spielfilm

28. Januar 2011

Tal der Wölfe Palästina

Von Bert Rebhandl

Sehr kurzfristig hat sich der Verleih Pera Film entschlossen, den für 27. Januar geplanten Start von Tal der Wölfe Palästina doch durchzuziehen. Am Dienstag war noch von einer Verschiebung die Rede gewesen, nachdem die FSK in Deutschland die Jugendfreigabe ab 16 nicht genehmigt hatte. Ich habe mir den Film am Starttag im Karli in Neukölln angesehen, in einer gut besuchten Spätvorstellung.

2006 hatte ich mich bei Tal der Wölfe Irak noch veranlasst gesehen, gegen dessen einfältige Kritiker einen differenzierten Standpunkt einzunehmen; neben den eindeutig antisemitischen Passagen gab es dort noch so etwas wie eine Realpolitik (im Actionmodus) angesichts eines westlichen Kriegs gegen den Terror, gegen den gerade nicht die Gewalt der türkischen Spezialagenten die Oberhand behalten sollte, sondern ein quietistischer Islam.

Bei Tal der Wölfe Palästina ist die Sache nun wesentlich eindeutiger: Das ist ein lupenreiner Propagandafilm, Preisklasse Jud Suess von Veit Harlan (ohne Vergewaltigung, aber mit unglaublich vielen individuell ausnehmbaren Tötungsszenen). Die Geschichte (es folgen jetzt unweigerlich zahlreiche «Spoiler») läuft auf eine große Bilderübertragung hinaus: Die gewaltsame Aufbringung eines türkischen Hilfsschiffes für die Bevölkerung des Gazastreifens durch die israelische Armee am 31. Mai 2010, mit der Tal der Wölfe Palästina beginnt, wird hier zu einem Bild des Besatzungsregimes, das Israel in den Gebieten ausübt, die 1967 annektiert wurden.

Wenn der türkische Agent Polat Alemdar zu Beginn einem israelischen Soldaten entgegnet, dass er nicht nach Israel gekommen sei, sondern nach Palästina, so ist von entscheidender Bedeutung, dass diese Szene in Ostjerusalem spielt. Die ganzen 105 Minuten hindurch wird dann sorgfältig darauf geachtet, dass es immer um das gegenwärtige Palästina (Filistin) geht, also um die von der palästinensischen Bevölkerung beanspruchten Gebiete, und nicht um das historische Filistin des osmanischen Reiches, das ja auch den Staat Israel innerhalb der Grenzen von 1948 umfassen würde.

Dieser bildet hier so etwas wie den methodischen blinden Fleck, in den all das eingetragen werden kann, was als die «Gewaltpolitik» und «Tyrannei» Israels dargestellt wird. Es sind im wesentlichen nur zwei Männer, die dafür einstehen, und beiden fehlt jedes Indiz für eigentliche Legitimität: Der Einsatzleiter und Waffenhändler Moshe Ben Elieser und der Gefängnisdirektor Avi lassen sich zu Beginn kurz einmal zu einer Vision von einem unbesiegbaren Groß-Israel («vom Euphrat bis zum Nil») hinreißen. Moshe, dem Polat Alemdar bald ein Auge wegschießt, sodass der danach eine Augenbinde tragen muss, die selbstverständlich direkt auf Moshe Dayan, den Helden von 1967 in Israel, hin kenntlich ist, ist nicht Israel, aber er ist der einzige, der in diesem Film für Israel spricht.

Den am deutlichsten propagandistischen Satz spricht der weißhaarige Avi aus. Er rechtfertigt die brutale Besatzungspolitik, für die das Planieren von Palästinenserhäusern das wichtigste Bild ist, so: «Tiere (Ratten) lernen nur durch Schmerz.» Die Implikationen sind eindeutig: Hier kehrt der nazistische (Ungeziefer-)Antisemitismus aus dem Mund eines Juden zurück, der nun in demselben Vokabular von den Palästinensern spricht – und damit selbst zum «Nazi» wird.

Konsequent entleert Tal der Wölfe Palästina alles, was ein konkretes Bild von Israel wäre, und ersetzt es durch ein einziges Zeichen: der allgegenwärtige Davidsstern in den militärischen Einrichtungen wird aus der Opferlogik des «Judensterns» herausgelöst und wird zum Herrschaftssignifikanten. Dagegen stehen auf der Seite der Palästinenser alle Bereiche des Familiären, die Frauen und Kindern, die das Martyrium vorleben, auf das sich der Gegenschlag durch Polat Alemdar & sein Team berufen kann.

Zwischen die Fronten stellen die Macher noch eine amerikanische Jüdin mit dem Familiennamen Levi, die im Verlauf der verschiedenen Schießereien endgültig die Seite wechselt. Sie identifiziert sich nun mit den Palästinensern, und dient zugleich als Exkulpierungsfigur, denn sie ist eine Idealjüdin, der jeder Gedanke an ein Gelobtes Land vergangen ist. Moshe Ben Elieser stirbt im Chaos der entfesselten endgültigen Intifada, auf die alles hinausläuft - eine palästinensische Selbstermächtigung von neo-osmanischen Gnaden.

Von Tal der Wölfe Palästina wird es auf unserer Seite keine Bilder geben. Der Film ist eine Schande für die Türkei, für das Kino, ein Akt der kinematographischen Aggression gegenüber Israel, und für das palästinesische Volk eine Zumutung, weil es sich gegen diese Vereinnahmung nicht wehren kann.