serien 2009

Organisiertes Verbrechen Dominik Graf dreht eine Serie: Ein Bericht von den Dreharbeiten

Von Ekkehard Knörer

© cargo

 

Äußeres westliches Ende des Kudamms. Wo sonst das Eiscafé Hennig ist, sind über dem Eingang jetzt groß die Schriftzüge «Baltic Sea» zu lesen. Drinnen macht alles auf Russisch, sogar die Zeitschriften, die herum­liegen, sind aktuell. Nur eine Handvoll Leute an Tischen. Gemurmel, es ist ein Wochentag, es ist Morgen. Draußen ein paar Scheinwerfer, ein paar Lichtsegel um die Ecke. Dominik Graf ist schon da, der Dreh fängt etwas später an als der Plan vorsah. Am Vorabend wurde es wieder einmal spät. Graf dreht hier, für Arte, die ARD, Im Angesicht des Verbrechens, eine auf acht Teile berechnete Serie, wie es so im deutschen Fernsehen noch keine gab. Ein komplexes Panorama soll sie entfalten, in dem sich die Milieus von Russen in Berlin, von Polizei und Mafia verschränken und in die Quere kommen. Das Buch stammt von Rolf Basedow, der mit Dominik Graf an der Münchner Filmhochschule studierte, Cutter wurde, die ersten Graf-Filme (Treffer zum Beispiel) geschnitten hat und dann anfing, Drehbücher zu schreiben, für Graf zuletzt Hotte im Paradies und Eine Stadt wird erpresst. Die Schauspieler Max ­Riemelt und Ronald Zehrfeld, die beiden, die an den drei Tagen, an denen ich am Set bin, im Zentrum stehen, haben schon in Grafs Kinofilm Der rote Kakadu mitgespielt. Außerdem sind unter anderem Marie Bäumer und Mišel Maticevic mit von der Partie. Das Pensum, das die Produktion allen abverlangt, ist enorm. Von Juni bis Dezember soll gedreht werden, mit einem Monat Pause dazwischen. Später wird sich das sogar noch einmal verlängern. Danach wird Dominik Graf, der sich während der Dreharbeiten keine Muster ansieht, an den Schnitt gehen. Irgendwann später in diesem Jahr soll die Serie ausgestrahlt werden, erst auf Arte, dann in der ARD.

