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David Gordon Green

Von Bert Rebhandl und Simon Rothöhler

© Sony Pictures

 

«Ich möchte, dass ein Indie-Regisseur, der auf Dramen spezialisiert war, eine verrückte Komödie mit starkem Marihuana-Einfluss dreht.» Dieser Satz des einflussreichen Regisseurs und Produzenten Judd Apatow bedeutete eine Wende in der Karriere von David Gordon Green. Davor war er mit seinem Debüt George Washington, mit der wehmütigen Liebeskomödie All the Real Girls, mit dem mythischen Südstaatenthriller Undertow und mit Snow Angels, der Verfilmung eines Romans von Stewart O’Nan, vor allem als Spezialist für die Abgründigkeit des Lebens in Erscheinung getreten. Dann aber bekam er das Angebot, bei Pineapple Express die Regie zu machen, und die Stoner-Komödie mit Seth Rogen in der Hauptrolle erwies sich als enorm erfolgreich. Im Moment ist David Gordon Green, geboren 1975 in Little Rock, Arkansas, an einem Punkt, an dem er zwischen zahlreichen Projekten wählen kann – ein idealer Moment, um mit ihm darüber zu sprechen, wieviel man im amerikanischen Kino ausprobieren kann, wenn man im richtigen Moment am richtigen Ort ist, und wo man Gefahr läuft, sich in Beliebigkeit zu verlieren. Wir trafen David Gordon Green im Juni in Berlin, wo er anlässlich des Programms zur Feier von 40 Jahre Internationales Forum des jungen Films zu Gast war. In unter normalen Umständen selten möglicher Ausführlichkeit konnten wir mit ihm über alles sprechen, was sich aus seiner vielfältigen Karriere ergibt – über die Fernsehserie Eastbound & Down, über die Rolle von Judd Apatow im amerikanischen Kino, über Freunde wie Jody Hill oder Danny McBride, über das Bearbeiten von Büchern und die Bedeutung von anamorphotischer Optik, und über den Moment, als er mit elf Jahren nach einer Vorführung von Barton Fink zum Filmemacher wurde.

 

 

Herr Green, in Deutschland lief vor kurzem ein Film mit dem Titel Der Shopping-Center King. Im amerikanischen Original hieß er Observe and Report. Haben Sie den gesehen?

Sicher. Ich mag ihn sehr, und finde ihn großartig. Ich war oft am Set.

Wir fragen, weil Sie mit Jody Hill, dem Regisseur von Observe and Report, befreundet sind. Es war auffällig, wie wenig der Verleih in Deutschland mit dem Film anfangen konnte. Kein Wunder, dass er praktisch unbemerkt wieder aus den Kinos verschwand.

In den USA waren die Reaktionen ganz ähnlich. Der Verleih Warner sah nur den Star Seth Rogen und glaubte zu wissen, was da herauskommen würde – der Film erwies sich dann aber als eine aggressiv inszenierte, kühn gespielte, ziemlich gewalttätige Komödie. Bei Warner bekamen sie kalte Füße, weil sie nicht wussten, wie sie so etwas vermarkten sollten. Schließlich ist das offensichtlich nicht einfach der nächste durchgeknallte Film mit Seth Rogen. Man hätte die Leute darauf vorbereiten müssen, dass da etwas Unerwartetes auf sie zukommt. Jody Hill ist ein enger Freund von mir, wir kennen einander noch vom College, also seit fünfzehn Jahren. Wir haben Tür an Tür gewohnt im Studentenheim. Er nahm diesen Film trotz seines vorgeblich leichten Sujets äußerst ernst, das verraten schon seine Bezugspunkte: Taxi Driver war beispielsweise eine wichtige Inspiration. Seth Rogen verkörpert in der Rolle eines Shopping-Mall-Wächters die Psychose des amerikanischen Mannes. Das ist letztendlich wohl zu intellektuell für einen halbwegs konventionellen Studiofilm.

Gab es denn Versuche, die grimmige Perspektive abzumildern – das Ende ist ja jetzt doch ziemlich schonungslos?

Sie haben einiges versucht, eine distanzierende Voiceover zum Beispiel, und es gab auch noch schockierendere Elemente, die jetzt nicht mehr im Film sind. Aber im Grunde war da nichts zu machen, was den Film nicht endgültig ruiniert hätte. Für mich ist das so wie bei einem Film von Todd Solondz. Das ist auch ein Regisseur mit einem sehr kompromisslosen Witz, der Behinderungen oder genetische Defekte oder psychische Eigenheiten komisch aussehen lassen kann. Ich weiß noch genau, wie es war, als ich Welcome to the Dollhouse sah. «You better get ready, cos at three o’clock tonight I’m gonna rape you.» Ich war damals der einzige Besucher im Kino, der lachte, und als ich das Kino verließ, war ich einigermaßen durcheinander deswegen. Aber das ist eine Herausforderung. Ich bin stolz auf Jody, er hat es geschafft, sich mit seiner Individualität zu behaupten in einem Umfeld, in dem Mediokrität vorherrscht.

Inzwischen hat Jody Hill auch eine Fernsehserie begonnen, die wir sehr mögen: Eastbound & Down erzählt von einem abgehalfterten Baseballstar, gespielt von dem großartigen Danny McBride. Und Sie haben bei einigen Folgen Regie geführt.

