend ignoriert. Seine Kalkutta-Trilogie (1970-1973) alleine ist bereits ein Schlüsselwerk des Third Cinema und hätte das Potenzial, einiges durcheinander zu bringen, was man über das indische Kino zu wissen glaubt.

Oder Chatrichalerm Yukol, der wichtigste thailändische Filmemacher der 70er, 80er und 90er Jahre; Yukol, ein peripheres Mitglied der nationalen Königsfamilie (Nummer 19 der Thronfolge) erneuerte mit seinen wilden, sozialkritischen, grenz-avantgardistischen Melodramen wie Dr. Kam (1973) und Hotel Angel (1974) das thailändische Kino fast im Alleingang und differenzierte seine Ästhetik in späteren Werken auf interessante Weise aus. Ein großer Teil der Filmografie Yukols ist englisch untertitelt auf DVD erschienen – aber nur in Thailand. Und nur wenige Scheiben haben die Landesgrenzen hinter sich gelassen.

Man trifft, das muss erwähnt werden, bei diesen und anderen Entdeckungsreisen nicht selten auf unvollständige Untertitelung, auf schlechte Transfers, falsche aspect ratios, entfärbte oder anderweitig ramponierte Kopien. Aber wenn es einem ernst ist mit dem Gerede vom «world cinema», dann muss man da eben manchmal durch.

Vier Großmeister

Auch ganze Kinoländer kann ein ähnliches Schicksal treffen – und zwar selbst solche, deren aktuelle Produktion auf den größten Filmfestivals gefeiert wird. Nationalkinematografien sind für den cinephilen Mainstream nur ab dem Zeitpunkt ihrer «offiziellen» Entdeckung durch eben diese Festivals interessant – fast, als würde der westliche Kinodiskurs seine Objekte nicht nur adeln, sondern überhaupt erst hervorbringen. Es hat zum Beispiel einige Jahrzehnte gedauert, bis sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass das japanische Kino nicht erst seit Rashômon den einen oder anderen vorsichtigen Blick wert ist. Und es wird vermutlich noch einige Jahrzehnte dauern, bis man sich auf die Erkenntnis einlässt, dass das südkoreanische Kino der 60er Jahre mindestens so faszinierend und vielfältig war wie das des letzten Jahrzehnts.

Dabei gibt es eigentlich keinen Grund, so lange zu warten. Das Korean Film Archive bemüht sich seit einigen Jahren in vorbildlicher Manier um die Aufarbeitung des nationalen Filmerbes. Die DVD-Veröffentlichungen des Archivs können zwar oftmals nicht über den wenig erfreulichen Zustand der Filmkopien hinwegtäuschen, aber die Ausstattung ist fast auf Criterion-Niveau: jede Menge Interviews, Dokumentationen und Audiokommentare – oft unter Beteiligung zeitgenössischer Filmemacher – begleiten die Werke und erschließen ein reichhaltiges Kapitel der Filmgeschichte.

Wie ein Großteil der weltweiten Filmgeschichte, bleibt auch hier vieles Fragment. Nur gut vierzig Prozent der Produktion vor Einführung einer Archivpflicht 1993 sind in verschiedenen koreanischen Archiven erhalten. Vor allem vor 1960 ist die Lage wenig erfreulich, die koreanische Stummfilmgeschichte gilt derzeit noch als komplett verschollen. Dennoch existieren in den Archiven über 2 000 alte Filme. Selbstverständlich erlauben die vielleicht drei Dutzend Veröffentlichungen, die das Korean Film Archive und einige kleinere Label in den letzten Jahren herausgebracht haben, nicht mehr als einen kleinen, vorsichtigen Einblick in diesen audiovisuellen Schatz. Und selbstverständlich kann es auch hier nicht um eine umfassende Darstellung des klassischen südkoreanischen Kinos gehen. Sondern nur um isolierte Hinweise auf einzelne Perlen, deren Auswahl gezwungenermaßen willkürlich bleiben muss. Unter den Tisch fallen dabei so wichtige Veröffentlichungen wie die vier Box-Sets mit Filmen aus der japanischen Besatzerzeit («Past Unearthed»), sowie drei großartige DVD-Editionen von Filmen Han Hyeong-mos, des wichtigsten koreanischen Regisseurs der 50er Jahre.