Bei meinem ersten Setbesuch, Schauplatz «Baltic Sea», ist der Dreh beinahe noch am Anfang. Monate liegen vor Graf und dem Team; dabei ist alles recht knapp kalkuliert, jedenfalls für ein derart aufwendiges Projekt und für einen wie Graf, der nicht die leiseste Schlamperei durchgehen lässt, der immer am Limit arbeitet und Perfektion anstrebt. Der Druck, den das bedeutet, ist zu spüren. Es darf nicht getrödelt werden und nicht gesäumt, Einstellung um Einstellung wird gedreht: drinnen, draußen, Dialoge, Blicke, Action, eine Verfolgungsjagd mit dem Auto durch die umliegenden Straßen. Graf ist ein Regisseur, der seine Szenen sehr hoch auflöst in viele kleine Einstellungen. Anders als bei einem experimentellen Projekt wie Der Felsen geht das hier nicht mit Improvisation. Für den Felsen hat Kameramann Benedict ­Neuenfels mit digitaler Kamera vieles spontan aufgenommen, eigenständig Bilder gesammelt, Momentaufnahmen eingefangen, die später in den Film fanden. Dergleichen ist ausgeschlossen bei Im Angesicht des Verbrechens. Eine Fernsehserie wie diese ist nicht zuletzt eine ungeheuer aufwendige logistische Herausforderung. Alles geht nach einem minutiös ausgearbeiteten Plan. Alle Rädchen im Kollektiv müssen ineinandergreifen. Dafür sorgt zum einen die an jedem Abend an alle verteilte «Dispo», die so etwas ist wie das Drehbuch für die logistische Seite der Dreharbeiten. Wer wann was zu tun hat, ist genau verzeichnet.Auch der am Set herumlungernde Journalist steht schon drin. (In Fettschrift. Achtung!) Eine eigentümliche Position: Ich bin der einzige hier, der keine Funktion besitzt fürs Ganze in diesem Apparat, einem Apparat, der etwas von einem komplizierten Lebewesen hat. Natürlich haben beim Dreh viele die meiste Zeit für das Auge des Betrachters wenig oder gar nichts zu tun. Teile des Apparats machen Pause, weil die anderen gerade etwas aufbauen, einrichten, vorbereiten. So warten abwechselnd die Darsteller, die Beleuchter, die Maske, gelegentlich sogar der Regisseur, der immer mal wieder zu mir kommt und etwas über französische Polizei- und Genrefilme der 70er erzählt oder beim zweiten Besuch dann die wenig befriedigende Quote für seinen Film Das Gelübde kommentiert, der zwei Tage zuvor im ARD-Programm zur Hauptsendezeit lief. Ich höre zu, ich beobachte, ich frage, ob ich für diese Einstellung hier stehen kann oder da, ohne Schatten zu werfen oder in irgendeiner Spiegelung sichtbar zu sein. Unmerklich fast gerate ich dabei auch als Außenstehender in den Rhythmus des Drehs. Ein Rhythmus aus dem Wechsel von gespannter Ruhe, Nichtstun, Herumstehen, Dazukommen, Weggehen – «Sie kommen später noch einmal dran, für Sie ist für heute Schluss» –, Anspannung, Entspannung, gezielten Griffen und gelegentlich scharfen Worten. In Momenten der Ruhe sitzt man herum auf dem Platz vor dem umgemodelten Eis­café; es bilden sich Grüppchen, es wird geklatscht und getratscht, Komparsen werden gerufen, eingewiesen, die SEK-ler in ihren Kampfanzügen stehen herum, die darf ich nicht ohne ihren Helm fotografieren, denn die sind echt. Umbauten, Szenen­wechsel. Die Kamera wird von hier nach da getragen, aufgebaut, umgestellt, weitergetragen. Lichtsegel werden hingestellt und festmontiert. Der Kameramann Michael Wiesweg blickt durch die Kamera; Dominik Graf blickt, aber nur gelegentlich, auch durch die Kamera. Die beiden sprechen nicht viel miteinander, ein blindes Verstehen, manchmal ein Vorschlag, es so zu machen oder anders.

Das meiste freilich steht fest. ­Dominik Graf entwirft die genaue Auflösung der Szenen in einzelne Einstellungen im vorhinein. Er hat das alles im Kopf, er schreibt es auf, die Blätter, auf denen das nachzulesen ist, sind die Arbeitsgrundlage für alle auf dem Set. «Die Genauigkeit, mit der Dominik Graf das immer schon vorbereitet hat, ist einzigartig», sagt ­Michael ­Wiesweg. Er hat zuvor viel mit dem ­Regisseur Thomas Arslan gearbeitet und kann die sehr verschiedenen Methoden genau vergleichen. Nicht dass er einer den Vorzug gibt, gerade die Unterschiede findet er faszinierend. «Bei Thomas Arslan», meint er, «entstehen die Einstellungen erst am Set. Man probiert, etwas ergibt sich und am Ende des Tages hat man vielleicht eine Einstellung.» Allerdings sind bei Arslan die Einstellungen sehr lang, es gibt viele Plansequenzen. Bei Graf nicht. Graf dreht bis zu zehn oder fünfzehn Einstellungen am Tag. «Oder ­Rudolf Thome», fügt Wiesweg hinzu. Auch mit ihm hat er gedreht, unter anderem Rot und Blau. «Der schreibt zwar ein Buch, aber er legt es darauf an, das bis zum Dreh selbst wieder zu vergessen, um ganz spontan arbeiten zu können.»

