spielfilm

26. Dezember 2008

Trouble Everyday Unser Filmtip zum Jahresende: Lät de rätte komma in – ein Vampirfilm aus Schweden

Von Bert Rebhandl

© EFTI

 

Die Kritik von Michael Althen in der FAZ und sein cargo-Rating für den Film Lät den rätte komma in von Thomas Alfredson haben mich bewogen, die Weihnachtsruhe durch einen Spaziergang ins Berliner Traditionshaus Moviemento zu unterbrechen und mir So finster die Nacht, der leider nur in dieser deutschen Synchronfassung verfügbar ist, anzusehen. Den Schnee, den ich in Berlin vermisse, habe ich dort zur Genüge gesehen. Vor allem aber einen völlig überraschenden, originären Film, der es schafft, sozialen Wohnbau in Schweden zum Schauplatz einer Geschichte zu machen, die das europäische Kino mit der amerikanischen B-Tradition wieder in Kontakt bringt. Jacques Tourneur muss hier als der heimliche Pate erscheinen. Lät den rätte komma in war ursprünglich ein Buch von John Ajvide Lindquvist, was nicht verwundert, denn eine solche Geschichte denkt man sich wahrscheinlich nicht sofort in Bildern aus; diese müssen vielmehr zuerst einmal literarische Freiheit genießen und stellen dann für den Film, zu dem Lindquvist selbst das Drehbuch geschrieben hat, eine Herausforderung dar. Sie wird mit schöner Radikalität angenommen und bewältigt.

«Schrei wie ein Schwein!» Schon dieser erste Satz, der lange rätselhaft bleibt, gibt den Ton vor. Fenster an Fenster leben in einem Stockholmer Vorort im Jahr 1982 zwei Zwölfjährige. Oskar und Eli. Oskar ist blond und hat helle Haut, Eli ist ein dunkler Typ mit langen, schwarzen Haaren. Oskar ist ein Junge, aber Eli ist kein Mädchen. Der Film nimmt der Sexualität gegenüber genau jene Position ein, die es dem Jungen erlaubt, diese Aussage einfach hinzunehmen. Denn Eli ist auch kein Junge. Sie ist ein Vampir. Sie lebt von Blut und unterliegt allen Gesetzen der einschlägigen Mythologie: sie muss das Licht meiden, sie ist ansteckend. Kaum einmal aber wurde im Kino das Raubtierhafte so ernst genommen, die unbedingte bestialische Gewalt, die auch in diesem kindlichen Wesen steckt und das große Geheimnis des Films bildet. Lät de rätte komma in verzweigt sich in beide Richtungen, in das Teenagerdrama von Oskar und in die Welt des Unheimlichen, aus der Eli kommt. Die schockierenden Momente sind gut dosiert, dabei aber so wild, dass sich jeder Rückzug in pädagogische Betulichkeit (die wilde Phantasie eines Halbwüchsigen!) verbietet. Das Vampirische ist hier keine Sache der Psychologie, sondern der eigentliche Test auf das Leben. Ob es sich lohnt, mit dem Erwachsenwerden weiterzumachen, oder für alle Zeiten zwölf zu bleiben. Das Paar, das aus dieser Überlegung entsteht, könnte irgendwann eine Familie sein, wie in Kathryn Bigelows Near Dark. Ein unheilige Familie mit Zugängen zu einer Hölle, die selbst das Slasher-Kino geflissentlich ignoriert, und zu einem Himmel, dessen Prinzip nicht die Ewigkeit ist, sondern der (sublimierte) Exzess.