spielfilm

29. April 2010

Pro Dutschke Haltungsfragen

Von Ekkehard Knörer

Kaum jemand hat ihn gesehen, aber Dutschke von Stefan Krohmer und Daniel Nocke, der am Dienstag gegen die Bayern antrat, war gar nicht schlecht, war mit ziemlicher Sicherheit die beste aller teamworx-Produktionen, wozu jetzt allerdings nicht viel gehört. Eine Dokufiktion, aber Film nutzt das dokufiktionale Format nur auf den ersten Blick ganz ähnlich wie Breloer. Anders als Breloer, der die Spielszenen und die Talking Heads einander tendenziell stützen und auf eine einzige Wahrheitsversion zielen lässt, bringt Krohmer die Interviews untereinander und dann auch die Spielszenenbilder noch einmal in andere als einheitliche Stellung zueinander.

Es wird nie kriegerisch, was erstens daran liegt, dass Gaston Salvatore und Bernd Rabehl nicht direkt aufeinander losgelassen werden; wie Rabehl, die rechte Sau, Salvatore immer nur als Chauffeur tituliert, hat etwas auf Dauer freilich fast erheiternd Absurdes. Es liegt aber überhaupt eine Sanftheit über dem Film, die zum Gegenstand (Leidenschaft, Glaube, Hass, Mord und Totschlag) auf den ersten Blick gar nicht passen will. Diese Sanftheit ist Krohmers und Nockes Eigenart, nicht nur in diesem Film, und ich muss sagen, dass ich sie grundsätzlich mag. Vielleicht eine Spur zu hippiesk in der Haltung fürs studentenbewegte deutsche Volk; es ist aber doch immer auch eine Klarheit im Blick, im Gegeneinanderschneiden der Positionen, eine Klarheit, die durchaus etwas mit dem Aushalten von Widerspruch zu tun hat. Eine Rücknahme eher als der Verzicht auf einen eigenen Standpunkt. Krohmer und Nocke wählen eine Form von kluger Zurückhaltung, vor deren Hintergrund die Figuren umso deutlicher agieren. 

Das gilt nicht nur auf der Ebene der Gesamtkomposition. Auch die Schauspielerführung funktioniert ähnlich; nie wird outriert, stets eher nur hingestellt als mit dem Hinstellen gleich noch etwas behauptet. Irgendwo zwischen behaupteter So-war's-Wirklichkeit und Verfremdungseffekt: in dieser Mitte liegt stets die Krohmer-Ästhetik, einer Mitte also auch zwischen, sagen wir, Nico Hofmann und Berliner Schule und weil die Mitte immer, aber nicht immer zu recht, als uncool gilt (dabei ist sie oft das, was am schwersten auszuhalten ist und von wo man dann doch am nächsten an widerstreitenden Positionen steht), gelten Krohmer und Nocke oft nicht recht viel.

Die Mittelposition, die Dutschke (der Film) impliziert, ist nicht nur eine der Offenheit für verschiedene Seiten. Sie verhält sich etwa auch zur Haltung eines Claudius Seidl, der als talking head ein paar Mal zu Wort kommt, diametral. Er ist ein beinharter Ideologe der Ironie und damit einer Meta-Positionalität, die sich zwar in Äquisdistanz zu anderen Haltungen wähnt, in Wahrheit aber einfach zerfressen ist von einer Unfähigkeit, etwas auf der Welt außer der Ironie ernst zu nehmen. Überzeugungs- und haltungslos ist Claudius Seidl - und damit das Gegenteil natürlich von Dutschke. Im Seidl-Relief wird aber umso klarer, wie offen und interessiert Krohmer und Nocke sind, offen dafür jedenfalls, Überzeugungen gelten zu lassen, oder jedenfalls das Geltenlassen von Überzeugungen für eine Option zu halten, ohne immer gleich dazusagen zu müssen, dass der Ironie aber auch gar nichts standhält.