spielfilm

14. August 2014

Transzendemenz Sarah und Sarah von Peter Kern im Rahmen des Tributes «Schauplatz Körper» im Arsenal

Von Bert Rebhandl

© Filmgalerie 451

 

«Ich bin nicht ich, ich tu nur so», sagt Sarah Kulmbacher, eine Dame im vorgerücktem Alter, von der Peter Kern in seinem neuen Film Sarah und Sarah bis zu einem gewissen Grad offen lässt, ob sie nicht an einer Demenz aus freier Wahl leidet. Zwar klagt sie über die körperlichen Symptome (dass sie sich nachts anscheißt, ist ihr nicht recht), aber sie scheint die Freiheit der ungehörigen Rede zu genießen. «Adolf Hitler ist überall.» Sarah Kulmbacher war früher einmal an Propagandafilmen für die Nazis beteiligt, nun ist sie betreuungsbedürftig, und das österreichische Fernsehen ist hinter ihr her.

Ein eher gedankenlos geäußerter Reportersatz enthält doch eine große Wahrheit: Menschen ziehen sich auf das Wesentliche zurück. Das Wesentliche ist in diesem Fall der faltige Körper von Traute Furthner, die 1985 eine kleine Rolle in Valie Exports Die Praxis der Liebe hatte und 2007 in Peter Kerns Die toten Körper der Lebenden als «Altstar» auftauchte. In Sarah und Sarah ist sie so etwas wie eine Lichtgestalt, die einer zweiten Sarah den Weg weist. Diese Sarah ist ein krebskranker Junge, der nur noch wenige Wochen zu leben hat, und der, nachdem die wackere, aber dem Flachmann ergebene Betreuerin Mizzi Brenner (Margarethe Tiesel, bekannt aus Paradies: Liebe von Ulrich Seidl) nicht mehr kann, mit Sarah Kulmbacher in deren Wohnung zurückbleibt. Eine Wohnung, aus der die alte Sarah demnächst delogiert werden soll.

Abschied ist die Grundstimmung in Sarah und Sarah. Der Film sucht nach einem Weg ins Freie. Die Freiheit beginnt im im Böhmischen Prater mit Zuckerwatte und findet auf dem Mittelstreifen einer prominenten Wiener Ausfallsstraße eine passende Startbahn in die Filmtranszendenz. Peter Kern findet mit seinen unterfinanzierten Filmen auch eine Form von Freiheit. In Sarah und Sarah erzählt er von Krebs und Demenz, von einem unausgesprochenen Pakt der Leidenden gegen die «Exekutive» (Beamte, Medien), und er tut dies in einer Form, die mehrfach die ideologisierte Todessehnsucht der Nazifilme in Trauerarbeit aufhebt: durch die schwebende Kamera von Peter Roehsler, durch die fast schon durchsichtig ephemeren Schwarzweißbilder.

Dass dies alles bewusst geschieht, lässt Kern auch in den Credits erkennen: Er führt hier nicht Regie, er macht die Gesamtleitung, ein aus dem NS-Studiosystem (Spielleitung) eindeutig codierter Begriff, den Kern hier aber auf die Realitäten seines zutiefst persönlichen Filmemachens überträgt.

 

Sarah und Sarah wird am Freitag, 15.08., um 19.30 im Arsenal Berlin im Rahmen eines kleinen Tributes anlässlich des 65. Geburtstags von Peter Kern gezeigt: Schauplatz Körper, kuratiert von Toby Ashraf in Zusammenarbeit mit Filmgalerie 451. Peter Kern, Traute Furthner, Irm Hermann und Thomas Ballhausen werden als Gäste erwartet