modernes ereignis

Batzen Bares

Der slowakische Journalist Jan Kuciak starb durch einen Schuss ins Herz. Seine Lebensgefährtin und Verlobte starb durch einen Schuss in den Kopf. Die beiden lebten in einer Kleinstadt östlich von Bratislava. Wenn es in Mitteleuropa irgendwo eine Mitte gibt, dann muss sie dort in der Nähe sein. Aber die Slowakei ist terra incognita, ein EU-Staat, über den man wenig hört. Bei der Nachricht von dem Mord an Jan Kuciak könnte man zuerst einmal daran denken, dass der Mord an der maltesischen Journalistin Caruana Galizia (sie starb im Oktober 2017 durch einen Sprengstoffanschlag) noch nicht aufgeklärt ist. In beiden Fällen waren die Opfer investigative Journalisten, die über Korruptionsfälle in ihren Ländern recherchierten. In beiden Fällen interessierte die EU sich offiziell für die Vorgänge, in beiden Fällen wird sie es bei offiziellen Beteuerungen belassen. In beiden Fällen wurden hohe Belohnungen ausgesetzt. Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico brachte die Belohnung sogar persönlich mit und legte sie in in bar auf den Tisch vor sich. Es war ihm wohl nicht bewusst, dass er damit ein enorm ambivalentes Bild produzieren würde. Ein hoher Politiker, der einfach einmal so eine Million aus der Tasche holt, in verpackten Scheinen, wird sicher dokumentieren können, von welchem Konto das Geld abgehoben und wo es regulär verbucht wird. Aber er verweist damit unabsichtlich auch auf das zentrale Problem: denn wenn es eine Grenze gibt, die derzeit die EU durchzieht, dann ist es nicht die zwischen den ‹aufgeklärten› nordwestlichen Staaten und den neoautokratischen weiter im Osten (zu denen die Slowakei so halb zu zählen wäre), sondern die Grenze, die die EU nicht ziehen möchte. Es ist die zwischem legalem und illegalem Geld, wobei die Vorgänge, zu denen Jan Kuciak Nachforschungen anstellte, auch darauf hindeuten, dass nicht nur Geld gewaschen wird, sondern auch EU-Gelder illegal abgezweigt wurden. Mit jedem Gebäude, das in Berlin (oder in der Toskana oder in Malaga oder auf Zypern) den Besitzer wechselt, ohne dass sich dieser näherhin ausweisen muss, mit jeder größeren, nicht nachvollziehbaren Bartransaktion schützen die europäischen Staaten ein System der finanziellen Anonymität in Entsprechung zu der Größe der bewegten Summen, das in Zeiten der längst transparenten Bürger (über Normalsterbliche weiß das Finanzamt alles) eigentlich obsolet sein müsste, das aber bisher nicht zuletzt von der deutschen Finanzpolitik konsequent verteidigt wurde. Die große Geste von Robert Fico ist somit vor allem eine der Arroganz. Er wirft den Fotojournalisten und der internationalen Öffentlichkeit einen Batzen Bares vor, weil er weiß, dass diese Million geradezu lächerlich ist im Vergleich zu den Unsummen, die unter den Augen aller Beteiligten in Europa verschoben werden – vorbei am Gemeinwohl und zu Gunsten einer Polarisierung, die erneut den Blick verschließt auf die eigentlichen Skandale.