editorial

Die Kehrseite der Bilder

Liebe Leserin, lieber Leser,


An einer schönen Stelle seines zweiten Kinobuchs zitiert Gilles Deleuze Federico Fellini: «Wenn das Geld ausgegangen ist, dann ist der Film zu Ende». Der französische Philosoph schließt daraus: «Das Geld ist die Kehrseite all der Bilder, deren Vorderseite das Kino zeigt und sichtbar in Szene setzt (…).» Dass das Kino als kapitalintensives Medium eine «innerlich gewordene» Beziehung zum Geld unterhält, hat Paul Schrader, mit dem wir für diese Ausgabe ein Gespräch über eine Karriere im Zeichen globaler Finanzströme geführt haben, am Leib seiner eigenen Filmografie mehr als ein Mal erfahren müssen. Einige Freunde von ihm seien von Bernie Madoff «ausgelöscht» worden, lautet eine Nebenbemerkung Schraders zu den Folgen der Krise 2008ff in seinem persönlichen Umfeld. Wie diese sich in einem weiteren filmischen Rahmen «prozessieren» lässt, zeigen zwei jüngere amerikanische Dokumentarfilme (Inside Job, Client 9), zu denen Sie eine Besprechung im DVD-Teil dieses Heftes finden, der darüber hinaus Texte zu drei schön weit auseinanderliegenden Werkzusammenhängen enthält: Klaus Wildenhahn trifft auf Michel Soutter trifft auf James L. Brooks.

Während sich das Gespräch mit Schrader um die historische Entwicklung einer Produktionsmittelwelt namens «Hollywood» dreht, verhandelt unser zweiter Schwerpunkt eine andere Parallelwelt: das Festivalnetzwerk. Als Umschlagplatz für alles, was dann «Weltkino» heißt, ist es längst ebenfalls globalisiert und produziert seinen eigenen Begriff von «Mainstream». Als (anspruchsvolles) Modell und Vorreiter fungiert hier schon seit einiger Zeit das Internationale Filmfestival von Rotterdam: Talentsichter, Produktionshelfer, Trendscout, Ausgräber von Trouvaillen in einem. Lukas Foerster hat sich für uns durch den aktuellen Festivaljahrgang gearbeitet und ist mit minoritärem und Genrekino zurückgekommen. Vom Unterwegssein im (filmischen) Weltstrom handeln auch die Berichte von Jia Zhangke und Matthias Dell, die sehr anschaulich belegen, dass die persönliche Biografie und die geografische Herkunft als nicht verlässlich vertäubare cargo-Ladung unvermeidlich an Bord sind, wo immer es das Subjekt hinverschlägt.