spielfilm

Prospects: Nora von Waldstätten

Von Simon Rothöhler

Carlos (2010)

© Film En Stock | Egoli Tossell Film

 

«Ich habe den Eindruck, dass die jungen deutschen Schauspieler so viel spannender sind als junge Schauspieler im Moment in Frankreich», sagt Olivier Assayas im cargo-Interview zu den Casting-Entscheidungen für sein ambitioniertes Carlos-Projekt. Neben Alexander Scheer darf sich insbesondere Nora von Waldstätten angesprochen fühlen. Sie spielt die langjährige Lebensgefährtin des «Schakals» Magdalena Kopp, und somit die weibliche Hauptrolle der Terror-Trilogie. Baronesse Nora Marie Theres Beatrice Elisabeth von Waldstätten heißt sie mit vollem Namen, aufgewachsen in Baden bei Wien, Jahrgang 1981. Eine noch junge, aber bereits erstaunlich vielseitige Karriere zwischen Film und Theater: In Christoph Hochhäuslers Falscher Bekenner (2005) war sie unter anderem zu sehen und in Nicolas Stemanns Jelinek-Inszenierung Über Tiere am Deutschen Theater Berlin. Seit kürzerem probt auch der Boulevard die Eingemeindung: «Wer ist die schöne Mörderin mit den kalten Augen?» fragte sich die Bild-Zeitung nach der Ausstrahlung des letzten Bodensee-Tatorts Herz aus Eis, und wenn man den Namen der Schauspielerin googelt, erfährt man auch, dass die Zeitschrift Bunte einen «New Faces Award» vergibt.

Im Gespräch wird deutlich, dass Nora von Waldstätten ihre unterschiedlichen Arbeitsfelder ohne große Brüche miteinander verbunden sieht. Berührungsängste zum Mainstream kennt sie nicht, trotz einer eher mit Hochkultur gesättigten Jugend, die in den standesgemäßen Wunsch mündet, eine Ballerina zu werden. Mit Anfang zwanzig zieht sie nach Berlin, absolviert ein Schauspielstudium an der Universität der Künste und schreibt die dort für das Diplom erforderliche «Abschlussarbeit mit Fußnoten», wie sie sich erinnert, über das Verhältnis von Schauspiel in Film und Theater. Überhaupt macht Nora von Waldstätten einen ziemlich sachlichen Eindruck. Über nichts und niemanden möchte sie etwas Nachteiliges sagen. Selbst die deutschen Steuerzahler werden für ihre Bereitschaft, eine verzweigte Theaterlandschaft zu subventionieren, ausdrücklich von ihr gelobt. Man merkt, dass nicht der Eindruck entstehen soll, der für Nachwuchsdarsteller übliche Kreislauf aus Hofer Filmtage, TV-Prime Time und Bühnenengagement sei nach einer Zusammenarbeit mit einem Global Player wie Assayas automatisch zugunsten einer nicht-öffentlich-rechtlichen, also ­glamouröseren Zukunft außer Kraft gesetzt.

Als fordernd, präzise und aufmerksam beschreibt sie den französischen Regisseur, in dessen Filmografie Star-Schauspielerinnen ausgesprochen präsent sind (in alphabetischer Reihenfolge liest sich das so: Asia A­rgento, Jeanne Balibar, Emmanuelle Béart, Juliette Binoche, Maggie Cheung, Isabelle Huppert, Virginie Ledoyen, Connie Nielsen und Chloë Sevigny). Der Weg in ­diese Liste führt Nora von Waldstätten als nächstes nach ­Budapest und Beirut. Reisen mit der Carlos-Gruppe bedeutet: eine internationale Bühne betreten.