serien 2009

Generation Kill

Von Simon Rothöhler

Eine beachtliche Kriegsroute haben die Marines des First Reconnaissance ­Battalion hinter sich, als sie im April 2003 wettergegerbt und nicht ohne Anzeichen von Frustration in Bagdad eintreffen. Vom US-Trainingscamp Mathilda im Norden ­Kuwaits über Safwab, Nasiriya und Al Kut bis in die irakische Hauptstadt hatte der undurchsichtige Masterplan des Pentagon die vorauseilenden «shock troops» geführt. Dass Bagdad weniger befreit als polizeilich verwaltet werden muss, stellt die Soldaten vor Probleme, für die sie kaum ausgebildet wurden und mit denen auch ihre Nachfolger im Jahr 2009 weiterhin konfrontiert sind.

Die im Sommer letzten Jahres auf HBO ausgestrahlte Miniserie Generation Kill endet gewissermaßen mit dem, was auch nach den vergleichsweise deeskalierten Post-Surge-Monaten als Ist-Zustand zu gelten hat: Die Besatzer suchen Rückzugs­perspektiven in den Restbeständen einer lokalen Infrastruktur und stehen mit viel zu wenig Dolmetschern einem komplizierten Bürgerkrieg gegenüber, den sie planlos entfesselt haben.

Generation Kill ist das jüngste Projekt von David Simon und Ed Burns. Die Serie erscheint diesen März auch in Europa auf DVD. Sie basiert auf den präzisen Kriegs-Reportagen, die der embedded journalist Evan Wright während der Kriegshandlungen 2003 im Rolling Stone Magazine publizierte. «The Killer Elite» lautete der Titel der Reihe, bevor daraus einige Zeit später ein nicht immer redundanzfreier Buch-Bestseller entstand, der sich dann auch noch an einer umfassenderen Generations­diagnose versuchte. Dass und wie Wright in der Verfilmung als Figur anwesend ist – staunender Blick, permanent im Weg stehend, allzeit das Notizbuch gezückt – gehört denn auch zu den weniger überzeugenden Ideen des Formats.

Noch radikaler als in The Wire verabschieden Simon und Burns den individuellen Helden als Handlungsträger und dramaturgische Organisationseinheit. Das «Subjekt» der Serie ist die multiethnische Arbeiterklasse der amerikanischen Militärmaschine. Zwischendrin findet sich zwar immer mal wieder ein Überzeugungstäter aus Texas, der seinen privaten «Hadji body count» optimieren möchte, oder ein obrigkeitsskeptischer Dartmouth-­Absolvent. Der überwiegenden Mehrheit der Soldaten fehlt jedoch sowohl die ideologische Emphase als auch eine Alternative im zivilen Leben. Phasenweise recht offen sympathisiert die Serie mit den untersten Dienstgraden, zeigt aber auch deren leicht aktivierbare Brutalität und todbringende Ignoranz.

Generation Kill ähnelt der Vorgänger­serie in ihrem dicht gewobenen Detailreichtum an Codes, Gesten und Sprachmaterial, das bis zur Unverständlichkeit Akronyme stapelt. Im Verbund mit den dauerdröhnenden Humvees und dem troc­kenen Zischen diverser Flugkörper entsteht ein ­roher militärischer Wüsten-Sound, der durch kein Score-Echo konventionell formatiert wird. Die gezielt undynamische ästhetische Textur der Serie ist politisch gemeint: als Geste eines fiktionalen Dokumentarismus, der an den unspezifischen Konstanten eines global ausgreifenden «War on Terror» interessiert ist. Wer nach einer kritischen Autorenperspektive sucht, findet sie am ehesten in der ostentativ wiederholten Inszenierung kleinster soldatischer Handlungen, deren Summe einen opaken Militärapparat ergibt, der innen statisch wirkt, während er sich faktisch in einer intensiven kriegerischen Bewegung ein ganzes Land unterwirft.