Es gehört zu den Absonderlichkeiten der koreanischen Filmgeschichte, dass ihr erstes goldenes Zeitalter mit der Machtergreifung des Diktators Park Chung-hee zu Beginn der 60er Jahre einsetzt. Drei der vier kanonisierten Großmeister dieser Phase hat das Archiv großzügig ausgestattete Box-Sets gewidmet: Shin Sang-ok, dem Klassizisten; Yoo Hyun-Mok, dem Modernisten; und Kim Ki-young, dem Weirdo. Der vierte Großmeister, der Genrefilmer Lee Man-hee, ist noch unterrepräsentiert im DVD-Katalog.

Der Klassizist: Shin Sang-ok

Eine der schillerndsten und umstrittensten Figuren des koreanischen Kinos ist Shin Sang-ok. Sehr pragmatisch beschrieb er einst das Verhältnis von Film und Politik: «Ich war immer der Meinung, dass Regisseure aus Entwicklungsländern die Pflicht haben, dreißig Prozent ihrer Filme der Realität zu widmen.» Eine derart formelhafte Quotenregelung hätte den Protagonisten des historischen Third Cinema einiges an Kopfzerbrechen erspart.

Shins Biografie ist aufs engste verwoben mit der Geschichte der beiden Koreas. Er stammt aus dem Norden des Landes, zog aber nach der Teilung 1948 als «displaced person» in den Süden. In den 50er Jahren arbeitet er sich innerhalb der langsam aufblühenden Filmindustrie nach oben und inszenierte bald erste eigene Filme. Nach dem Militärputsch 1961 gründete er Shin Films, die dominante Produktionsfirma des goldenen Zeitalters des koreanischen Kinos in den frühen 60er Jahren. Auch wenn Shin nur wenige offen propagandistische Filme produzierte, ist sein freundschaftliches Verhältnis zu Diktator Park Chung-hee gut dokumentiert. In den 70er Jahren allerdings scheint er den guten Draht zu den Machthabern verloren zu haben. Nach Auseinandersetzungen mit der Zensurbehörde wird seine Firma aufgelöst.

1978 ist Shin Sang-ok dann plötzlich in Nordkorea. Immer noch ist nicht abschließend geklärt, wie es dazu kommen konnte, obwohl sehr viel dafür spricht, dass Shin tatsächlich, wie er hinterher stets berichtet hat, gemeinsam mit seiner damaligen Frau von Agenten Kim Jong-ils während eines Hongkong-Aufenthalts entführt wurde. Noch heute allerdings wird dieser Erzählung nicht nur von nordkoreanischer Seite widersprochen, auch einige südkoreanische Kritiker Shins halten es für möglich, dass der stets opportunistische Regisseur, (der sich anderen Gerüchten zufolge zeitweise auch als Zuhälter betätigte, um seine Filme finanzieren zu können), sich freiwillig in den Norden aufmachte, als es für ihn im Süden finsterer aussah.

Wie auch immer: Shin dreht einige Filme für Kim Jong-il (darunter den interessanten Monsterstreifen Pulgasari), entkommt 1986 in Wien seinen Bewachern und erhält Asyl in den USA. Dort verlängert sich seine Filmografie um die wahrscheinlich zurecht vergessene Regiearbeit Three Ninjas Knuckle Up und einige ähnlich gelagerte Projekte als Produzent. Auch nach seiner Rückkehr in die südkoreanische Heimat konnte er nicht mehr an alte Erfolge anschließen.