Ja, da ist einiges passiert innerhalb kurzer Zeit. Jodys Karriere begann beim Sundance Festival. Sein erster Film The Foot Fist Way kostete 80 000 Dollar. Es geht um einen Taekwondolehrer mit Eheproblemen, die Hauptrolle spielte ebenfalls Danny McBride. The Foot Fist Way lief einmal in Sundance, und dann tat sich erst einmal nichts. Niemand kaufte den Film, niemand verlangte nach Jody. Aber dann hörte man, dass einige Stars ihn gesehen hatten. Will Ferrell sah ihn. Ben Stiller sah ihn. Jack Black sah ihn. Und dann sah ihn Judd Apatow. Und alle diese Leute mit großen Namen fragten sich: Wer ist dieser Typ? Wer ist Jody Hill? Will Ferrell und Adam McKay gründeten damals gerade eine Firma, die unter dem Dach von Paramount neue Dinge entwickeln sollte: Paramount Vantage. Sie meldeten sich dann eines Tages bei Jody und wollten hören, was er noch so im Sinn hatte. Und da präsentierten sie die Idee zu Eastbound & Down: Ein Baseballstar vermasselt seine Karriere in der Major League. Er kehrt zurück in seine Heimatstadt, mit einem grandios übersteigerten Ego. Dieser Mann, Kenny Powers, ist high von seinen eigenen Promi-Audiotapes, auf denen er diese typischen Autosuggestionsparolen eingespielt hat: Du bist der Größte. Will Ferrell sagte zu Jody: Wir lassen hier wirklich die Zügel los, ihr könnt verrücktes Zeug machen. Seid vulgär! Eastbound & Down hat in den USA jetzt kein großes Aufsehen erregt, ist aber unter Schauspielern sehr gut angekommen, und es gibt Leute, die auf Jody setzen und auch auf Danny McBride, der vor allem auch ein großer Autor ist.

Mit Danny McBride arbeiten Sie auch schon länger, oder?

Er hat eigentlich ursprünglich Regie studiert an unserer Schule in Winston-Salem, North Carolina. Bei All the Real Girls war es so, dass einer meiner Schauspieler eine Möglichkeit bekam, für Judd Apatow einen TV-Piloten zu spielen. Das war an einem Donnerstag, und am Montag darauf wollten wir eigentlich mit ihm drehen. Ich rief also Danny an, der in Los Angeles zu tun hatte, und bat ihn, ein Audition-Band zu schicken. «Ich brauche dich als Schauspieler.» Er war der einzige, der wissen konnte, welche Art von Komik mir vorschwebte. Sein Band war großartig, aber wir waren immer noch sehr nervös, weil er noch nie vor der Kamera gestanden hatte. Wir haben ihn also betrunken gemacht, dann aber schnell begriffen, dass es das gar nicht brauchte. Seither ist er Schauspieler und Autor. Er hat The Foot Fist Way mit Jody Hill geschrieben, ist maßgeblich in Eastbound & Down involviert, und wir hatten schon vor All the Real Girls gemeinsam geschrieben. Er hat auch an unserem nächsten Projekt Your Highness mitgearbeitet.

 

Eastbound & Down

© HBO

 

Über Your Highness sollten wir gleich noch sprechen. Bei einigen Folgen von Eastbound & Down haben Sie Regie geführt – wie anstrengend ist es, eine Serie zu drehen?

Ich sollte eigentlich nur eine Episode drehen, so war es vorgesehen, dann musste Jody aber wegen eines Vertrags mit Warner nach Los Angeles, und ich habe insgesamt drei Folgen gemacht. Ich bekam einige Grundlinien vorgegeben, es war insgesamt aber ein sehr kollektiver Prozess, wobei es wieder darauf hinauslief, dass das Team zu 80 Prozent aus Buddies von der Filmschule bestand. Wir lebten am Strand, und arbeiteten tagsüber. Besser geht es kaum.

Wir beobachten schon lange mit großem Interesse, wie sich das Komödienfeld in den USA entwickelt und immer weiter ausdifferenziert. Wie stellt sich das aus der Teilnehmer-Perspektive dar?

Es gibt ein paar Gruppen. Eine große Gruppe kam aus der Fernsehserie Freaks and Geeks: Judd Apatow. Seth Rogen. James Franco. Jason Segal. Greg Mottola war einer der Regisseure. Die Serie war gar kein großer Hit, aber es gab und gibt eine treue Fanbasis. Der wichtigste Moment für die neue amerikanische Komödie kam aber, als die Produzenten mitten während der Dreharbeiten zu Judd Apatows The 40 Year Old Virgin aufhören wollten – sie wollten die Sache still und heimlich beenden. Sie zogen den Stecker raus. Sie fanden es unheimlich, weird, und sicher nicht jugendfrei. Sie wollten einfach nicht mehr. Aber da waren sie bei Judd Apatow an den Falschen geraten. Er setzte alles daran, um den Film fertig zu machen. Er wusste, was er tat, und wenn sie nicht an ihn glaubten, dann wollte er sie vom Gegenteil überzeugen. Heute wissen wir, wie die Sache ausging. The 40 Year Old Virgin wurde ein enormer Hit. Auch hier geht es um die fundamentale Unsicherheit des amerikanischen Mannes, allerdings macht Judd eine zugängliche Komödie daraus, während Jody in Observe and Report schon ein paar Schritte weiter geht. Danach galt für Judd auf jeden Fall der Grundsatz: Don’t mess with me! Das ist unschätzbar: Jemand, der einen Konzern, eine ganze Industrie auf Distanz halten kann. Der einen eigenen Think Tank unterhält. Der Gesichter auf die Leinwand bringen kann, von denen das vor zehn Jahren undenkbar gewesen wäre …

Jason Segel in Forgetting Sarah Marshall

Genau. Und inzwischen versuchen natürlich eine ganze Menge Leute, nicht-jugendfreie Komödien zu machen.

