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Crush Asia Argento

Von Cristina Nord

Boarding Gate (2007)

© mk2

 

Das Tolle an Asia Argento ist: Sie ist sich für nichts zu fein. In ihrem Regiedebüt Scarlet Diva (2000) wird sie von einer mysteriösen Lady namens Quelou zum Quickie mehr gedrängt als verführt, dabei kommt sie nicht umhin, zwischen überdimensionierten Silikon-Brüsten um Luft zu ringen. Später rasiert sie sich in einiger Ausführlichkeit die Achseln, während Nina Simone Wild is the Wind singt. In Olivier Assayas’ Neo-Noir Boarding Gate (2007) zeigt Argento die Tätowierungen auf ihrem Bauch, auf ihrer Schulter und über ihrem Po her. Ihr Vater, der italienische Regisseur Dario Argento, warnte sie einst: Sie möge sich doch bitte nicht zum Tattoo-Freak machen. Sie hat nicht auf ihn gehört. Ein anderer väterlicher Rat war, in Scarlet Diva auf die geplante «Bestiality»-Szene zu verzichten. Darauf hat sich Argento eingelassen. Sieben Jahre später spielt sie in Abel Ferraras Gaga-Komödie Go Go Tales eine Nachtclub-Tänzerin; bei einem ihrer Auftritte liegt links von ihr ein Rottweiler. Ein paar Mal wirft sie das Bein hoch, windet sich um eine Stange, dann rutscht sie bäuchlings auf den Hund zu und küsst ihn.

Asia Argento, geboren 1975, ist Schauspielerin, Drehbuchautorin und Regisseurin. Ihren Körper setzt sie offensiv ein, vor Vulgärem und kinky stuff hat sie, wie Go Go Tales nahelegt, keine Scheu. In Boarding Gate traktiert sie Michael Madsen erst mit einem Paar Handschellen, dann mit einer Knarre, mehr als schwarze Unterwäsche und Highheels trägt sie dabei nicht. Sie schafft es, diese und ähnliche Szenen in ein solches Spektakel zu verwandeln, dass es unmöglich wird, ihren Körper und dessen Reize zu konsumieren. Etwas daran ist zu theatralisch und zu exzessiv, als dass man einfach nur geil glotzen könnte. Wenn Argento in ihren Rollen so furchtlos und verwegen ist, mag das an ihrem frühen Eintritt ins Giallo-Universum liegen. Schon als Kind war sie in Filmen zu sehen, die eine Altersfreigabe ab 18 verlangten. Im Bonusmaterial zur DVD von Scarlet Diva sagt sie, es sei ihr nicht leicht gefallen, mit ihrem Vater zu drehen. Einmal, als Teenager, musste sie sich mager hungern und sich, in der Rolle selbstverständlich, vergewaltigen lassen. Als Une vieille maîtresse – Argento verkörpert darin eine ihrer maßlosen, den Konventionen der Zeit spottenden Frauenfiguren – 2007 im Wettbewerb des Festivals von Cannes lief, sagte Catherine Breillat während der Pressekonferenz: «Asia est un panzer». Argento saß neben der Regisseurin auf dem Podium und nahm den Satz als Kompliment.

Früher sah die symbolische Ordung für Frauen zwei Plätze vor: den der Heiligen und den der Hure. Eine Menge Versehrungen brachte diese Ordnung mit sich. Heute kann man sich ihr entziehen, doch Argento wird nicht müde, sie wiederaufzuführen. Ihre eigenen Filme, Scarlet Diva und The Heart is Deceitful Above all Things (2004), spielen die Verletzungen und Selbstverletzungen, das Panzerwerden, die Gegenwehr, das Leiden, aber auch die Lust daran durch. Sie tun das obsessiv, aber ohne heiligen Ernst. Ihre Transgressionen sind, neben allem anderen, ein großer Spaß.