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Kostet nur die Farbe Ein Gespräch über den pandemischen Stand der Dinge mit Sabine Herpich & Barbara Suhren, Kollektivistinnen der fsk Kino & peripher Filmverleih GmbH

© fsk

 

In Berlin sind die Kinos seit dem 14. März geschlossen. Wie ist es dem fsk seitdem ergangen?

Barbara Suhren: Es war sehr ruhig (lacht), was ich zunächst auch genossen habe. Dann waren wir schnell mit den ganzen Antragssachen beschäftigt, bis hin zum Kurzarbeitergeld. Man muss schauen, wie man über die Runden kommt. Im Hintergrund sehen Sie wahrscheinlich noch Leute am Arbeiten. Da werden die Wände frisch gestrichen. Schön war aber, dass uns unheimlich viele Leute geschrieben haben und Zehnerkarten und Geschenkgutscheine kauften. Das Feedback war und ist sehr schön.

Sabine Herpich: Die Leute schrieben, dass sie uns vermissen und hoffen, dass wir durchhalten. Im normalen Betrieb fällt einem dieser Zuspruch gar nicht so auf. Da ist alles selbstverständlich und man bekommt selten Feedback. Es war eine gute Erfahrung zu sehen, wie viele Leute es gibt, die unsere Arbeit sehr schätzen. Das geht sonst eher unter.

Was genau waren das für Antragssachen? Welche Formen der finanziellen Unterstützung konnte das fsk beantragen?

BS: Zu Beginn war die ganze Lage ziemlich unübersichtlich. Es gibt verschiedene Töpfe, vom Land Berlin, vom Wirtschaftsministerium. Da dahinter zu steigen war anfangs nicht einfach. Man telefoniert viel, mit den Verbänden, mit der IHK. Das Geld kam dann aber recht schnell.

Und das, was kam, war dann auch in der Höhe angemessen?

BS: Das, was als Erstes kam, die Wirtschaftsförderung für drei Monate, das war ok.

SH: Wobei man sagen muss, dass von diesem Geld ein großer Teil für die Miete draufgeht. Für Arbeitskraft darf es beispielsweise nicht verwendet werden.

BS: Wir verhandeln gerade auch mit unserem Vermieter. Mal schauen, was dabei rumkommt, für den Rest der Zeit.

Und alles andere an Kosten muss dann wie überbrückt werden?

BS: Das Medienboard hat dann auch noch 10 000 Euro springen lassen, recht unbürokratisch. Die Sache mit dem Kurzarbeitergeld wiederum ist ein ziemlich undurchsichtiges Prozedere. Wir haben das Geld vom Arbeitsamt immer noch nicht bekommen.

SH: Wir Kollektivisten haben uns auf Kurzarbeit runtergeschraubt und bekommen jetzt zusammen mit dem beantragten Geld vom Arbeitsamt etwas über 80% von unserem normalen, geringen Lohn. Unsere Minijobber bekommen momentan leider gar kein Geld.

Und trotz dieser Lage nimmt das fsk es auf sich, in die Renovierung zu investieren?

SH: Das machen wir alles selber. Kostet nur die Farbe.

Das klingt nach einer gemischten Zwischenbilanz der unterstützenden Maßnahmen.

BS: Die drei Monate, bis Mitte Juni, kommen wir schon über die Runden. Mit Einbußen natürlich. 

Die Betreiberin des Wolf-Kinos Verena Stackelberg hat in einem Diskussionsbeitrag zur aktuellen Lage angemerkt, dass die pandemiebedingte Schließung der Kinos strukturelle Probleme verschärft und sichtbar macht, die schon länger vorhanden sind: undurchsichtige Förderinstrumente, prekäre Arbeitsbedingungen, die ungeklärte Frage, in welchem Verhältnis Programmkinos aus Sicht der öffentlichen Hand als Kultureinrichtungen bzw. als Wirtschaftsunternehmen gelten sollen.