Unerwartet war für uns allerdings, dass Sie im Umfeld von Judd Apatow auftauchten. Als Pineapple Express angekündigt wurde, kannten wir vier Filme von Ihnen, die doch durchweg recht ernsthaft waren: George Washington, All the Real Girls, Undertow und Snow Angels. Und dann plötzlich eine Stoner-Komödie mit Seth Rogen.

Ja, ich drehte gerade Snow Angels in Halifax, Nova Scotia. In diesem Film steckt eine Menge persönliches Zeug, und ich war am Ende ziemlich erschöpft. Ich war so nahe dran an dieser Geschichte, dass die Sache fast ein bisschen zu weit ging. In dieser Zeit kam mein Agent vorbei, wir tranken Kaffee, und er fragte mich: Was willst du als nächstes machen? Und ich sagte: Ich möchte mir noch ein paar Geheimnisse bewahren. Ich glaube, ich habe hier so viel von mir preisgegeben, dass ich besser etwas ganz Anderes machen sollte. Ich will nicht endgültig auf die schweren Dramen festgelegt werden. Inzwischen hatte Judd Apatow Danny McBride an den Set von Knocked Up eingeladen, und Danny zeigte ihm All the Real Girls, meinen zweiten Film, den wir gemeinsam in North Carolina gemacht hatten. Judd wollte mehr über mich erfahren, und Danny erzählte ihm, dass ich daran interessiert wäre, eine Komödie zu machen. Eine Woche später hatte ich das Drehbuch zu Pineapple Express in den Händen.

Wo Sie gerade von Ihrem Agenten sprechen: Wir schauen zur Zeit die HBO-Serie Entourage, und sind als Ari Gold-Fans natürlich sensibilisiert für die Rolle, die Agenten in Hollywood spielen. Wer vertritt Sie? Eine große Firma? Ein wichtiger Mensch in einer großen Firma?

Meine Agentur ist CCA. Also großes Kaliber. Mein Agent ist nicht der Chef, aber er ist ziemlich weit oben in der Hierarchie. Die Leute hören auf ihn und vertrauen seinen Instinkten. Ich bin zu ihm gegangen, weil ich ein unabhängiger Filmemacher war. Mein Gedankengang war ungefähr so: Vielleicht kann ich zumindest als Autor Geld verdienen. Die Bücher von anderen Leuten adaptieren. Drehbücher schreiben wie John Sayles und daneben persönliche Filme machen. Mein Agent begriff meinen Fall als Herausforderung und besorgte mir tatsächlich umgehend eine Menge Jobs. Manchmal saß ich nur zwei, drei Wochen an einem Drehbuch, und das war’s.

Wann war das?

Das war, nachdem Undertow herauskam und kein Geld einspielte. Also Ende 2004. Das war ein Wendepunkt, denn damals lebte ich in New Orleans, kam selten nach Los Angeles und kannte dort auch niemanden so recht. Mit dieser Entscheidung ergab sich eine kleine Wende in meinem professionellen Leben.

 

Pineapple Express (2008)

© Columbia Pictures / Sony Pictures

 

Zurück zu Pineapple Express. Sie bekamen also das Drehbuch, es gab ein kleines Budget, aber doch Studio-Bedingungen. Die Hauptrolle war mit Seth Rogen besetzt. Was war für Sie wichtig?

Wichtig war es, mein Team zusammenzuhalten. Es gibt rund 15, 20 Leute, die seit George Washington dabei sind und mit denen ich ins College gegangen bin. Das beginnt mit Tim Orr, der mein Kameramann ist und mit dem ich viele wichtige künstlerische Entscheidungen gemeinsam treffe. Ich rief sie alle zusammen und fragte sie: Geht das? Kriegen wir das hin? Wir sahen uns Robert Altmans The Long Goodbye an, als Beispiel für einen Genrefilm, dem ein persönlicher Stempel aufgedrückt worden war. Bei einem Film wie Pineapple Express rücken unweigerlich die Schauspieler in den Vordergrund, denn die Geschichte hat so viele Lücken, dass die character energy das wettmachen muss. Die Witze sind nicht so inszeniert, dass sie wie eine Belohnung über die Gesichter verteilt werden, sondern es gibt einfach durch die Bank weirdes, ungezügeltes Verhalten. Pineapple Express gab uns zudem die Gelegenheit, einmal eine Autoverfolgungsjagd zu inszenieren, allerdings mussten wir dabei sehr ökonomisch vorgehen.

Wie präsent war Judd Apatow als Produzent bei der Sache?

Entscheidend war, dass Judd mich völlig abgeschirmt hat. Darin liegt seine besondere Rolle. Ich bekam keine einzige script note, das sind Memos, in denen jemand eine Änderung am Drehbuch vorschlägt, und ich bekam keine einzige derartige Notiz in den Schneideraum. Judd sagte einfach: Ich möchte, dass ein Indie-Regisseur, der auf Dramen spezialisiert war, eine verrückte Komödie mit starkem Marihuana-Einfluss dreht. Und die Geldgeber sagten: OK. Ich war in meiner Hütte in Colorado, als sich die Sache entschied. Der Anruf dauerte fünf Minuten, und die Sache war klar. Wir hatten allerdings ein Komödienbudget für einen Actionfilm. Wir hatten Superbad-Geld, nicht Bad Boys-Geld. Das Studio wusste schon, dass es ein eigenes Genre pot movies gab, das Budget war auch so berechnet. Alles, was der Film darüber hinaus ist, stammt von uns. Deswegen waren wir auf viele Gefälligkeiten angewiesen. Für Seth und mich waren Filme aus den 80er Jahren die entscheidenden Bezugspunkte: Blues Brothers. Red Heat. Die Hard. Das ist einer der zehn größten Filme aller Zeiten. Wir haben uns die Musik von 48Hrs. angehört, und verwiesen Graeme Revell, der bei Pineapple Express den Soundtrack gemacht hat, auf die Synthesizer von damals. It’s just funny shit for an hour and a half.

