spielfilm

22. Juli 2013

Streusiedlung The Real Eighties (2): Mike's Murder (1984) von James Bridges

Von Bert Rebhandl

© Lado Company / Warner Bros.

 

Sex mit dem Tennislehrer, das ist eigentlich ein Klischee fast schon aus einem Emmanuelle-Film, und die ersten Szenen von Mike’s Murder sehen auch ein wenig danach aus: Debra Winger im weißen Leibchen, Mike legt seinen Arm um sie, um einen bestimmten Schwung zu demonstrieren; bald darauf sind sie schon im Bett miteinander. Doch die Geschichte will in eine andere Richtung. Mike ruft nicht an, die Zeit vergeht, de facto sind es drei Jahre, es gibt noch eine Verabredung, einen Tag lang wartet Betty auf ihn, doch er kommt nicht. Etwas ist geschehen. Mike wurde umgebracht, so sagt es ja auch schon der Filmtitel, der in der deutschen Fassung allerdings einen falschen Akzent legt: Wer Mike’s Mörder ist, ist nicht so sehr von Belang wie das, was der Mord an Mike (Mike’s Murder) auslöst.

Eine Suchbewegung quer durch Los Angeles, mit einer wunderbar verletzlichen Frau im Mittelpunkt (Debra Wingers Stimme, die immer wieder so ein wenig bricht, ist einmalig), und einem desparaten Kleindealer auf der Flucht. Markant, wie Bridges immer wieder genau auf die Zubereitung von Speisen schaut (da zwei Burger, hier ein Thunfischfilet), wie er Betty und ihre ältere Freundin Patty einmal bei Panchos mexikanisch essen lässt («another beer, Betty» – «sure»), noch markanter aber, wie er das Telefon (Festnetz, Telefonzellen, Anrufbeantworter – «one of those dumb machines», so hat es Betty auf ihre Ansage gesprochen) zum eigentlichen Motor des Dramas macht.

Der andere Motor befindet sich in jenem VW Golf mit Faltdach, in dem Betty auf den Spuren von Mike Chuhutsky, wohnhaft für eine Weile in einem Gebäude 1020 Granville in Brentwood, durch Los Angeles fährt. Die Stadt, in Ockertönen und Braun gehalten, wirkt wie eine Kombination aus einer gigantischen «gated community» und afrikanischer Streusiedlung; von manchen Parteien in dem Drogenkrieg, der da irgendwie vor sich geht, zeigt Bridges nur das Intercom vor der Haustür.

Betty geht weiter, sie schafft es bis in das Innere einer Villa, in der sie auf einen Mann in weißen Shorts, Tennissocken und Turnschuhen trifft, der ihr erklärt: «30 million Americans snort cocaine», doch es ist der von der Mafia bezahlten Moral Majoriy zu verdanken, dass die Gewinne aus dem Drogenhandel immer noch illegal und enorm sind (und dass kleine Loser wie Mike dabei draufzahlen). Der Mann in den Shorts heißt Randy, er trainiert für ein Casting bei den Chippendale's, und trägt seinem afroamerikanischen Freund Philippe den Cranberrysaft hinterher.

Betty wagt sich in diese Welt, denn ihre Alternativen (die Bank, in der sie arbeitet; der Kunstbetrieb, in dem sie einen Idioten namens Richard kennt, der medienkritisches Zeug daherlabert und bei seiner Eröffnung alles mitfilmt, was wiederum Bridges zu einer großartigen Multiscreen-Plansequenz nützt) sind uninteressant. Doch am Ende könnte einer der Sätze, den Richard so von sich gibt, auch für Mike’s Murder gelten: «the ephemeral ist the eternal».

Ein fast vergessener Film, auf den der Projekttitel tatsächlich zutrifft, in dessen Zusammenhang er heute noch einmal zu sehen ist: The Real Eighties. Übrigens auch, was den Soundtrack anlangt: The Tubes, Devo, The Stray Cats, The B-52s, und das tolle Without You von Chaz Jankel.

Mike's Murder (James Bridges, 1984) heute, 21. Juli 2013, um 20.00 im Arsenal in Berlin