spielfilm

1. Februar 2013

La Culandrona Entdeckung in Wien: Sandra Milo in La Visita (1963) von Antonio Pietrangeli

Von Bert Rebhandl

© Centro Cinema Città di Cesena

 

Die tolle, an diesem Wochenende zu Ende gehende Retrospektive zu Antonio Pietrangeli und Valerio Zurlini im Österreichischen Filmmuseum habe ich in Berlin wo gut wie möglich mit Hilfe von DVDs und Files zu simulieren versucht. Dabei konnte ich eine ganze Reihe von Entdeckungen machen, von denen ich eine hervorheben möchte: La Visita von Pietrangeli aus dem Jahr 1963. Eine Begegnung in einem Land, das noch tief in den traditionellen Beziehungsvorstellungen verhaftet ist, sich aber allmählich an andere gewöhnen muss. Pina, eine alleinstehende Frau von 36 Jahren, hat eine Kontaktanzeige aufgegeben. Adolfo hat sich gemeldet, und ein Bild beigelegt, auf dem er in Badehose an einem Strand zu sehen ist. Das hat Eindruck hinterlassen, und so wird er zu Beginn des Films auf dem Bahnhof erwartet. Er kommt aus Rom nach San Benedetto am Po, um einen Tag mit Pina zu verbringen. Dann wird man weitersehen.

Bald stellt sich heraus, dass Adolfo, ein ältlicher Buchhändler, mit seinem Bild eine falsche Fährte gelegt hat. Er ist vielleicht gar nicht so verwegen, wie Pina das vielleicht hineinlesen wollte. Er trinkt zu schnell zu viel, er ist ein wenig zu lüstern (Pina hat eine Nichte, die ein paar Lolita-Momente hat), er ist von der Arroganz der Römer nicht frei, und er macht gedankenlose Bemerkungen, die Pina argwöhnisch werden lassen: Ist dieser Mann, der sich vorstellt, wie ihm im Urlaub ein Afrikaner Luft zufächelt, am Ende ein Rassist? Die einfache Frau vom Land, als die Pietrangeli uns die Protagonistin davor gezeigt hatte, gibt hier zu erkennen, dass sie mit der Bürgerrechtsbewegung in den USA sympathisiert.

Und damit ist der Grundton des Films deklariert: Es geht darum, wie diese Pina, die von den Leuten im Ort (auf dem Bild oben vertreten durch Mario Adorf) liebevoll «la culandrona» genannt wird (also so viel wie: «die mit dem Arsch», wegen ihres tatsächlich auffälligen Hüftumfangs), mit viel emotionaler Intelligenz den tendenziell lächerlichen Galan aus der großen Stadt durch den Tag navigiert und ihm dabei die ganz große Peinlichkeit immer erspart. Sandra Milo, die ich davor nicht bewusst kannte (meine Erinnerung an Otto e mezzo, wo sie die dritte weibliche Hauptrolle hat, ist trübe), ist eine absolute Entdeckung, sie hat etwas von einer italienischen Barbara Stanwyck, aber eben non fatale.

La Visita markiert einen Moment, in dem das Melodram sich von den großen Gefühlen emanzipiert, und so praktisch wird, wie es das moderne Leben verlangt (die vielen praktischen Dinge, mit denen Pina sich umgibt, und mit denen Adolfo ein wenig tumben Slapstick veranstaltet, zeugen davon). Das Begehren, das dabei ungestillt bleibt (und sich notfalls mit schwachen Freuden bescheiden muss), durchwirkt Pietrangelis Film mit einer sanften Intensität.

La Visita – heute, Freitag, 1. Februar 2013, um 18.30h im Österreichischen Filmmuseum Wien