BS: Klar, die prekäre Arbeit haben wir hier auch, wenngleich das Wolf-Kino soweit ich weiß viel mehr Minijobber beschäftigt.

SH: Bei uns ist der Vorteil, dass wir als Kollektiv schon fünf Leute sind, die hinter der Kasse arbeiten können. Für wenig Geld natürlich. Aber wir sind auch auf Förderung angewiesen, klar. Ohne die Kinoprogrammpreise von BKM und Medienboard, für die man sich jährlich mit einem Antrag bewerben muss, ginge es nicht.

Welche Rolle spielt EU-Förderung?

BS: Das ist nochmal was anderes. Da muss man vielen Zuschauern viele europäische Filme zeigen, damit sich das lohnt. Man bekommt dann maximal einen Euro pro Zuschauer eines europäischen, also nichtdeutschen Films. Verena hat aber Recht, dass das Kino nicht als Kulturort angesehen wird. Das merkte man auch in den vergangenen Wochen, wenn immer von Theater, Oper, Konzerten die Rede war und das Kino nicht vorkam. Das ist die Krux des Programmkinos. Für 95% der Bevölkerung geht es beim Kino in erster Linie um Unterhaltung und Ablenkung, nicht um Kunst.

SH: Der Berliner Senat hat ja bei den Verordnungen verschiedene Kategorien verwendet, da gehört Kino in eine Kategorie mit Bars und dem Prostitutionsgewerbe. Das war schon interessant, zu sehen, wo man da einsortiert wird.

Bei den Crowd-Funding-Aktionen wie «Fortsetzung: folgt» auf Startnext, wo bis Mitte Mai immerhin rund 135 000 Euro zusammengekommen sind, hatte man den Eindruck, dass die Programmkinos untereinander ganz gut vernetzt sind. Stimmt das und gilt das auch für den Normalbetrieb?

BS: Naja, wir tauschen uns schon aus und arbeiten mit einigen auch gerne zusammen, aber tatsächlich ist es ein großes Konkurrenzgeschäft.

SH: Gerade auch mit Blick auf die Förderinstrumente. Wir sind zum Beispiel beim letzten Kinoprogrammpreis in eine schlechtere Kategorie runtergestuft worden. Das bedeutet 10 000 Euro weniger. Und wir verstehen eigentlich überhaupt nicht, warum.

Wie wurde das begründet?

BS: Das wird nicht begründet. Wir können es nur erahnen. Es scheint so zu sein, dass die diesjährige Jury die Maßstäbe anders gesetzt hat.

Wie schätzen Sie denn die Aussichten für die nächsten Monate ein? Stand jetzt, Mitte Mai, gibt es noch für kein Bundesland ein verbindliches Datum für die Wiedereröffnung der Kinos. Es tauchen aber zunehmend Planspiele auf, zuletzt ein Eckpunktepapier mit Eröffnungsstrategien für Theater, Opernhäuser und Konzertsäle der Kultusminister. Mit ziemlich detaillierten Vorschriften, zum Kartenerwerb, zur Zuschauerführung im Haus, zu Mindestabständen.

BS: Wir wissen nicht, wie es weitergeht. Es gibt zwar Vorschläge der AG Kino, aber nichts Genaues. Klar ist, wenn wir wieder aufmachen dürfen – der 2. Juli ist als Datum im Gespräch –, können wir nur einen Bruchteil der Sitze verkaufen. Das wird zum Überleben auf keinen Fall reichen. Zum Termin: Sabine möchte ja gerne wieder arbeiten, aber ich stelle mir das ziemlich furchtbar vor. Im Juli, wenn es draußen heiß ist, wieder aufzumachen und dann zwei Plätze zu verkaufen, wäre traurig.

Es ist ja auch noch offen, wie das Publikum reagiert, ob die prinzipiell am Kino Interessierten sofort wieder kommen oder doch Reserven haben, was den Aufenthalt in geschlossenen Innenräumen betrifft.