Bei Graf dagegen ist alles minutiös festgelegt. Ein Hinfahrt, die in einer Großaufnahme endet. Ein Blick von draußen, eine Schärfeverlagerung, mit der etwas zuerst fast unmerklich in den Blick kommt. Dies, die akribische Vorbereitung, ist aber nur die eine Seite, die unter den Bedingungen des Seriendrehs geradezu die Voraussetzung ist für ihr Gegenteil, die beträchtliche Freiheit nämlich, die sich Graf nimmt, die er seinem Team gibt. Am Set zeigt er sich offen für Vorschläge, für Einfälle der Beteiligten. Des Kameramanns oder der Darstellerinnen und der Darsteller. «Ich könnte bei der Befragung meine Schnürsenkel zubinden», schlägt später eine Schauspielerin vor, die als Polizistin eine Zeugin befragt. Es sind keine tiefenpsychologischen Ideen, die Graf sucht, sondern kleine Gesten wie diese, Abweichungen von der Imagination des Drehbuchs, die sich an Ort und Stelle ergeben.

«Da muss mehr Leben hinein», das sind, man hört sie aus dem Mund des Regisseurs immer wieder, die Schlüsselworte während des Drehs, aber auch von ­Dominik Grafs Ästhetik. «Leben» bedeutet aber, auch wenn es in Grafs eigenen Äußerungen manchmal anders klingt, nicht in erster Linie einen – schlimmstenfalls sogar machistisch grundierten – Vitalismus. Leben ist vielmehr das, was entsteht, wenn Unvereintes oder gar Unvereinbares aufeinandertrifft. Leben ist das, was herauskommt, wenn die reale Situation des Drehs auf das festgelegte Buch, die vorgedachten Auflösungen, die vorgeschriebenen Worte stößt. Das Leben, die Lebendigkeit, die Intensität, die Vitalität, die Energie, die Graf sucht, müssen sich an diesem Punkt entzünden: dem Punkt, an dem Fantasie und Wirklichkeit zusammenkommen. Graf ist kein Realist, der daran glaubt, dass sich Wirklichkeit einfach so abbilden lässt, sondern ein Regisseur, der den Apparat des Filmischen auf das Reale der Drehsituation jagt und sieht, was ­passiert.

Er braucht dazu, was nur auf den ersten Blick paradox scheint, teils extreme Künstlichkeiten (und künstliche Natürlichkeiten), im Buch, im Spiel, in der Arbeit der Kamera, auch im Dialog. Auf der Ebene des Plots ist es das Genre, das ihm zum Standbein wird, gegen das er dann en detail die Abweichung, das Spontane setzen kann – den Blick auf einen Lichtreflex ohne narrative Bedeutung, eine Geste, die zu nichts weiter führt. Seine implizite ­These gegen viele Filme der sogenannten Berliner Schule, ihre «Schneewittchen-Figuren» (Graf) vor allem, laufen darauf hinaus, dass er darin die Reibung vermisst, die Hitze, die Spannung, die erst im Zusammenstoß von, zum Beispiel, Wiederholungszwang des Genres und radikaler Abweichung entsteht. Graf geht es, anders gesagt, immer um eine Ästhetik des gezielt Unreinen; das hat mit Durcheinander, mit Ungenauig­keit nichts zu tun, ganz im Gegenteil. Sondern mit dem gezielten Mischen, bei dem es gerade auf das richtige Verhältnis der einzelnen Elemente ankommt. Ein mit höchstem Bewusstsein und großer Kontrolliertheit herbeigeführter, vom Versuchsleiter genau beobachteter, wiederholbarer, korrigierbarer ­Kontrollverlust.

Die Offenheit, die Graf sucht, das Aufeinanderknallen, die Hitze, die Intensität brauchen einen Katalysator, mehr noch: einen Manipulator, einen, der das Tempo hoch, die Augen offen hält. Dieser Mani­pulator und Energielevel-Regulator ist Graf selbst, als Dompteur der Menagerie des Drehkollektivs aus Menschen, Apparaten und nur bedingt kontrollierbarem Dreh­ort und Schauplatz. Offenheit fürs Ereignis kann heißen: Auf dem Platz vor dem Eiscafé Hennig / «Baltic Sea» kommt eine kleine Mariachi-Kapelle vorbei. Es ist früh am Tag, sie haben den ganzen ­Kudamm vor sich, es ist Sommer, Cafés, Restaurants und so weiter. Sie machen aber hier schon Musik, ohne unmittelbares Publikum, um sich einzuspielen vielleicht. Eine Einstellung soll gedreht werden, man muss warten, sie sind im Bild, sie machen Musik, sie müssen da weg. Alle warten, ein paar Minuten. Dann Bewegung bei ­Dominik Graf, er spricht mit seinem Aufnahmeleiter. Ich stehe ganz in der Nähe und Graf sagt: «Holt sie zurück. Die können wir später noch brauchen. Wenn wir uns das finanziell leisten können, spielen sie mit.» Stundenlang wird die Kapelle dann im Hinterhof der Eisdiele ausharren und tatsächlich wird sie später gebraucht.