Eigentlich zeigt schon alleine eine solche Lebensgeschichte, was der Filmgeschichtsschreibung entgeht, wenn sie sich auf ausgetretene Pfade beschränkt. Die Shin Sang-ok-Box des Korean Film Archives zeigt außerdem, dass der Mann zumindest in seinen frühen Werkphasen nicht nur ein Produkt seiner Zeit, sondern gleichzeitig ein äußerst interessanter Regisseur war.

Flower in Hell (1958), Mother and a Guest (1961) und Deaf Sam-ryong (1963) sind ökonomisch erzählte und sorgfältig produzierte Melodramen, die bei aller Tränenseligkeit frei bleiben von jeder Hysterie. Besonders beeindruckend ist der letztgenannte Film. Der Titelheld ist ein taubstummer Diener auf einem Bauernhof. Als sein psychotischer Herr heiratet und die Braut von der ersten Minute an aufs brutalste tyrannisiert, nimmt Sam-ryong die junge Frau unter seinen Schutz. Dass das nicht gutgehen kann, weiß er selbst am besten.

Die ersten Bilder des Films zeigen die Hände Sam-ryongs in Großaufnahme, wie sie einzelne Zeichen der Gebärdensprache formen. Bewegung als Expressivität strukturiert den gesamten Film. Immer wieder rauscht Sam-ryong ungestüm durch die sorgfältig geframeten, meist statischen Tableaus, die seinen Bewegungsdrang rahmen, nicht verdoppeln. Eine jeder Narration vorgängige Vehemenz körperlicher Aktion im Raum treibt das Melodram an und seinem folgerichtigen Ende entgegen.

Oft rennt Sam-ryong in die Tiefe des (Bild-)Raums, entschwindet nicht ganz in Richtung des perspektivischen Fluchtpunkts, sondern schräg nach hinten aus dem Bild. Seinen Bewegungen eignet eine anarchische Freiheit, die von den Frauen des Dorfes sympathisierend verlacht, von den Männern misstrauisch beäugt wird. Gleich mehrere Szenen des Films zeigen genau das: Die Reaktionen der Dorfgemeinschaft auf die unkontrollierte Bewegung in ihrer Mitte, eine Bewegung, die das hierarchisch organisierte Gemeinschaftliche zu dezentrieren droht.

Der Modernist: Yoo Hyun-mok

Yoo Hyun-moks Karriere verlief ungefähr parallel zu der Shins: erste Gehversuche in den 50ern, große Erfolge in den 60ern, danach Schwierigkeiten verschiedener Art. Sein bekanntester Film Obaltan, ein düsteres, atmosphärisch dichtes, zur Abstraktion tendierendes Drama über Veteranen des Koreakriegs, war einst sogar auf einigen europäischen und amerikanischen Festivals zu sehen. Filme wie Obaltan oder auch das expressionistisch ausgeleuchtete Melodram The Daughters of Kim’s Pharamacy gelten als Vorläufer einer koreanischen Filmmoderne und sind deutlich vom japanischen und europäischen Autorenkino beeinflusst.

Mein Lieblingsfilm aus Yoos bislang erschlossenem OEuvre ist allerdings der um einiges generischer anmutende School Excursion von 1969, ein kleiner Film, der bei dem Label Bitwin erschienen ist. Die simple Geschichte beginnt auf einer winzigen, von der Außenwelt fast völlig isolierten Insel, die vom langsamen Wirtschaftsaufschwung der 60er Jahre wenig mitbekommen hat. Der einzige Außenseiter in einer in technologischer wie in ideologischer Hinsicht vormodernen Gemeinschaft ist der vom Bildungsministerium entsandte, ehrgeizige Dorflehrer; ein junger Mann, der das nation building als seine persönliche Berufung angenommen hat. Er organisiert, gegen einigen Widerstand, für seine Schüler eine Reise aufs Festland, in die Großstadt.

