spielfilm

18. November 2015

Trouble in Mind Filmhinweis für Berlin: Bless Their Little Hearts (1984) von Billy Woodberry im Arsenal

Von Bert Rebhandl

© Billy Woodberry

 

Müdigkeit ist das zentrale Wort in Billy Woodberrys Bless Their Little Hearts. Charlie Banks ist ein afroamerikanischer Familienvater in Los Angeles. Das erste Wort, das der Film mit ihm in Verbindung bringt, ist «Casual Labor» auf einem Plakat am Arbeitsamt. Auf dem Heimweg sitzt er eine Weile auf Bahngleisen, er lässt sich offensichtlich Zeit, weil er nichts Neues zu verkünden hat daheim. Seine Frau Andais liegt im Bett, die drei Kinder passen auf sich selbst auf. Die Musik von Archie Shepp (von dem Album Trouble in Mind, 1980) setzt einen stark melancholischen Akzent.

Die Spannung in der Familie wird in einer der interessantesten Szenen bildlich, als das ältere Mädchen eine Zange holen muss, um den Wasserhahn zu öffnen, nachdem der Vater sich rasiert hat. In der sehr einfach gehaltenen Erzählweise von Bless Their Little Hearts sind solche metonymischen Momente selten, in denen man förmlich noch spüren kann, wie der frustrierte Vater mit seiner überschüssigen Kraft das Wasser abdreht – halb unbewusst, aber vielleicht denkt er doch auch an die «utility bill»?

Viele Parallelen zu Charles Burnetts Killer of Sheep sind unübersehbar, gerade was den Einsatz von Musik anlangt. Die Versuche von Charlie, zumindest mit Tagelöhnerei ein paar Dollar zu verdienen, stehen im Zeichen des Blues, man könnte im Grunde den ganzen Film in seiner undramatischen Eintönigkeit als eine Klage sehen. Eine Ausnahme gibt es allerdings: Einmal streiten die Eheleute in der Küche, nachdem Charlie spät nach Hause gekommen ist – er war bei einer anderen Frau, hatte sich dort aber mit seinem schwächlichen Versuch, zu einem «freebie» zu kommen, eine Abfuhr geholt. Nun erwartet ihn Andais, sie ist geladen, und die ganze Auseinandersetzung kreist auf eine fast schon komische Weise um die Frage, wer mit welchem Recht mehr müde ist als der andere: «You got a right to be tired», konzediert Charlie. Später sieht man ihn, nach einem Tag, an dem er etwas zu arbeiten hatte, in der Badewanne schlafen, so wie vorher einmal auf der Kühlerhaube eines Lastwagens.

«I can’t make them people give me no job.» Das ist die eine Seite der Angelegenheit, die andere formuliert ein Friseur, bei dem er sich Luft verschafft, und der ihn auf den heiklen Punkt seiner Qualifikation anspricht: «What can you do?» – «I can work.» Das ist ein wenig zu allgemein.

Gegen Ende deutet sich eine improvisierte Lösung an, die nicht von Dauer sein kann, aber so etwas wie einen Gemeingüteraspekt enthält. Charlie lässt sich auch darauf nicht vollständig ein, sodass schließlich offen bleibt, ob die Filmemacher (Burnett schrieb das Drehbuch und machte die Kamera, Woodberry den Schnitt und die Regie) ihn eher als Opfer der Verhältnisse oder als einen Mann sehen, der seiner Verantwortung (für die Familie, für die Community) auf ungenügende Weise nachkommt. «What's wrong with him?»

Bless Their Little Hearts wird heute, 18.11., um 20.00 im Arsenal im Rahmen der Reihe L.A. Rebellion. Creating a New Black Cinema gezeigt. Billy Woodberry wird zu Gast sein, als Vorprogramm läuft sein Kurzfilm The Pocketbook (1980)