spielfilm

10. März 2010

«Bumsti!» Ist Christoph Waltz tatsächlich bester Nebendarsteller?

Von Bert Rebhandl

Inglorious Basterds

© Universal Pictures

 

Als Christoph Waltz vor einem Monat in der Late Show von David Letterman zu Gast war, gab es einen bezeichnenden Dialog. Der Talk Host eröffnete mit einem Kompliment: «One of the best things, well, maybe the best thing about watching Inglorious Basterds was your performance. What an evil, creepy … It was so good.»  Waltz, in der ihm eigenen gelassenen Skepsis: «Thank you, I would disagree with the evil.» Darauf Letterman, kurz aus dem Konzept: «Well, that would be hard to substantiate.» Waltz: «Not at all, it would just take a while.» Ein großartiger Fernsehmoment, denn natürlich war dafür keine Zeit, und Letterman machte mit der konventionellen Frage nach der Herkunft des Schauspielers Christoph Waltz weiter, der aus einer Wiener Theaterfamilie stammt. Gegen Ende des Gesprächs kam Waltz doch noch auf die Sache zurück, und brachte seine Rolle auf einen interessanten Punkt: «I completely disregarded the Nazi.» Hans Landa ist für ihn ein Uniformträger, dem die Funktion, die er in einem System bekleidet, völlig äußerlich bleibt, und den er gewissermaßen davon unabhängig mit den Idiosynkrasien ausstatten kann, die das Publikum allem Anschein nach so genießt. Für David Letterman war das schon ein wenig zu hoch: «I’m not certain I understand your point correctly.»

Es lohnt sich aber, der Sache noch ein wenig nachzugehen, denn es betrifft auch die Frage, was eigentlich gutes Schauspiel ist, nicht zuletzt angesichts der Tatsache, dass Waltz in diesem Jahr alle Chancen hat, einen Oscar für die beste Nebenrolle zu gewinnen. Hans Landa wird in Inglorious Basterds mit einer langen Szene eingeführt, in der er – als der «Judenjäger», als der er berüchtigt ist – einen französischen Bauern aufsucht, der in seinem Haus eine jüdische Familie versteckt hält. Es entspinnt sich ein langes Dialogduell, in dem Landa in zweifacher Hinsicht die Oberhand behält: er hat die größere und groteskere Pfeife, und er bestimmt, welche Sprache gesprochen wird (er wechselt ins Englische, was ich zuerst für eine schöne, ironische Konzession an das Koproduktionskino der siebziger Jahre hielt, auf das Tarantino sich bezieht, was sich aber bald als fiese Taktik erweist, mit der Landa die unter dem Küchenboden kauernden Juden adressiert, die dem Dialog nun nämlich nicht mehr folgen können). Die lange Szene endet damit, dass Landa der davonlaufenden Jüden Shoshanna hinterherblickt, er könnte noch schießen, aber er unterlässt es, mit einem schönen österreichischen Ausdruck: «Bumsti».

Von diesem Moment an ist Landa der Herr der Fiktion in Inglorious Basterds, er spart Shoshanna später noch einmal auf, damit der Plot nicht vor dem großen Finale abbricht, und es ist dieser Aspekt an der Rolle, den Christoph Waltz mit seiner Deadpan-Virtuosität besonders genießbar macht: dass da einer auf der falschen Seite und zugleich über den Dingen stehen kann. Das geht nun aber eben nur dadurch, dass die Figur des Hans Landa tatsächlich vor laufender Kamera ständig entnazifiziert wird: vom Klischee des kultivierten Mörders, eine Figur, die vor allem Heinrich Himmler sehr angelegen war, bleibt bei Landa nur der kultivierte Snob, der sich mit den lächerlichen Spitzennazis von Inglorious Basterds niemals gemein machen würde. Nebenbei ist Landa auch das: ein Subalterner, der seine Funktion des «kleinen Rädchens» durch Stil kompensiert.

Der Film verliert so allerdings gerade durch die Frivolität von Landa den allein nennenswerten Konflikt: Die Jüdin Shoshanna, die einzige Figur, die nicht bloß im Spaßuniversum von Tarantino existiert, sondern die für meine Begriffe der Anker ist, den Inglorious Basterds in der faktischen Geschichte hat, diese Shoshanna erachtet Hans Landa für sich als nicht satisfaktionsfähig – in der vielgepriesenen Mehlspeisenszene, die Waltz auch brillant spielt, die aber nur dazu dient, seine Überlegenheit über den Plot ein zweites Mal zu demonstrieren.

Natürlich dient all dies insgesamt nur dazu, dass am Ende Tarantino seine Überlegenheit über den Plot zurückfordern kann, indem er Landas «welthistorisches» Manöver ins Leere laufen lässt, und ihm durch Brad Pitt ein Nazi-Stigma beibringen lässt, über dessen Referenz sich der Film davor die ganze Zeit lustig gemacht hat: tatsächliche Naziverbrechen. Christoph Waltz spielt die Rolle des Hans Landa so, dass wir einen erleichternden Unterschied genießen können: Das mit den Nazis war einmal, von jetzt an denken wir bei Judenaushebungen an Knallchargen. Das ist eine dubiose Leistung, die mit der dubiosen Trophäe namens Oscar eigentlich ganz gut honoriert würde.