Es gibt zwar auch eine bittersüße Nebenhandlung um die junge Frau des Lehrers, die am Idealismus ihres Mannes zu zerbrechen droht, aber im Zentrum des Films steht der fast dokumentarisch anmutende Reisebericht. Yoo filmt die Reise der Schüler vorwiegend in Totalen. Dutzende Kinder strömen durch die Straßen Seouls, verirren sich, bestaunen den Autoverkehr, erkunden eine ihnen fremde Lebenswelt. School Excursion ist ein phasenweise herzzerreißender Film, der sich den gesellschaftlichen Widersprüchen eines aufstrebenden Entwicklungslands zwar nicht in kritischer, aber doch in überraschend ehrlicher Manier nähert.

Der Weirdo: Kim Ki-young

Und dann gibt es noch Kim Ki-young, den Mann, der zur Vorbereitung auf ein Filmprojekt schon mal zwanzig Ratten züchtete und der jahrelang auf einem schiefen Bett geschlafen haben soll, weil er sich weigerte, die Bettpfosten begradigen zu lassen. In Frankreich, wo natürlich sowieso alles besser ist, wurde dem Sonderling und den hoch-artifiziellen Absonderlichkeiten in seiner Filmografie 2006 eine umfangreiche Retrospektive gewidmet. Und Kims bekanntester Film The Housemaid, der dank Martin Scorseses World Cinema Foundation seit einigen Jahren auf Festivals hin- und hergereicht wird, hat sich tatsächlich einen gewissen Ruf in der cinephilen Community erarbeitet.

Dass es auch eine sehr schöne DVD-Edition des Films gibt (inklusive Audiokommentar von Bong Joon-ho), hat sich dagegen noch nicht allzu weit herumgesprochen. Und erst recht nicht, dass das Korean Film Archive neben The Housemaid noch fünf weitere Werke des Exzentrikers Kim im Programm hat.

Kim Ki-young ist ein Autorenfilmer im starken Sinn, ein Regisseur, der zwar zeitlebens innerhalb eines kommerziellen Genresystems arbeitete, der sich aber, anders als Shin oder Yoo, jeden einzelnen seiner Filme vollständig zu eigen gemacht hat. Besonders verwundert, dass Kim einige seiner radikalsten Filme ausgerechnet in den 70er Jahren drehte, als die politischen Repressionsmaßnahmen und die Zensur ihre extremste Phase erreichten. So ist es kein kleines Wunder, dass er den völlig durchgeknallten Io Island 1977, ein Jahr vor der Ermordung Park Chung-hees, an der Zensur vorbei in die südkoreanischen Kinos schmuggeln konnte. Und gleichzeitig zeigt ein solches Wunder auch, dass das südkoreanische nie auch nur annähernd ein so totalitäres Kino war wie das des Nordens.

Io Island variiert typische Themen des Regisseurs in typisch obsessiver Manier: aggressive weibliche Sexualität, maskuline Hilflosigkeit, sexualisierte Machtspiele. Anders als in The Housemaidund anderen frühen Filmen bleibt der resultierende «analytic, ironic excess» (Chris Berry) nicht auf einer individualistischen Ebene, sondern fügt sich zu einem absurden Gesellschaftsbild.

Auf der Insel, die dem Film den Namen gibt, haben Perlentaucherinnen ein Matriarchat etabliert, das mit einem sonderbaren, vom Film nicht allzu genau ausformulierten sexualmystischen Ökosystem interagiert. Der Film beschäftigt sich mit den Versuchen einiger zwielichtiger Männer, sich das libidinöse Potenzial der Insel für die eigenen Zwecke anzueignen. Wenn sie die Insel betreten, sind sie noch ganz klassisch Herren der Lage und Bewegungszentren des Films. Aber nicht für lange. Männern müssen sich auf Io Island früher oder später in die ihnen zugedachten Rollen fügen. Perlentaucherinnen verführen nicht, sie nehmen sich, was sie brauchen. Auch das kann man im Katalog des Korean Film Archive finden: jede Menge Frauenhände, die gierig nach Männerkörpern greifen.

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