crush

Crush Jane Lynch

Von Manfred Hermes

Glee

© 20th Century Fox

 

Im Hollywood der 30er Jahre hätte man Jane Lynch als barsche Haushaltshilfe oder bittere spinster, bis in die 80er vielleicht als Oberschwester oder FBI/CIA-Agentin besetzt. Für andere Rollen wäre sie zu hünenhaft, zu herb und burschikos gewesen. Es gab zwar Rosalind Russell oder Katharine Hepburn, die Nischen jenseits konventioneller weiblicher Rollenbilder auch in Hauptrollen definieren konnten. Heute ist allerdings weitaus mehr drin. Die Blüte der neueren amerikanischen TV-Serie beruht ja nicht zuletzt auf der Bereitschaft, physiognomische, soziale und habituelle Extreme anzuerkennen.

Davon hat schließlich auch Lynch profitiert. Bis 2009 bestand ihre Karriere aus tausenden, oft nur sekundenlangen Auftritten in TV-Nebenrollen. Im selbstgefälligen The L Word spielte sie eine Anwältin, in The West Wing eine Korrespondentin. Im Kino war sie in den Medien-Parodien von Christopher Guest, in The 40 year old virgin oder, schon eindrucksvoller, in Julie und Julia als Meryl Streeps lebhafte, tapsige Schwester zu sehen. Doch erst durch Glee wurden diese früheren Auftritte nachträglich mit etwas wie Sinn versehen. Zum ersten Mal lässt sie das Geheimnis ihres Schauspielstils erkennen. Es beruht auf einem im Grunde beschränkten und fast roboterhaft formalisierten Repertoire: sie verschiebt gewisse Elemente «weiblicher Anmut» ins, je nachdem, Unruhige, Unbeholfene oder bedrohlich Eisige. Aus der Figur Sue Sylvester wurde so das witzigste Antidot der in dieser Serie sonst vorherrschenden Zuckrigkeit. Für liberales pussy footing ist diese Frau jedenfalls nicht zu haben. Diese Dezisionistin der Mittelschule teilt die Menschen in Gewinner, Verlierer und Feinde auf. Daraus leitet sie das Recht ab, die Schüler verbal zu schikanieren, aus dem Weg zu treten und Treppen herunterzustoßen. Je größer die Erniedrigung, je erfolgreicher eine Erpressung, umso gelungener war ihr Tag.

Inzwischen ist Lynch zu dem geworden, was man eine Ikone nennt. Das ist ein spät errungener Triumph. Man sagt, es würden für ältere Schauspielerinnen heute keine interessanten Rollen geschrieben. Dabei waren die Zeiten selten besser.