Oder: In einer anderen Szene geht der Blick der Kamera aus dem Café hinaus auf ein parkendes Auto. Da hat Graf eine Idee, von der nichts im Drehbuch steht. Er lässt ein zweites Auto dazustellen und bringt einen der Schauspieler mit ins Bild. Die Kamera wird kurz auf die unscheinbare Szene im Hintergrund zoomen. Was da passiert, wird auch im Endschnitt unklar bleiben. Aber dass da etwas ist, dass dieser spontane Zusatz einen Verdacht streuen wird: darauf kommt es Dominik Graf an.

«Ich kenne keinen anderen Regisseur», sagt Michael Wiesweg, «der die Konzentration und die Energie auf dem Set so konstant hochhält. Anders wäre das Drehtempo bei Grafs Filmen auch gar nicht möglich.» Energie ist auch Spannung und die Arbeit des Regisseurs ist zu gutem Teil deshalb eine Art psychologische Alchemie. Die Arbeit mit Graf ist sichtlich und auch für den Beobachter spürbar nicht das reine Vergnügen. Es geht nicht darum, beim Dreh Spaß zu haben. Nicht dass die Stimmung am Set schlecht ist, ganz und gar nicht. Das ist schon eine eingeschworene Gemeinschaft. Aber Graf spürt sehr genau, wenn die Spannung, wenn das Tempo nachlässt, er hört genau, wenn im Hintergrund jemand redet, er fährt auf, wenn etwas, das gebraucht wird, nicht gleich zu Stelle ist. Dann wird er laut und für den Moment fast cholerisch und schleudert Blitze. Aber sehr gezielt. Meistens bekommen es die Aufnahmeleiter ab. Für die Schauspieler dagegen gibt es einen Schutzraum. Es ist fast, als platzierte er sie mit Absicht in einer Art Faradayschen Käfig, in dem die darum herum erzeugte Spannung zwar spürbar ist. Aber auf ihrer Rückseite liegt gerade, und durch die Spannung draußen erst recht fühlbar, eine umso größere Freiheit. Ein Schutzraum des Vertrauens, das Graf in seine Darsteller setzt. Er beobachtet sie sehr genau, er macht manchmal Verbesserungsvorschläge und sagt, was ihm nicht passt. Aber da ist immer ein großer Respekt. Etwa als sich herausstellt, dass einer der russischen Schauspieler zwar seinen deutschen Dialog-Text auswendig gelernt hat, dass seine Aussprache aber völlig unverständlich ist. Dominik Graf sieht sich das an, hört sich das an. Er begreift, dass keiner sich darum gekümmert hat, dem Darsteller beizubringen, wie die Wörter, die er auswendig kann, auszusprechen sind. Trotz des Drucks nimmt er sich da alle Zeit der Welt, setzt sich zu dem Schauspieler und hilft ihm dabei, die Aussprache zu verbessern, richtig zu intonieren. Satz für Satz, Wort für Wort. Mit Engelsgeduld. Graf ist ein herausragender Schauspieler­regisseur. Auch und gerade typische deutsche Fernsehdarsteller mit ihren Marotten, die ihnen sonst keiner austreibt, mit ihrer Langsamkeit, mit ihrer Aufsagetechnik sind bei Graf nicht mehr wiederzuerkennen. Man muss nur Heiner Lauterbach in Der Skorpion gesehen haben, einem von Grafs allerbesten Filmen. Oder Elmar Wepper in Bittere Unschuld, lange vor seinem späten Coming Out als Charakterdarsteller in Doris Dörries Kirschblüten. Oder Matthias Schweighöfer, der sonst oft so schlecht beraten scheint (Der rote Baron!): eine Offenbarung in der Henry-James-Verfilmung Die Freunde der ­Freunde. Oder all die Frauen, Martina Gedeck, Karoline Eichhorn und immer wieder Jessica Schwarz, die vor allem bei Dominik Graf atemberaubend ist. Im Gespräch, das wir später, in seinem