Das Ausmaß des Box-Office-Erfolges muss alle überascht haben.

Der Film kam an einem Mittwoch heraus, und Dienstag Nacht davor gab es Mitternachts-Screenings quer über das Land. Diese Vorstellungen allein spielten mehr Geld ein als alle meine Filme davor insgesamt. Diese Statistik ist natürlich nicht das, woran ich mich messe. Aber vor Pineapple Express war ich doch eindeutig darauf eingestellt, dass ich eine unbeachtete Karriere haben würde. Ab und zu eine Einladung zu einem Filmfestival, damit war ich zufrieden. Plötzlich bekam ich Angebote für Projekte, die auf lächerliche Weise nicht meine Liga waren.

Wann kamen die ersten Anrufe damals nach den Mitternachts-Screenings? In Entourage gibt es eine Folge, in der alle auf die ersten Zahlen des fiktiven Blockbusters «Aquaman» von James Cameron warten – sie kommen dann irgendwann im Morgengrauen.

Ich war damals in New York und hatte das Telefon nicht an, aber das war schon wirklich verrückt, was da am nächsten Morgen los war. Für diese Leute ist das nun einmal wirklich wichtig. Und es ist wichtig, dass sie dich mögen, wenn du nicht ständig eigenes Geld in deine Filme stecken willst.

Gleichzeitig reizt ein Star wie Seth Rogen dabei immer wieder die Grenzen aus. Wir haben ihn während der Promotion für Pineapple Express einmal in der Late Night Show von Conan O’Brien gesehen, da blieb er so konsequent in der Figur eines hoffnungslosen Stoners, dass er fast die Show gesprengt hätte. Ist er tatsächlich so verrückt, oder ist das alles «spin»?

Seth ist ein sehr smarter Geschäftsmann. Alles, was er in der Öffentlichkeit macht, ist durchdacht und hat einen Sinn und Zweck. Manchmal will er nur Aufmerksamkeit schaffen. Er nützt seine Bekanntheit, um eine richtig gute Zeit zu haben. Observe and Report ist auf jeden Fall seine beste Darstellerleistung. Wenn niemand ihn kennen würde, hätte er wahrscheinlich eine Auszeichnung bekommen. Wir sind alle sehr neugierig, was aus The Green Hornet wird, dem Superheldenfilm von Michel Gondry, in dem Seth die Hauptrolle spielt.

Ihr eigener nächster Film scheint auch recht exzentrisch zu werden.

Ja, Your Highness ist sicher das verrückteste, was ich bisher probiert habe. Das ist eine riesige Produktion, da muss man jedes Detail erklären und ungeheuer diplomatisch sein. Mein Kameramann Tim Orr und ich legen zum Beispiel großen Wert auf anamorphotische Fotografie, die klassische Widescreen-Methode, das muss man dann erst einmal durchsetzen. Da braucht es viel Psychologie, und zwar auf Grundlage eines massiven Geschäfts. Your Highness reizt schon alles aus, was geht – im Grunde machen wir zwei Filme zum Preis von einem, und irgendwie muss das doch ein Film werden und als solcher vermarktbar sein.

Wir haben ein wenig Schwierigkeiten, uns die Sache vorzustellen? Ein Ritterfilm?

Kennen sie Cabin Boy von Chris Elliott? Das ist ein unglaublicher Film aus den frühen 90er Jahren, produziert von Tim Burton. Das wäre die Referenz aus dem Feld der absurden Komödien. Oder haben sie Krull gesehen, ein britischer Film aus den 80ern? Auch nicht. Okay. Das wäre die Referenz zum fantastischen Genre. Barry Lyndon? Dann kennen sie wenigstens meine historische Referenz.

Beim Mittelalter denken wir an Cable Guy, wo es eine Art «Ritteressen» gibt, ein seltsames Themen-Dinner mit Pferdeäpfeln, oder an die Komödie Role Models, wo Leute sich im Park mit Wams und Schwert gegenübertreten.

Das ist nicht ganz daneben, aber nein: Your Highness ist ein Film über das dunkle Zeitalter, ein Fantasyfilm ohne modernistische Brechung. Ein Historienfilm. Wir drehen in Schlössern in England und Irland, es ist auch kein Spoof, es ist ein mittelalterlicher Abenteuerfilm. Es wird krank. Wir haben Stop Motion und Puppen, und ein bisschen CGI. Es ist inspiriert von Sorcery-Filmen aus den 80er Jahren wie Hawk the Slayer, Dragonslayer, The Beastmaster, die wurden alle mit sehr kleinem Budget gemacht, und wir machen eine Studioversion mit großem Budget davon. Es ist nicht tongue in cheek, und auch keine Satire, aber es ist sehr lustig. Wenn wir an einen typischen Quest-Film denken, dann haben wir es hier mit einem Mann zu tun, der für einen Quest so gar nicht geeignet ist.

Unumgänglich ist dabei die Frage nach dem Haarschnitt von Danny McBride, der die Hauptrolle spielen wird.