SH: Damit rechnen wir auch, dass es erstmal einen ziemlich großen Rückgang an Zuschauerzahlen geben wird. Viele werden sich erstmal nicht mit fremden Leuten in einen dunklen Saal setzen wollen.

BS: Wir hoffen natürlich, dass den Leuten nach dem ganzen Filmeschauen auf dem Computer noch bewusster ist, was sie am Kino haben.

Ein Nebenaspekt der aktuell zirkulierenden Vorschläge zu «Eröffnungsstrategien» ist ja auch, dass es fürs Erste nicht mehr ohne weiteres möglich sein wird, spontan und anonym ins Kino zu gehen. Alles muss nachverfolgbar sein, jeder Besuch, jede Besucherin eine Adresse haben. Das ist dem Kino als öffentlicher Raum eigentlich sehr fremd, diese Form der Datier- und Adressierbarkeit – sieht man davon ab, dass das Kino immer schon eine «Adresse für ein Ausgehbedürfnis» war, wie es Thomas Elsaesser formuliert hat. Vorausgesetzt, es gibt keine zweite Welle und der entsprechend modifizierte neue Normalbetrieb kann beispielsweise im Spätsommer bundesweit wieder aufgenommen werden – droht dann aufgrund der aufgestauten Titel ein Filmstartchaos? Ich frage auch, weil zum fsk seit 1997 der Filmverleih peripher gehört und im September Sabine Herpichs Kunst kommt aus dem Schnabel wie er gewachsen ist, der im Forum der diesjährigen Berlinale seine Premiere gefeiert hat, starten sollte.

SH: Der geplante Start meines Films ist erstmal verschoben. Da werden so viele Film starten, da hätte er überhaupt keine Chance.

BS: Wir sind schon am Sondieren, wie es im Herbst aussehen könnte, aber noch haben ja nicht alle Verleihe ihre Starttermine neu festgelegt. Ist ja auch schwierig, falls die Bundesländer die Wiedereröffnung der Kinos zu unterschiedlichen Zeitpunkten genehmigen sollten. Richtig planen kann im Moment niemand. Klar ist, wenn es losgeht, wird sich einiges stauen. Die großen Kinos werden sich auf Christopher Nolans Tenet stürzen und die Arthousekinos, so am 2. Juli aufgemacht werden kann, auf Christian Petzolds Undine. Der könnte auch in den Freiluftkinos laufen.

SH: Es wird sicher noch schwerer für kleinere Filme.

BS: Was vorher auch schon der Fall war, die Konzentration auf einige wenige Filme, wird sich nochmal verschärfen.

Weil ja weiterhin sehr unklar ist, ob und unter welchen Bedingungen die Kinos wieder öffnen dürfen und wieviele Zuschauer sich dann ansprechen lassen: Wie lange kann das fsk die derzeitige Situation überleben?

BS: Wir planen im Moment immer nur für die nächsten drei Monate. Von der BKM ist nochmal eine Förderung gekommen, wir sprechen mit unserem Vermieter. Natürlich hoffen wir darauf, dass die Infektionszahlen weiter runtergehen und keine zweite Welle kommt.

SH: Gleichzeitig schauen wir auch, wo wir noch weiter sparen können. Man muss versuchen, soviel wie möglich selber zu machen, ohne Aushilfen.

Konnte das Kollektiv die Säle des fsk während der Schließung wenigstens als Privatkino nutzen?

SH: Ja! (lacht). Wir haben einen kleinen Plan gemacht, wer wann kommen darf. Da konnte man einiges nachholen, ich habe zum Beispiel Harun Farockis Sauerbruch Hutton Architekten geschaut und Isadoras Kinder von Damien Manivel.

BS: Da hatten wir das DCP schon, den mussten wir nicht im Internet schauen, der lag auf dem Server unseres Kinos.

 

Das Gespräch führte Simon Rothöhler am 20. Mai 2020