produktionskultur

Der Räuber

Von Benjamin Heisenberg

Der Räuber ist von der Geyrhalter Filmproduktion initiiert worden. Die Produktion hat die Option auf das Buch gekauft und mich dann 2006 gefragt, ob ich die Geschichte adaptieren und verfilmen möchte. Ich habe den Roman auf dem Flug zur Berlinale 2006 gelesen und war sofort sehr begeistert. Vieles an der Figur war für mich glasklar und sehr reizvoll. Außerdem hatte ich seit langer, langer Zeit ein Faible für Bankräubergeschichten. Der erste laienhafte Kurzfilm, den ich gedreht habe, handelt von einem Bankräuber, der dem «Räuber» aus unserem Film nicht unähnlich ist.

Also habe ich sehr bald zugesagt und dann dafür plädiert, das Drehbuch gemeinsam mit Martin Prinz zu schreiben. Grund für diesen Vorschlag war, dass ich mich für ihn als Autor interessierte und auch die Erfahrung machen wollte, wie es ist in der Konstellation Romanautor-Filmautor zu schreiben.

Ich wollte dennoch zu allererst aus der Handlung des Romans heraus ein Treatment schreiben, was dann gemeinsam in die erste Fassung übersetzt werden sollte. Da der Roman vor allem auf Zeitungsberichten über den realen Fall basierte gab es meinerseits eine Art dokumentarische Distanz zum echten Ablauf der Ereignisse, aber ein starkes Gefühl für die Person Rettenberger und ihre öffentliche Wahrnehmung. Martin hingegen hatte Kastenberger selbst noch als jungen Läufer auf Wettkämpfen erlebt und war daher näher mit der realen Figur vertraut. Wir haben uns in dieser Phase also erstmal jeder auf das konzentriert, was wir faszinierend an der Figur und ihrer Geschichte fanden und daraus die erste Drehbuchfassung erarbeitet.

Für die folgenden Fassungen haben wir dann weiter recherchiert und versucht die fiktiven Elemente unserer Geschichte mit den realen Abläufen abzugleichen, oder Inspiration für neue Ebenen der Geschichte aus den realen Schilderungen zu bekommen. Interessanterweise ist in dieser Recherche der echte Kastenberger in zwei Personen zerfallen. Einerseits die private, die oft positiv von Läuferkollegen und Familienmitgliedern beschrieben wurde. Auf der anderen Seite der pathologische Räuber und Mörder, wie ihn die von dem Fall noch lange traumatisierte Polizei schildert. Diese Schizophrenie ist in den späteren Fassungen und im Film deutlicher zu spüren als in den ersten Entwürfen und somit hat die Figur im Film jetzt viel mit dem echten Kastenberger gemein.

Die Figur ist in meinen Augen sehr konsistent und eigentlich nicht schwer zu fassen. Schon aus der wahren Geschichte und aus Martins Roman heraus waren starke Impulse und Grenzen für die Figurenzeichnung gegeben. Im Film ist es ein adrenalingetriebener, aus seiner innersten Natur heraus handelnder Mensch, der, dramatischerweise, die Konsequenzen seines Handelns und den vorgeschriebenen Weg darin immer wieder erkennt, ihn aber dennoch nicht zu ändern vermag.

Es hat mich fasziniert eine Figur zu erzählen, die nur sehr bedingt psychologisch funktioniert, sondern viel eher vegetativ oder wie ein Naturphänomen.

Die praktische Zusammenarbeit mit Martin war sehr spannend und schön und nur in der Hinsicht problematisch, als wir große Teile der Zeit örtlich getrennt waren und er in Wien arbeitete, während ich in Berlin schrieb. Das hat zu fast achtstündigen Telefonaten geführt und einem für beide enervierenden Email-Ping-Pong mit hervorgehobenen Änderungen im Text, die der Andere wieder änderte usw. Das Interessante an dieser Art des Schreibens war, dass wir die gegenseitigen Stile des Schreibens und Arbeitens so regelrecht zu spüren bekamen. Wir hatten so die Chance den literarischen Prozess des Anderen genau kennen zu lernen und zu verstehen. Das passiert einem Autor sonst selten und ist eine spannende und lehrreiche Erfahrung.