Er trägt eine Art Haarhelm, denn seine Locken sind praktisch nicht zu bändigen, man kann sich also vorstellen, wie das aussehen muss. Nudity, sex and violence. Es ist eine massive Produktion, ich bin eigentlich ein wenig eingeschüchtert. Vor zehn Jahren haben wir uns in North Carolina bei George Washington den Arsch abgeschwitzt, und jetzt zwänge ich alle in Kettenhemden.

Stimmt es, dass Sie auch ein Remake von Dario Argentos Meisterwerk Suspiria machen werden?

Das soll ich nächstes Jahr in Berlin drehen. Ich will da noch nicht zu viel darüber sagen, aber ich habe im Februar in ganz Deutschland schon Locations gesichtet. Und über den Soundtrack habe ich mir auch schon Gedanken gemacht, ich möchte eine Art Opernversion des berühmten Scores von Goblin, von Mogwai bis John Adams.

Bei all diesen unterschiedlichen Projekten, laufen Sie da nicht Gefahr, irgendwann ohne künstlerische Identität zu enden?

Ja, da muss ich sicher aufpassen. Gestern hat mich jemand angerufen und mir ein Musical angeboten. Nach Your Highness werde ich wahrscheinlich dort sein, wo ich vor drei Jahren nach Snow Angels war – fällig für etwas Neues. Ich will auch nicht zum Spaßvogel werden.

 

All the Real Girls (2003)

© Sony Pictures Classics

 

Wir sind jetzt also an dem Punkt, an dem wir auf die erste Phase ihrer Karriere zurückschauen können, auf die vier Filme, mit denen Sie sich eigenständig positioniert haben: George Washington, All the Real Girls, Undertow und Snow Angels. Stimmt es, dass ursprünglich sogar All the Real Girls der erste Film sein sollte?

Ja, und zwar aus ganz klassischen autobiografischen Gründen. Im College hatten Paul Schneider und ich mehr oder weniger gleichzeitig eine Liebesenttäuschung. Wir haben das Schreiben als Waffe verwendet, als Therapie. Wir hingen zusammen ab, spielten Musik und überlegten, wie das ultimative «breakup movie» aussehen würde. Wir wollten das machen, solange die Wunden noch offen sind und nicht erst dann, wenn die Wunden schon nostalgisch verklärt sind. So haben wir angefangen zu schreiben, Wir wollten ein Bild jugendlicher Beziehungen zeichnen, denn das sieht man selten mit dieser gewissen Dosis Schmerz, die da einfach dazu gehört. Ich wollte aber sicher gehen, dass wir das auch konnten, und aus diesem Grund habe ich irgendwann gesagt: Ich glaube, das wird besser gehen als zweiter Film, nicht als Debüt. In George Washington, den ich schließlich noch davor drehte, gab es viele Möglichkeiten, sich zu behelfen. Das ist ein experimenteller Film. Wenn wir eine Rolle bei der Entwicklung verloren hätten, hätte es andere Möglichkeiten gegeben. Als wir George Washington fertig hatten, reichten wir das Drehbuch von All the Real Girls herum. Wer sollte die Hauptrolle spielen? Jake Gyllenhall tauchte damals in Filmen auf, das Studio hätte ihn gern in der Hauptrolle gesehen. Aber wir beharrten auf Paul Schneider, obwohl er selbst mir nichts verbauen wollte und jederzeit verzichtet hätte. Wir fanden eine tolle Produzentin, Jean Doumanian, wir kamen mit Sony Pictures Classics zusammen. Der Film war billig, sieht aber gut aus.

Die Landschaft ist ein ganz wesentliches Moment.

All the Real Girls wurde in Marshall, North Carolina gedreht, das ist ein toller Ort, mit dem mich emotional viel verbindet. Abgesehen von Pineapple Express haben die Orte für mich immer einen starken unmittelbaren Bezug, nur bei Pineapple ging es mehr um Freiheit als um Location. Meistens aber reagiere ich auf spezifische Atmosphäre, auf die Sümpfe in Undertow, auf die kollabierten Industrien in George Washington. Die Landschaft muss selber eine Figur sein, sie muss Charakter haben. Ich kannte diese Orte aus eigener Erfahrung, ich habe überall dort auch selbst gelebt. Es ist auch wichtig, dass Tim Orr, mein Kamermann, dort etwas sieht.

Es ist gar nicht leicht, einen Ort wie Marshall zu filmen, ohne ihn postindustriell zu verklären oder die Armut zu idyllisieren.

Wenn man Armut filmt, dann sollte man das mit Schönheit und Würde tun. Sie hat so viele Facetten, sie ist in der Regel vielfältiger als der Reichtum, und sie enthält immer Energie. Mein Auge wird sicher eher davon angezogen. Wenn du das mit genuinem Respekt filmst, dann wird es stimmen. Auch die Tageszeit ist wichtig. Ich glaube nicht, dass man eine Shopping Mall so filmen kann, dass sie zu einem einladenden Ort wird, umgekehrt kann es aber sein, dass eine Umgebung, die so flach und nichtssagend gefilmt wird, wie es in Being John Malkovich der Fall ist, dadurch wieder interessant wird. Tim Orr und ich mögen einfach warme Farben und natürliches Licht und plausible Lichtquellen. Ich mag es auch, mich mit ihm über Dinge wie Licht von vorne oder Licht von hinten zu streiten. Als ich kürzlich Judd Apatow am Set von Funny People besuchte, sah ich, dass Janusz Kaminski dort die Kamera macht. Judd probiert also auch gern mal etwas Neues aus. Oft sagen die Leute, dass eine Komödie nicht unbedingt gut aussehen muss. Das sehe ich anders. Deswegen ist mir die anamorphotische Fotografie zum Beispiel so wichtig.