Hotel-Appartement führen, meint Graf zur Schauspielerregie: «Ich bin selbst der Sohn zweier Schauspieler, ich kenne also die Tricks. Das Wichtigste ist, ihnen gleich zu sagen, sie sollen weniger tun. Und der andere wichtige Punkt: Man muss sie auf Tempo bringen.» Am Set ist gar nicht viel zu sehen von Grafs eigentlicher Arbeit mit seinen Darstellerinnen und Darstellern. Die findet vorher statt, vor Drehbeginn. Da wird besprochen und geprobt, aber nur am Tisch bei Leseproben. «Ich will jeden Satz einmal hören bei den Proben. Aber gespielt werden die Szenen das erste Mal auf dem Set.» Auch hier wieder: Das Geprobte, das Vorbereitete trifft auf den Drehort, an dem dann das Unerwartete, das Spezifische der Situation mit ins Spiel kommt. Für Graf als Regisseur ist das nie getrennt. Er sieht immer schon die Verbindung der Elemente. Den Dreh vor Ort als Szene im fertigen Film. Er schneidet im Kopf. Vorher schon, wenn er die Auflösung seiner Szenen plant. Aber auch am Set selbst, wenn er nämlich jede einzelne Einstellung nicht mit bloßem Auge betrachtet, sondern grundsätzlich in der Videoausspiegelung. Die kleinen «Watchmen»-Geräte, die das Kamerabild per Funk auf einen kleinen Bildschirm übertragen, sind am Set omnipräsent. Was zählt, ist nicht das, was ist, sondern das, was man mit der Kamera sieht. Und das lässt sich überprüfen, das lässt sich aufnehmen, speichern, vorspulen und zurückspulen. Ein Paradox, aber einleuchtend: Die beiden wichtigsten Leute am Set, der Regisseur und der Kameramann, sehen das, was die Darsteller tun, nur mit dem Auge der Kamera. Das Leben, das hinein muss in den Film, ist auch so immer schon vermitteltes, mediales Leben. Während ich dies schreibe, gehen die Dreh­arbeiten immer noch weiter. Als ich im Winter noch einmal vorbeischaue, haben alle anstrengende Drehwochen hinter sich, nicht nur in Berlin, sondern auch in Polen. Nebenbei hat Dominik Graf noch einen kurzen Essayfilm für das von Tom Tykwer initiierte ­Deutschland 09-Omni­bus-Projekt konzipiert und geschrieben und die dafür notwendigen Originalaufnahmen in Berlin an Mitarbeiter delegiert. Als wir ihn in seinem Berliner Hotel-­Appartement zum CARGO-Gespräch treffen, verschweigt er nicht, wie erschöpfend die Arbeit an der Serie ist. Im Frühjahr und Sommer folgt, in München, die Post­produktion. Die Sichtung der Muster und der Schnitt sind für Dominik Graf, anders als für andere Regisseure, strikt getrennte Phasen der Arbeit. Das überrascht nicht, denn das Schneiden des Materials ist ein weiterer Schritt, bei dem der Film kunstvoll und künstlich lebendig wird. Das am Set entstandene Material, das festgehaltene Ereignis der kontrollierten Vermischung von Vorbereitetem und Spontanem, wird selbst wieder «fertiges» Material, dem es mit einem weiteren, apparatischen Bearbeitungsschritt «von Hand» Leben einzujagen gilt. Jenes Leben, das sich im Kino der Montage verdankt, also der künstlichen Synthese der beim Dreh entstandenen Einstellungen zu Szenen. Und nicht zu vergessen die Musik, die so wichtig ist bei Graf, dass er sie manchmal sogar selbst mitkomponiert. Auch sie darf niemals illustrativ sein, auch hier treffen wieder sehr verschiedene Sphären aufeinander und erzeugen so Hitze und Energie. Das aber sind alles schon andere Geschichten. Man wird dann sehen, im Herbst.