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[we don’t play requests]

Von Peter Praschl

Diese seltsame, ein wenig bestürzende Beobachtung, wie sehr Youtube es geschafft hat, dass ‹Film› für mich nur noch etwas ist wie der Beifang in dem Schleppnetz, das ich auswerfe, indem ich eine Suchanfrage in den Suchschlitz tippe, & dann schaue ich mich fest an allem Möglichem und nichts Bestimmtem, ohne Sinn, Zweck und Verstand, ohne das Bedürfnis nach irgendeinem Zusammenhang nicht einmal mit meinem eigenen Leben.

Heute abend zum Beispiel war es zuerst Rolf Dieter Brinkmann, & gleich habe ich ihn nicht mehr leiden mögen, nach 30 Jahren, in denen ich ihn für jemanden gehalten hatte, der sehen hören riechen konnte, aber das lag daran, dass ich ihn immer nur gelesen, nie zuvor gehört hatte (mein Fehler), & nun diese unangenehme Hetzerstimme, danach Sophie Calle, wie sie sich in einen Sarg legte, nachgesehen, ob es etwas mit Helmut Salzinger auf Youtube gibt (nein), bei Thomas Brasch gelandet, wie er sich bei der Entgegennahme des Bayerischen Filmpreises bei der Filmhochschule der DDR bedankt und dafür ausgebuht wird, & schließlich Annie Ernaux, wie sie für eine belgische Fernsehsendung auf dem Rücksitz eines Taxis sitzt und dem Interviewer-Taxifahrer über ihr Schreiben Auskunft gibt, so seltsam, dass es solche Formate gibt, als ob man Menschen nicht mehr zuhören wollte, wenn sie beim Sprechen nur sprächen statt dabei noch etwas anderes zu tun.

So ging das dahin, bis irgendwann wieder der Videoverdruss einsetzte, am Herumzappeln, Einsammeln, Wegschauen und der Betäubung, muss endlich aufhören damit, dachte ich, etwas anderes tun, doch was genau, wusste ich auch nicht,

& landete dann doch bei den paar Sachen, die ich auch nach Jahren nicht fassen kann, weil sie so schön sind, dass sie mich sofort alles vergessen lassen, selbst die Videos, die einem im Netz jetzt ständig vor die Augen geschmissen werden, die Reden von Kubicki und Özdemir gegen die AfD und die Rede der österreichischen Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein, der gegen ein Rauchverbot in der Gastronomie einfällt, dass man Gastwirten nicht die Gastfreundschaft verbieten dürfe, diese Videos, die einem nur beweisen sollen, wie sehr man auf der guten Seite steht und wie sehr die anderen auf der bösen, als ob es nicht ein Zeichen für eine Niederlage wäre, dass solche Videos & Reden überhaupt existieren,

die paar Dinge also, die immer funktionieren, der Wire-Auftritt im Rockpalast 1979 («we don’t play requests», genau so wünsche ich mir nach dem nächsten Faschismus Reeducation), & Soultrain (genau so stelle ich mir das bessere Leben vor), & Military of the Heart (genau so möchte ich sein, ein ausgeleierter Typ in einem unpassenden gelben Pullover, der das Nötige singt, «this is the story of our romance || these are the words to comprehend || there is no end there’s no beginning || we’re right here in the middle || in the middle of this heat»), & dann doch wieder die Rolling Stones, wie sie sich 1969 im Muscle Shoals Studio ihre Aufnahme von Wild Horses anhören, Keith Richards, der den Text mitflüstert und Schlangenlederboots trägt, Charlie Watts, der irgendwann die Kamera nicht mehr aushält und seinen Blick senkt, Mick Jagger, der noch Mick Jagger ist, let’s do some living after we die,

so ungefähr ist jetzt der Stand, das Niveau, auf dem ich mir Filme ansehe, Fundstücke und Drogen, wer weiß schon, ob das gut ist oder schlecht, ich jedenfalls weiß es nicht.