provinzkinos unserer jugendzeit

Provinzkino (Enkenbach-Alsenborn)

Von Monika Rinck

Namen, die ich lange vergessen hatte, tauchen zögernd wieder auf. Enkenbach-Alsenborn, wo war das überhaupt? Es war mit dem Auto erreichbar und man kam nach dem Film auch irgendwie wieder zurück. Wie hieß das Kino? Das muss ich googeln. Es hieß in der Tat «Provinzkino» und langsam kommt nicht alles, aber einiges, das diffuse Umfeld von Stunden, Stimmen, Fahrten und Gesichtern ins Gedächtnis zurück. Enkenbach-Alsenborn liegt im Landkreis Kaiserslautern, am Rand des Pfälzerwaldes. Es gibt das Kino übrigens heute noch, ist das nicht erstaunlich?

Von Wallhalben aus fuhren wir mit der Tochter der Apothekerin – sie hatte als einzige einen Führerschein – über enge, kurvige Straßen durch die dämmernde Landschaft und kamen auf dem Rückweg durch die tiefe Nacht zurück, mit flackerndem Kopf. Keine Angst, ich kenne die Strecke, sagte die Fahrerin, oder hätte das zumindest sagen können, ich erinnere mich nicht mehr genau. Zu den Blues Brothers kamen wir zu spät und mussten vor der ersten Reihe auf dem Boden sitzen, direkt vor den Boxen, und als die Polizisten ihre Waffen entsicherten, flog mir der Kopf weg.

Ich schaue mir im Netz Fotos des Foyers an, langsam kommt auch der kleine Schankraum zurück, in den ich der Tochter der Apothekerin folgte, als sie während der Vorführung von Blue Velvet den Kinosaal verließ. Die coole Freundin blieb sitzen. Ich erinnere mich sehr genau an den Konflikt. Weiche ich aus, will ich mich denn wirklich um die Freundin kümmern, oder ist dies nur ein Vorwand? Wird mir der Film zu viel? Gestehe ich mir ein, dass der Film mich überfordert, oder sollte ich nicht gerade deswegen bleiben? Doch ich setzte mich schließlich zu der Fahrerin ins Café, die sagte, ihr gehe es nicht gut aus ganz anderen Gründen, es liege gar nicht am Film, und ich bestellte ein Glas Campari, weil ich irgendwie annahm, das sei in einer solchen Situation das gebotene Getränk, und beantwortete alle zweifelnden Fragen der Tresenkraft: Ohne O-Saft? Ohne Eis? Ohne Soda? mit dreimal Ja. Wieder alles falsch gemacht.

Als ich alleine zurück ins Kino kam, tanzte eine Frau auf einem Autodach, korrekt? Oder war das der Moment, in dem ich das Kino verließ? Ich verstand überhaupt nichts mehr und habe den Film seither nicht einmal vom Anfang bis zum Ende gesehen. Er dauerte dann nicht mehr lange. Die Coolste von uns war blass, aber belebt, eine von zurückgehaltener Faszination durchwirkte Begeisterung – und ich beneidete sie. Die Tochter der Apothekerin sagte so etwas wie: Sie hält halt mehr aus als wir alle zusammen. Das weiß ich nicht mehr genau. Erst jetzt fällt mir ein, dass wir einmal auf diesen engen, gewundenen Landstraßen von Wallhalben nach Enkenbach- Alsenborn, wahrscheinlich auf der Landstraße 472, ins Schleudern geraten sind und von der Fahrbahn abkamen, aber zum Glück nichts weiter passiert ist. Die Filme, oder die Weise, in der ich an ihnen scheitern konnte – waren offenbar einprägsamer als der Unfall, dem wir glücklich entgangen sind (oder er wurde einfach noch besser verdrängt).