praschl

James und Coco

Von Peter Praschl

 

… ein Riese soll kommen …

Josef Hader, Im Keller

Bei 3:30, wenn man es so lange ausgehalten hat, sagt Coco, dass sie lange nur Freunde gewesen seien, und James sagt, er hätte ja keine Ahnung gehabt, dass sie ihn mag, bei 4:42 bespricht die MC mit den beiden die Feinheiten der Zeremonie, dann dunkelt die Nacht herab über dem Chateau de Challain, und man hofft zu diesem Zeitpunkt, dass ein Sturm über das Land fegt & ein Erdbeben die Erde zerreißt & die Flut steigt, irgendeine Flut zur Abwechslung einmal hier statt in New Orleans Pakistan Polen, aber eine, die nur Coco und James unters Wasser zieht, aber eine, die die Fische blind macht, während Coco und James an ihnen vorbeisinken, das kann man den Fischen nicht wünschen, dass sie Coco und James sehen müssen, das kann man niemandem wünschen, dass er Coco und James sehen muss, aber Coco und James wollen, dass man sie sieht in ihrer abgrundlosen abgrundtiefen Schäbigkeit, die sie keine Angst empfinden lässt vor dem Teufel, der sie holen müsste, wenn es einen Teufel gäbe, aber es gibt ja nur einen Gott, der auch Coco und James liebt, und so geht auch diese Nacht vorbei, ohne dass ihnen mehr widerführe als am nächsten Tag heiraten zu müssen, zwei abscheuliche Menschen, die ihre Eheversprechen in diese Kamera hineinsprechen, ich werde lachen, wenn du lachst, und wenn du schläfst, werde ich über dich wachen, sagt James und die Kamera hält drauf, so wie überall jetzt die Kameras drauf halten, auf jede Band auf jeder Bühne, auf jedes Essen, auf jedes Tanzen, auf jedes Rumrennen, auf alles und auf mich, falls ich mich nicht schnell genug ducke, dieses Schwenkfutter, das jeder jetzt sein muss für irgendwelche YouTubeVimeoFacebookVideos, mit jedem Vergnügen, das die Menschen je erfunden haben, tanz mal mit Coco, hat irgendwer dem Mädchen gesagt, das mit Coco tanzen muss, beide in Weiß und beide so schön, und du lässt dich jetzt filmen, wie du dir deine Haare föhnst, und du, wie du bei deinem Toast die Tränen kullern lässt und du, wie du die Harfe auf den Rasen rollst, Schwenkfutter, Schwenkfutter, Schwenkfutter, und dann sitzt Coco am Abend vor ihrem großen Tag noch am Fenster und schaut im Dämmerlicht zum Fenster hinaus, und James sagt, dass Coco so wahnsinnig warm und fürsorglich und ein Familienmensch ist, ganz anders, als man von ihr dächte, und die Second Unit hat die Nahaufnahme von den Ringen im Kasten und das schneiden wir rein und vielleicht sollten wir Jeff Buckley dazu laufen lassen, ah! wie traurig, dass er so früh gestorben ist, und jetzt wühlt sich die Kamera ein wenig durch die Abendgesellschaft, Kerzenlichtgesichter, Weichlicht, und das Kleid, und wie toll es ist, dass ihr alle gekommen seid, und wie toll, dass ich an diesem Abend dabei sein darf, und sowieso wie tolltolltoll, da werden wir noch ein Leben lang darüber reden, und James sieht aus, als würde er gleich eine Powerpointpräsi veranstalten, und kommt mal alle, gleich wird die Torte angeschnitten, und dann auch schon Feuerwerk, tolltolltoll, und danach noch eine halbe Minute Abspann, von wem das Kleid, von wem der Smoking und von wem Haare Make-up sind und wem der Film: Gilbert Le, Americana Cinema, undsoweiter, 18 Minuten, laden wir auf Vimeo hoch. Es ist das Video, von dem du dir wünschst, es nie gesehen zu haben. Aber wird gerade rumgemailt wie blöd. Die Zeiten werden härter.