In fast allen ihren Filmen gibt es diese atmenden Momente, Montagesequenzen, die aus Vignetten zusammengesetzt sind und ganz klassisch auf Kontemplation setzen.

Ja, ich liebe diese Pausen in der Geschichte. Ich habe sogar in Pineapple Express so eine kleine, pastorale Montage versteckt – während der Szene, als sie im Wald sind. Da wurde dann doch immer danach gefragt, wo denn da das plot element ist, und was sich daraus ergibt. In Los Angeles gibt es aber gar nicht so viele interessante Motive für diese Momente. Ich finde darin eine gute Möglichkeit, eine Struktur zu finden, die sich von plot points unabhängig macht. Die meisten Leute sehen Filme ja in einer dreiaktigen Struktur. Ich bin ein Anhänger der zweiaktigen Struktur, in der Mitte passiert etwas, was den Dingen eine Wende gibt: In George Washington ist es ein Tod, in Snow Angels verschwindet jemand, in All the Real Girls ist es eine Trennung, in Undertow stirbt jemand.

 

George Washington (2000)

© Cowboy Pictures

 

Wie entstand George Washington, Ihr Debütfilm?

Er entstammt ganz unmittelbar der Lebenswelt, in der ich studiert habe: In Winston-Salem, North Carolina. Wir haben dort das College absolviert, es erschien uns als ein Ort, der es wert war, erforscht zu werden. Nach dem College ging ich nach Los Angeles, dort wollte ich mir als Autor eine Existenz aufbauen. Aber es war ganz klassisch frustrierend, alle meine Ideen schienen uninteressant, jeder Produzent wirkte manipulativ und uninspirierend, es gab einfach keine Perspektive, dass ich nach «Hollywood» passen würde. Ich habe also überlegt, wie ich zurückgehen und noch einmal von vorn anfangen konnte. Ich wollte ganz naiv sein in meinem Neuansatz. Meine Theorie war: Ich gehe an einen interessanten Ort, umgebe mich mit interessanten, vertrauenswürdigen Leuten, und fange an, indem ich mich für eine interessante Figur entscheide. Ich dachte ursprünglich an einen Dokumentarfilm, schwarzweiß, 16 mm. Ich wusste lediglich, dass ich einen kleinen Jungen als Helden haben wollte, der nur Unterwäsche trägt, aber Superheldenkräfte hat. Ich hatte einen Kurzfilm über ein Kind und einen Hund gemacht, mit dem ich unzufrieden war. Ich hatte eine Menge Referenzen im Kopf von Killer of Sheep von Charles Burnett bis Pixote von Hector Babenco, oder auch Kes von Ken Loach. Es ging mir um ein Porträt von Kindheit in einem unberührten Teil Amerikas. Wir sind dann einfach durch die Stadt gegangen und haben zum Beispiel eine Familie, die wir vor dem Haus sitzen sahen, gefragt, ob sie auch in einer Woche wieder so dasitzen könnte, weil wir sie dann für eine Szene brauchen würden. Ich hatte 40 000 Dollar erspart, und ungefähr sechzig Seiten mit Ideen, und es war ungewiss ob das mehr als ein Kurzfilm werden würde. Mit Tim Orr war ich mir einig, dass wir anamorphotisch drehen wollten, das würde uns zumindest einen Zugang zu einigen Filmfestivals ermöglichen. Die Leute haben gut auf uns reagiert, wir waren ja nicht wie ein großer Zirkus, der in die Stadt kommt und allen auf die Nerven geht, sondern unsere Sache war äußerst minimal.

George Washington wurde bald sehr bekannt, aber auf Umwegen.

Sundance hat uns abgelehnt. Das war hart, denn es scheint ja doch so, als würde jeder unabhängige Film in Amerika nach Sundance eingeladen. Dann kam eine Einladung vom Forum in Berlin – das sagte mir natürlich etwas. Als wir ins Delphi Kino kamen, mit zwanzig Freunden, und dann waren dort 1000 Leute im Saal, das war unglaublich. Ich war im Hotel Savoy untergebracht, meine Freunde schliefen alle in Hostels – wir blieben die ganzen zwei Wochen und sahen uns unglaublich viele Filme an. Dann war ich eineinhalb Jahre unterwegs: Edinburgh, Australien, Jerusalem. Es war wie in einem Traum. In den Staaten kriegten das die Leute natürlich mit, das George Washington international großes Interesse fand, und ich bekam viele Anfragen: Schick uns ein Band! Ich schaltete aber auf stur und sagte allen, dass sie den Film nur bei einer Vorführung in einem Kino zu sehen bekommen würden. Zwischen Berlin im Februar und Toronto im September konnte niemand in den USA meinen Film sehen, außer jemand kam zu irgendeinem ausländischen Festival. Dann lief er auf einem kleinen Festival in Newport Rhode Island, dort sah Armond White von der New York Times den Film und setzte sich für ihn ein. Toronto war dann schon ein Triumph.

Wenn Sie Filme wie Kes erwähnen – woher stammt ihre Kenntnis der Filmgeschichte? Wie fanden Sie Ihre Vorbilder?

