ausstellung

Chaos de Lux Über die Pariser Videokunst-Ausstellung Dans la nuit, des images

Von Ekkehard Knörer

© cargo

 

Von den Rändern, an denen sie oft ihren Ort hat, rückt die Ausstellung «Dans la nuit, des images» die Videokunst ins Zentrum. Mitten in Paris, im prächtigen Grand Palais direkt an den Champs-­Elysées herrscht für zwei Wochen der Ausnahmezustand des großen Geflimmers. Nicht am Tage, sondern bei Nacht. Ganz Paris ist das Black ohne Box, denn das Dach des Grand ­Palais ist aus Glas und der schwarze Himmel hängt voller Spiegelreflexe. Überall sieht man in Paris die Plakate: In der Nacht, Bilder. Vierzehn Tage dauert das ganze, dann ist es, Schlag Neujahr, wie nicht gewesen, ein Event, der Anlass, gesucht eher als gefunden: das Ende der französischen Ratspräsidentschaft. Auch der Eiffelturm, etwas weiter südwestlich, ist illuminiert, blau mit gelben Sternen, Europa. In der Nacht, Spektakel.

Mit großen Beamern ist der Grand Palais von außen beleuchtet, befallen von heller Schrift, dem Virus der Sprache als Bild. Dann taucht man ein, freier Eintritt, die Tasche wird kontrolliert, Leinwände, Bildschirme mitten im Raum und an Ecken und Enden, der Lärm ist groß. Ein Trainingscamp oder Krieg. Die Bilder und Töne fechten was aus, fallen dich an. Du aber gehst nicht hinein, sondern hinauf. Mitten drin, im riesigen Raum, der Kathedrale der Industriekultur, die jetzt die exception culturelle der Bilderindustrie zur Aufführung bringt, steht als Feldherrenhügel ein Metallgerüst. Das erklimmst du und nimmst die Dispositive des Spektakels in Augenschein. Da drüben wird ordentlich gekämpft, eins gegen eins, David gegen Goliath, Zentrum gegen Peripherie. Hier dagegen ist Videokunst quadratisch gruppiert, Rosemarie Trockel Rücken an Rücken mit einem Kurzfilm von ­Manoel de Oliveira. Dies ist Weerasethakul und jenes kennst du nicht. Gleich links vorne darf nicht fehlen Der Lauf der Dinge von ­Fischli / Weiss riesengroß.

Du bist längst runtergeklettert vom Feld­­herrenhügelgerüst, hinein ins Getüm­mel. Es ist Nacht, es ist kalt, es flackert und dröhnt, bei Bill ­Viola wird jemand pitschnass, superzeitlupenhaft. Du gehst hierhin und dahin, nur auf der Toilette ist Ruh. Was das alles sein soll, ist schnell klar: eine Leistungsschau. Neben den Bildern, die man kennt, den Klassikern und Berühmtheiten (William Klein, Chris Marker, Michael Snow etc. etc.) die junge Garde von der Videokunstschule Fresnoy. Zeigt her eure Bilder, spuckt große Töne. Weniges davon überzeugt im großen Durcheinander, aber es hat auch kaum eine Chance. Lieber hält man sich an das, was man kennt. Da drüben auf Riesenleinwand ein Personal-Schleudertrauma im Büro, Naufrage, gut, das macht was her. Was genau jedoch, weiß man nicht.

Die Ausstellung rechnet damit, dass der Besucher seine kulturkritischen Reflexe vergisst und dass er diese Pizza, auf der weiß Gott alles drauf ist, mit Augen und Ohren verschlingt. Sie rechnet mit der Gier nach den Bildern, sie versteht sich als repräsentativ und ist es im schlechtesten aller Sinne. Sie rechnet damit, dass die große Bühne, die die Videokunst hier erhält, das Denken zum Stillstand bringt. So verheizt sie die neuen und alten Bilder, jagt sie aufeinander, aber es ist kalt in Paris und du frierst recht bald in der Kathedrale der Nacht. Die Nähe wie die Distanz − zwischen Getümmel und Hügel − bleiben virtuell, gerade weil sie so handgreiflich tun. In Wahrheit soll die Betrachterin sich nicht ins Verhältnis setzen zu dem, was sie sieht, die Illusion eines Überblicks ist genug. Was war noch einmal Videokunst? Sie baden gerade Augen und Ohren darin.