spielfilm

27. Juli 2009

Regierungsnah Faustische Pakte

Von Ekkehard Knörer

Zwei Projekte, die auf den ersten Blick wenig miteinander gemeinsam haben. Auf den zweiten aber sieht man, dass es um zwei Filmemacher geh, die unter den Bedingungen lupenreiner Volks- und anderer Demokratie Großes leisten wollen:

FAUST

Alexander Sokurov dreht in Island, Tschechien, Deutschland und im Vatikan einen Faust. Mit Hannah Schygulla. Gedacht als vierter und letzter Teil seiner Tetralogie der Politik auf problematische Weise verfallener Männer (Moloch: Hitler, Taurus: Lenin, The Sun: Hirohito). Keine Goethe- oder Thomas-Mann-Verfilmung, aber ein Werk, das auf den Mythos und seine literarischen Ausgestaltungen Bezug nimmt. Dass das ganze als Allegorie auf den Künstler gemeint ist, der seine Seele einem Mephisto namens Vladimir verkauft, ist eher nicht anzunehmen.

Wäre aber wohl angebracht. Der einst im eher Obskuren arbeitende Sokurov ist inzwischen tatsächlich zum Staatsregisseur aufgestiegen, was man am atemberaubenden Budget von 10,9 Millionen Dollar merkt. Und das mit dem Staatsregisseur ist keine Redensart, denn ausdrücklich ist in der Meldung von «Putin's fervent blessing» für das Projekt die Rede. Eine mit Sicherheit geldwerte Begeisterung, denn im Westen eher unbeachtet hat sich Vladimir Putin seit Ende letzten Jahres die massive Förderung der russischen Filmindustrie auf die Fahnen geschrieben. Sehr konkret: Er ist Vorsitzender der Regierungskommission zur Förderung der heimischen Kinematografie, die als Propagandaabteilung zu bezeichnen sicher kein Fehler ist. (Variety berichtete, via karinalongworthtwitter.Mehr hier und hier.  Wer sich ansehen will, wie neue russische Propagandafilme aussehen, kann sich bei der 20-Millionen-Dollar-Nostalgie-Produktion Admiral übrigens ein Youtube-Bild davon machen. )

 

IN THE QING DYNASTY

Über Jia Zhang-kes hasenfüßigen Rückzug vom Festival in Melbourne hatten wir berichtet. Er war dem Auftreten der uigurischen Widerstandskämpferin Rebiya Kadeer geschuldet. In wenig zweideutiger Weise war seiner Erklärung zu entnehmen, dass er keine Lust hat, es sich mit seinen chinesischen Geldgebern zu verderben. Inzwischen ist auch klarer, was das wiederum konkret zu bedeuten hat.

Jia, einst der wichtigste Underground-Regisseur des Landes, hat nämlich seinen ersten Kung-Fu-Blockbuster-Film angekündigt. Kein Witz: In the Qing Dynasty wird ein Historienfilm. Genaue Zahlen zum Budget gibt es noch nicht, aber davon, dass eine ganze historische Stadt nachgebaut wird, ist bereits die Rede, das gibt eine Ahnung von den Dimensionen. Produzieren wird übrigens Johnnie To, auch er inzwischen einer der wichtigen Player in der sich formierenden, Hongkong und Festlandchina gemeinsam umgreifenden panchinesischen Filmlandschaft. (Mehr dazu in unserem Star System zu John Woos Red Cliff in cargo #2.)

Finanziert wird das ganze von Hongkong aus, und zwar über die Firma Media Asia, die anspruchsvolle Mainstream-Filme produziert, aber über ein Verleih-Joint-Venture auch eng mit der höchst einflussreichen staatlichen chinesischen Filmproduktionsfirma China Film Group verbandelt ist. Jia versichert, dass er nicht den Weg des Zhang Yimou in Richtung Staatsfrömmigkeit gehen möchte: «I decided to make a commercial film because I want to change the status quo — to infuse a more humanistic message besides commercial elements.» Es gibt freilich keinen Grund, nicht äußerst skeptisch zu sein.