torino film festival 2017

27. November 2017

Torino 2017

Von Fabian Tietke

Tag 6

THE WHITE GIRL (Hongkong 2017), Jenny Suen und Christopher Doyle; DCP, Reposi 2

Ein dreiköpfiger Trupp scheinbarer Touristen bedroht die Austernfischer eines kleinen Fischerdorfs in ihrer Existenz. Unter den roten Baseballkäppis verbergen sich nämlich Investoren auf der Suche nach der nächsten Geldanlage. Diese – so versucht ihnen der korrupt-mafiose Dorfvorsteher einzureden – besteht darin, das Dorf platt zu machen und mit viel Beton eine Mall mit Delphinbecken aus dem Boden zu stampfen. Die Pläne werden durchkreuzt von einem zusammengewürfelten Grüppchen von Outcasts: ein japanischer Aussteiger, der in einer Ruine wohnt; ein junges Mädchen, deren Vater ihr eingeredet hat, ihre Mutter sei an zu viel Sonne gestorben und die deshalb immer mit Hut, Sonnencreme und Sonnenbrille vor die Tür tritt; ein Kind, das Austern fischt und Schrott sammelt, den er zu einem buddhistischen Mönch bringt, der schweigsam mechanische Apparate ohne  Zweck aus ihnen bastelt.

Suen und Doyle hatten wohl einen Film im Sinn, bei dem sie Zwecklosigkeit und Geschichte Hongkongs gegen den vom Festland reimportierten Kapitalismuswahn ins Feld führen. Doch die enervierende Art mit der Christopher Doyle wieder und wieder vorführen muss, was für hübsche Postkartenbilder er drehen kann, lässt den Film nicht wirklich zu sich selbst kommen.

Tag 5

PAYDAY (USA 1973), Daryl Duke; Videodatei, Massimo 3

Ein einziges Mal findet Daryl Duke generischer Schwulst um den unausstehlichen, drittklassigen Countrysänger Maury Dann auf Tour zu sich selbst, doch diese eine Szene lohnt den ganzen Film: als Dann seine Ehefrau und Kinder auf dem flachen Land im Süden der USA besucht, lässt er das Groupie mit dem er auf der Fahrt poussiert, mit seinem Fahrer im Auto zurück. Der Smalltalk führt die beiden schnell aufs Kochen: mit leuchtenden Augen beginnt der Fahrer dem Groupie, das mit McDonald's-Essen aufgewachsen ist, von seinen Omelettekünsten vorzuschwärmen. Für ein gutes Omelette brauche es eine gute Pfanne. Die zückt der korpulente Mann sogleich unterm Fahrersitz hervor – eine vom Braten schwarz gewordene Eisenpfanne, die sichtlich Teil seines Lebens ist. Zaghaft fragt das Groupie, ob er es schon mal mit einer antihaftbeschichteten Pfanne versucht habe und schiebt nach, dass sich die zuhause im heimischen Kleinladen immer gut verkauft hätten. Die meisten Menschen können halt nicht kochen, versetzt der Fahrer und beendet das Gespräch. Nach diesem Kleinod von Szene verfällt der Film wieder in routinierten Trott von dem einen erst der Tod des Protagonisten (Zahltag – Sie wissen schon) schließlich erlöst.

Tag 4

BAMY (Japan 2017), Jun Tanaka; DCP, Reposi 2

Eine Fahrstuhlfahrt ein Hochhaus hinunter. Auf halbem Weg driftet ein roter Regenschirm aufgespannt langsam durch die Luft. Draußen fällt der Regenschirm zwischen die junge Fumiko Tashiro und ihren vergessenen Schulfreund Ryota Saeki. Die beiden werden ein Paar. Doch Ryota kommt nicht zur Ruhe, für ihn ist die Umgebung von Geistern belebt. Seine scheinbar unerklärlichen Handlungen und Stimmungsschwankungen lassen die geplante Hochzeit der beiden schließlich scheitern und alles Ankämpfen gegen die Geister hilft nicht.

