werner hochbaum

12. Dezember 2013

Zwei Welten (1929) Hochbaum sichten (II)

Von Ekkehard Knörer

© Ufa

 

Zwei Welten ist ein Wahlkampffilm für die die SPD zur Reichstagswahl 1930. Er ist nur etwa zwanzig Minuten lang, aber eine interessante Variation (oder Funktionalisierung) von Brüder. Der Klassenkonflikt, der im Spielfilm als Streik narrativiert wird – Hafenarbeiter gegen Obrigkeit –, erstarrt in Zwei Welten zur Propagandamontage. Nichts wird durch Erzählung verbunden und individualisiert, die Welt der Arbeitssuchenden und die Welt der leisure class stehen in aller Deutlichkeit und Überdeutlichkeit gegeneinander: Tennisspiel versus Heer der Arbeitslosen, Champagnertrinken und Golf gegen Armut und Hunger.

Einzelne Szenen tendieren, wie schematisch auch immer sie angelegt sind, in ihrer Lust am Detail aber doch in Richtung Fiktion. Genüsslich malt der Film die Karikatur eines Nazis, der sich die Orden an die Brust heftet, der vor einer lasziv im wallenden Morgenkleid da liegenden Frau paradiert, die Hakenkreuzbinde am Arm.

Hochbaum hat sichtlich von der sowjetischen Filmpropaganda gelernt, die Kontrastmontagen sind effektvoll. Produktionstechnisch verfährt er freilich pragmatisch: Für die Szenen der Armut wird das Material aus Brüder einfach wiederverwendet. Dieselbe Familie, derselbe leere Eimer, dieselbe Frau mit Tuberkulose im Bett, dieselben Hände, dieselbe Kuckucksuhr, derselbe letzte Rest Geldes - nun aber des individuellen Schicksals entkleidet, Figuren als Chiffre, obwohl man den Szenen die Herkunft aus einer (ihrerseits schematisierenden) Fiktion durchaus noch anmerkt: So sieht Bedürftigkeit aus.

Und natürlich: Kein Streik mehr, in diese Lücke, an dessen Stelle treten die lautstarken Zwischentitel, die sich gegen die Kapitalisten empören, und treten vor allem die Aufrufe, dem Einhalt zu gebieten durch die Wahl der Sozialdemokraten. Dabei gibt es kein Vertun: Nicht das Wir entscheidet, sondern das Du.

In Brüder wird einmal die Faust an der Seite geballt, Minimalallegorie des Streiks, Zusammennehmen der Kraft der Arbeiterschaft. Der Anführer des Streiks legte im Spielfilm seine Hand auf die Faust des Freundes, begütigte sie (ihn), die Faust löste sich, formte sich zurück zur offenen Hand. (Es ist berührend zu sehen, dass diese Glättung nicht ganz gelingen kann, weil die reale Hand des realen Arbeiters gekrümmt und verkrampft ist. Genau so interagieren die Allegorie/Narration und das Reale in Brüder.) Wenn das verzweifelt ergebnislose Ballen und einsichtsergebene Lösen der Hand narrativierte Sozialdemokratie ist, dann ist die aggressive Adressierung in der informellen zweiten Person ihr Imperativmodus. Es bleibt nur die Frage, ob Hochbaum die Hände liebt (und nicht den Kopf; also auch die Handarbeit der Montage), weil er Sozialdemokrat ist. Oder ob er so gut zur Sozialdemokratie passt, weil er nun einmal ein Liebhaber der menschlichen Hand ist.