crush

Crush Gael Garcia Bernal

Von Stephan Herczeg

The Science of Sleep (2006)

© France 3 Cinéma | Canal+

 

Wenn Schauspieler-Eltern in der mexikanischen Provinzmetropole Guadalajara ihrem 1978 geborenen Kind schon den bretonischen Vornamen Gael geben, darf man sich über den weiteren Telenovela-Verlauf seiner Biografie nicht wundern. Bereits als Zehnjähriger ist Gael García Bernal an der Seite von Salma Hayek in der Telenovela Teresa zu sehen, drei Jahre später wird er mit El abuelo y yo zum mexikanischen Kinderstar. Einen Straßenjungen spielt er darin, Vollwaise und vom reichen, hartherzigen Großvater verstoßen. Und es ist anzunehmen, dass er bereits in dieser Rolle das spielen durfte, was er bis heute besonders gut kann: von einer Sekunde auf die nächste aus den höchsten Höhen lebensbejubelnder Latino-Euphorie in die unendlichen Tiefen der traurigsten Depression herabzustürzen und dabei im Sturzflug alle Zuschauer mitzureißen.

Eine gewisse Grundtraurigkeit, das Wissen um das Nichtschöne am Leben, muss García Bernal wohl schon immer in sich tragen, und er nutzt diese kaum an Schauspielschulen erlernbare innere Melancholiehölle in vielen seiner Rollen als ständig schwelenden Gegenpart für konträr angesiedelte Emotionsexzesse, die das ganze Spektrum zwischen herzzerreißender Jungs­humorigkeit und paranoidem Komplettausrasten ab­decken. Egal, ob García Bernal in der Rolle des Octavio in González Iñárritus Amores Perros einen unglücklich in die Frau seines Bruders verliebten Abhänger spielt, der dann plötzlich entdeckt, dass sich sein gemütliches Haustier bestens zum Kampfhund eignet, oder ob er in Michel Gondrys The Science of Sleep als in Paris gestrandeter, realitätsferner Illustrator ­Stéphane durch animierte Pappkulissen fliegt, in all seinen Filmen, als Transvestit Zahara in Almodóvars La Mala Educación oder als junger Che Guevara in Schnabels The Motorcycle Diaries, steht García Bernal dann irgendwann wie ein zu Tode erschrockenes Kind da, mit diesen braunen, tieftraurig-glasigen Augen, die kurz zuvor noch so hell und zuversichtlich leuchteten, als ob er es einfach nicht fassen kann, wie diese Lebensschwere so plötzlich über ihn hereinbrechen konnte.

Seine Karriere treibt García Bernal zielsicher und bis jetzt ganz ohne Hollywood-Ambitionen voran. Seit Ende Mai ist er als mexikanischer Gangster in Jim Jarmuschs Film The Limits of Control zu sehen, im Sommer beginnen die Dreharbeiten für die neue Scorsese-Produktion Silence, ein Remake des gleichnamigen Films von Masahiro Shinoda aus dem Jahr 1971. Zusammen mit Daniel Day-Lewis und Benicio Del Toro wird García Bernal darin als portugiesischer Jesuitenpriester die japanische Landbevölkerung des 17. Jahrhunderts missionieren. Das hat, wie man weiß, nicht so gut geklappt, aber wer könnte dazu schon trauriger und entsetzter dreinblicken als García ­Bernal?