Mein Vater war ein film buff, wir gingen ständig miteinander ins Kino. Ein wichtiger Moment war, als er mich in Barton Fink von den Coen-Brüdern mitnahm. Ich war damals elf Jahre alt, und kannte Raising Arizona schon. Die zugängliche, aber doch eigenwillige, ganz besondere Textur dieses Films hat mich umgeworfen. Danach ging ich immer auf eigene Faust in die Video Stores, ich war das weird kid, das alles über Filme las, ich habe also im Prinzip von diesem Moment an, mit elf Jahren, recht strategisch auf das Filmemachen hingelebt. Dann war ich ein entscheidendes Jahr in Austin, Texas, wo ich akademisch wenig zuwege brachte, aber dort gab es eine sehr interessierte Film-Community. Wir sahen Romper Stomper und fragten uns: Wer ist dieser Typ Russell Crowe? Richard Linklater hat dauernd darüber gesprochen, welche Filme für ihn wichtig waren. Ich habe alles gleich nachgesehen: Was ist dieser Little Fugitive? Ich fand über Martin Scorsese zu Michael Powell, oft verliefen so die Wege, von der nahen Vergangenheit zu den Klassikern. Ich war immer für Schlock zu haben, aber ich habe immer auch zur Kultur gefunden.

Sie waren demnach in Austin ein Slacker, als Slacker erfunden wurden.

Genau. Ich bin dann aber eben kein Slacker geblieben. Die North Carolina School of the Arts hatte auch ein riesiges Filmarchiv, wo ich Paul Schneider und Tim Orr kennenlernte. Wir sahen Deliverance und Thunderbolt & Lightfoot und Jeremiah Johnson in 35 mm Kopien. Warum reden die Leute eigentlich nicht jeden Tag von Fat City oder Electra Glide in Blue – das sind doch Meisterwerke? Das sind für mich bis heute die größten Filme. Wir hatten, weil wir dort arbeiteten, ein ganzes Archiv zu Verfügung. Ray Regis hatte, um nur die ganze Vielfalt anzudeuten, auch 16 mm Pornografie aus den 30er Jahren. Und noch alles Mögliche. So sah ich A Day with the Boys von Clu Gulager, ein sehr unbekannter Film aus den späten 60er Jahren, ohne Dialog, sehr reiche natürliche Kinematografie. Er wurde dann auf die DVD von George Washington dazugegeben, weil er mich sehr inspiriert hat.

Es gibt zwei jüngere amerikanische Filme, bei denen wir ein ähnliches Ethos sehen. Chop Shop von Ramin Bahrami und Ballast von Lance Hammer.

Ramin Bahrami war an unserer Schule. Er hat im technischen Büro gearbeitet, es gibt einige Leute, die heute für ihn und für mich arbeiten. Chop Shop war der schwierigste Soundjob, den es jemals gegeben hat, habe ich mir sagen lassen. Ballast habe ich vorgeführt, als ich mit Pineapple Express in den Schneideraum ging – damals begann mein Dialog mit Lance Hammer, und es ist so, dass er mich dabei inspiriert, wie man kommerzielle Komödie schneidet. Und dann denke ich mir, wenn ich Chop Shop oder Ballast sehe: Vielleicht sollte ich diesen kleinen, schrägen Film über den Schulschwänzer in New Orleans, den ich einmal im Kopf hatte, doch noch machen … Jedes mal wenn ich einen Film mache, verzichte ich auf einen anderen, und dann kommt das wieder zum Vorschein. Ballast ist sein eigenes Monument, der Film ist jetzt seit eineinhalb Jahren bei mir. Ich bin sicher, er hat hunderte Leute beeinflusst. Bei Lance Hammer ruft vielleicht niemand an wie bei mir nach Pineapple Express, aber der Film hat seine eigene Wirkungsgeschichte.

 

Undertow (2004)

© United Artists

 

Kommen wir zu ihrem zweiten Film Undertow. Wie kam der zustande?

Ich war bei meiner Großmutter in Arizona, weil ich damals gerade keine Wohnung hatte. Und dort bekam ich eine Email, dass Terrence Malick George Washington gesehen hatte und mir zwei Drehbücher schicken wollte, die er mit Ed Pressman, dem Produzenten von Badlands, machen wollte. Am nächsten Tag hatte ich zwei Drehbücher in der Post, eines davon war Undertow. Es rief eine Menge Erinnerungen in mir wach, daran, wie ich Mark Twains Bücher las oder als ich The Night of the Hunter im Kino sah. Vieles von dem, was mir mein Vater im Kino gezeigt hatte, war in Undertow wieder da. Die Abenteuer eines Jungen, der zum Helden werden muss. Ich habe sicher eine Menge von dem ruiniert, was ursprünglich in dem Drehbuch war, aber mir war vor allen am einem southern gothic ride gelegen.

Was ist das genau, southern gothic?

Das ist eine bestimmte Idee, die sich mit dem Leben in den amerikanischen Südstaaten verbindet. Die sinistre Seite eines Lebens, das sehr häufig à la Steel Magnolia und Driving Miss Daisy idyllisiert und verkitscht wird. Southern Gothic ist eine Mischung aus Naturmystik, religiöser Folklore, archaischer Mythologie. Was von einer alttestamentarisch geprägten Sklavenhaltergesellschaft so bleibt. Faulkner spielt da intensiv hinein, aber auch ein Film wie Blue Velvet hat viel von dieser räudigen Seite des Südens.

Wie erlebten Sie Terrence Malick, der ja legendär zurückgezogen lebt?

Er war einfach ein sehr hilfreicher und inspirierender Produzent. Es war großartig, dass er dabei war. Er schaute sich die Vögel an, während wir in den Sümpfen drehten, und am Abend tranken wir etwas zusammen. Er war sehr väterlich.

Nach Undertow kam Snow Angels, dem ein Buch von Stewart O’Nan zugrundeliegt.

