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Blu-ray Lust und Qual

Von Michael Althen

Seit es Blu-ray gibt, könnte man mit Frieda Grafe sagen, dass Schärfe immer Super-, Sur-, Ultra-, Hyper- ist. Womit ja auch nur gesagt ist, dass es mit der Schärfe von Kinofilmen auf heimischen Gerätschaften immer so eine Sache ist. Schon im Kino steht vor dem scharfen Bild immer erstmal das Auge des Vorführers und die Bereitschaft zur Wartung der Apparaturen. Aber auch unter perfekten Vorführbedingungen hängt die Schärfe von Korn, Emulsion und Format ab. Super-8 ist Aquarell, 16 mm ist Gouache und 35 mm ist Öl. Und was wäre dann 70 mm? Und was wird aus alldem in der Zeilenschaltung des Fernsehers? Auf Flachbildschirmen? Monitoren? Wir gucken Bewegtbilder mittlerweile in allen erdenklichen Darreichungsformen und gehen über Fragen der Schärfe genauso hinweg wie Passagiere, die wehrlos die zerdehnten Bilder des Fernsehprogramms auf den Flughafenmonitoren hinnehmen. Ist halt so. Hauptsache, es bewegt sich was.

Natürlich hat das etwas Zwanghaftes, dauernd die Schärfe zu diskutieren, seit es Blu-ray gibt. Und man kann behaupten, dass Schärfe seit der Erfindung der hochauflösenden Medien zu einem Fetisch geworden ist, der ganz buchstäblich plötzlich den Fokus auf Dinge richtet, die vorher nie so wichtig waren. Im Klartext: Ich bin geradezu hysterisiert, was die Bilder angeht, so dass ich mitunter kaum noch auf den Film achte, weil ich die Kanten der Objekte und die Details im Hintergrund nach Unschärfen absuche, bei denen ich dann oft noch nicht einmal sagen könnte, ob sie im Original auch existieren. Und doch liebe ich Blu-ray, könnte mich tagelang durch Foren klicken auf der Suche nach Zweit- und Drittmeinungen. Fetisch bedeutet eben immer Lust und Qual zugleich, aber der lateinische Ursprung des Wortes bedeutet eben auch «unecht» oder «nachgemacht». Damit allerdings ist man beim Kino ja immer an der richtigen Adresse.

Wer glaubt, Schärfe sei nur eine Frage der Auflösung, der muss nur mal versuchen, am Computer einen Schnappschuss mit einem Bildbearbeitungsprogramm zu verbessern. Und je mehr man mit Kontrast, Helligkeit, Farbe und sonst was herumspielt, desto mehr verzettelt man sich in Eindrücken und Stimmungen. Beim Beamer hat das dazu geführt, dass ich irgendwann aufgegeben habe: Normal-Modus, Kontrast rauf, Helligkeit runter, Farbe verstärkt, das haut am besten hin. Und in dieser tollen neuen Welt sind es dann unter Umständen doch die Bilder von Filmen, die man vor Jahren im Fernsehen gesehen hat, die einem am schärfsten vor dem geistigen Auge stehen. Denn nichts löst so hoch auf wie die Erinnerung. Nicht einmal das Kino.