Das war mein erster Job, nachdem ich meinen Agenten in Hollywood angeheuert hatte: Ich sollte dieses Buch für einen anderen Regisseur adaptieren. Ich war gerade auf Reisen und war sehr daran interessiert, Geld zu verdienen. Ich fand, dass es ungeheuer emotional war, aber ich hatte nicht gerade das große Selbstvertrauen. Es war für mich eher ein Experiment ob ich das überhaupt konnte – ein Buch zu adaptieren. Ich wollte es aus den 70er Jahren in die Gegenwart verlegen. Es war auch wichtig, dass es sozial nicht zu depressiv würde. Als Regisseur war Jesse Peretz vorgesehen, der viele Musikvideos und auch Werbung gemacht hat. Irgendwie verstrich die Option, und das Projekt war wieder da. Ich setzte also noch einmal weiter vorn an und schrieb eine für mich gangbare Version, die ich mir aber immer noch wie eine Auftragsarbeit für jemand anderen vorstellte. Es waren dann ziemlich schwierige Dreharbeiten, weil ich nicht mit meiner angestammten Crew arbeiten konnte und deshalb nicht voraussetzen konnte, unmittelbar verstanden zu werden. Aber ich hatte zum Glück Lisa Muskat dabei, die alle meine Filme produziert hat, aber auch Chop Shop und Man Push Cart von Ramin Bahrami. Sie war an der Kunsthochschule unsere Lehrerin gewesen.

 

Snow Angels (2007)

© Warner Independent Pictures

 

Das Ende von Snow Angels ist sehr gelungen – eine Frau tritt vor das Haus und ruft nach dem Hund, ganz alltäglich und zugleich so, als wäre alles verloren.

Ich hatte eigentlich ein anderes Ende, ein mystisches, wenn man so will. Lila geht zu Arthur und spricht wie ein Babysitter mit ihm – das Motiv war noch aus dem Buch von Stewart O’Nan geblieben. Sie behandelt ihn wie ein Kind, dann gibt sie ihm einen Kuss und dann ist der Film vorbei – das hätte aber genau bedeutet, dass keine Perspektive nach vorn bleibt. Es war nicht das optimistischere, offenere Ende, das ich mir wünschte. Es war dann Paul Schneider, der nach der Szene mit dem Hund «Bomber» sagte: Hier sollte der Film aus sein.

Die Musik stammt von Philipp Glass, ein Komponist, an dem sich viele Leute stoßen.

Das war die Idee des Produzenten. Meine Filmbildung beinhaltet aber auch Koyaanisqatsi und Powaqqatsi. Ed Pressman traf ihn auf einer Party, und Glass wollte schließlich sogar zu uns an den Set kommen, was sehr ungewöhnlich war. Er sprach dann von den Frustrationen, dass die Leute immer das gleiche von ihm erwarten. Und ich sagte, er sollte eher dort anschließen, wo er früher einmal war, er hat ja auch die Musik zu Candyman gemacht, einem unterschätzten Horrorfilm. Ich habe sonst meistens mit David Wingo gearbeitet, den ich auch schon seit Kindheitstagen kenne – er war das einzige Kind außer mir, das damals allein ins Kino ging – wir waren damals, wie alt, sieben Jahre? Aber Undertow brauchte etwas anderes, und Glass hat diese besondere Qualität geschaffen. Er hat sogar ein Didgeridoo verwendet, das mag ich sehr.

Die Drehbucharbeit scheint Ihnen leicht zu fallen.

Ich schreibe immer anders, von Fall zu Fall. Im Moment schreibe ich ein Remake von Ice Station Zebra von John Sturges, ein U-Boot-Film mit Rock Hudson. Das ist eine sehr technische Angelegenheit, das Original spielt im Kalten Krieg, ich mache daraus einen arktischen Krieg in der nahen Zukunft, internationale Spionage im Zeitalter der Rohstoffkriege. Was machen amerikanische U-Boote unter dem Nordpol? Da weiß ich gar nichts drüber, aber mein Vater war in der Navy, ich bin also nur fast gänzlich der falsche Mann für diesen Job. Und mich reizt diese massive Recherche. Daraus entsteht dann eine sehr architektonische Arbeit: Nimmt man hier eine Figur weg, was macht das für das Gefüge? Manchmal aber entsteht ein Film einfach aus einer ersten Szene, das war bei George Washington und All the Real Girls so. Undertow wurde an mich herangetragen, da habe ich gründlich umgeschrieben. Manchmal gibt mir jemand ein Buch mit 300 Seiten, in dem ich einen guten Film erkenne, ich nehme alles, was daran gut ist, und vergesse den Rest. Manchmal steht dann auch am Ende mein Name nicht mit dabei. Ich habe ein Buch adaptiert, das heißt The Secret Life of Bees, daraus wurde schließlich ein southern chick flick mit Queen Latifah und Dakota Fanning. Ich habe auch ein Sachbuch von John Grisham adaptiert: The Innocent Man. Das hat mich interessiert, weil ich dafür mit Leuten reden konnte, die darauf warten, dass irgendwann ihr Todesurteil vollstreckt wird. Das ist interessant auf einer journalistischen Ebene. Ich fahre ins ländliche Oklahoma, ich klopfe an Türen, weil ich dafür bezahlt werde, diese Geschichte zu schreiben. Der Film ist im Moment auf Eis wegen eines Rechtsstreits, er kann also noch nicht gemacht werden.

Es mangelt also nicht an weiteren Projekten.

Manchmal genügt eine einfache Ausgangsidee: Roboter übernehmen eine Stadt in Iowa. Das schreibe ich mit Danny McBride, das verkaufen wir dann.

Das Gespräch führten Bert Rebhandl und Simon Rothöhler