Geistergeschichten sind in Japan wie in China zentraler Bestandteil der Filmgeschichte. Jun Tanaka hat mit minimalstem Budget einen interessanten Versuch gemacht, dieses Genre für die Gegenwart zu erneuern. Herausgekommen ist ein Alltagsdrama über die Unmöglichkeit, sich der eigenen Wahrnehmung zu entziehen. Man sieht dem Film seine Entstehungsbedingungen an. Das ist jedoch zu keiner Zeit ein Manko: die schlichten Bilder sind gerade wegen des auch visuellen Aufeinandertreffens einer realen Welt ohne Kulissen mit einer künstlichen Geisterwelt beinahe magisch.

Tag 3

MARY SHELLEY (USA 2017) Haifaa Al Mansour; DCP, Classico

Das US-Kino scheint inmitten einer neuen Welle von Herstory-Filmen, die historische Frauengestalten für die Gegenwart wiederentdecken (man möge etwa an HIDDEN FIGURES über eine Gruppe schwarzer NASA-Pionierinnen denken). Nach der etwas arg süßlich geratenen deutsch-saudischen Koproduktion DAS MÄDCHEN WADJDA hat sich die saudische Regisseurin Haifaa Al Mansour einem Biopic der Frankenstein-Autorin Mary Shelley zugewandt.

Als der Vater Marys (damals noch Wollstonecraft Godwin) nach einem Disput mit der Stiefmutter nach Schottland verfrachtet wird, verliebt sich die 16-jährige Hals über Kopf in den aufstrebenden Dichter Percy Shelley. Nach London zurückgekehrt, sieht Mary Percy Shelley wieder, als er sich als Assistent bei ihrem Vater, dem Philosophen William Godwin, andient. Mary brennt mit Percy Shelley durch, nimmt ihre Schwester, die sie nicht zurücklassen will, mit und findet sich wenig später schwanger in einer ungewollten ménage à trois wieder.

Al Mansour erzählt die reizvolle Geschichte der Liebe zwischen Mary Wollstonecraft Godwin und Percy Shelley und der Affäre zwischen Marys Schwester Claire und Lord Byron nicht ohne Längen. Bisweilen ist das Drehbuch verworrener als nötig und verliert immer wieder Figuren aus den Augen. Wie schon in DAS MÄDCHEN WADJDA liefert Al Mansour beeindruckende Bilder, kann sich aber nicht wirklich von einer schwülstig-schwerfälligen Erzählweise lösen. Glücklicherweise ist die Biographie Mary Shelleys und die Entstehungsgeschichte von Frankenstein spektakulär genug, um über die Schwächen der Inszenierung hinwegzutrösten.

TAEKSI WOONJUNSA (A Taxi Driver) (Südkorea 2017) Hoon Jang; DCP, Massimo 1

Beim Blick auf das Regime in Nordkorea gerät in Vergessenheit, dass der Süden Koreas lange (und nur mit einer kurzen demokratischen Unterbrechung) von einer faschistoide Militärdiktatur beherrscht wurde. Regisseur Hoon Jang greift in TAEKSI WOONJUNSA eine Geschichte aus der Transition von der Herrschaft Park Chung-hees zu Chun Doo-hwan auf. Im Mai 1980 kommt es zu Protesten gegen den Putsch, der Chun Doo-hwan an die Macht brachte. Vor allem die Stadt Gwangju im Süden ist Fokus der Proteste. Bei Massakern der Regierung sterben über 600 Menschen, während die offiziellen Medien von marodierenden Gangstern sprechen.

Hoon Jang rekonstruiert nicht nur das Massaker selbst, sondern die einzigen Filmaufnahmen, die von diesem entstanden. Der ARD-Journalist Jürgen Hinzpeter fährt im Mai 1980 – angelockt von der Aussicht auf exklusive Aufnahmen – von Japan nach Seoul und versucht sich von dort nach Gwangju durchzuschlagen. Ein Kontakt vor Ort vermittelt Hinzpeter an einen Taxifahrer. Doch statt des Fahrers, den er für die Fahrt kontaktiert hatte, erscheint ein Kollege, der von der üppigen Bezahlung gehört hat, aber keine Ahnung hat, worauf er sich einlässt.

Das Massaker in Gwangju ist heute Teil der offiziellen Gedenkkultur in Südkorea. Das neue an Hoon Jangs Film ist der Fokus auf die Rolle Jürgen Hinzpeters, der im Januar letzten Jahres gestorben ist.  TAEKSI WOONJUNSA ist eine solide Rekonstruktion der Ereignisse und der Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der Filmaufnahmen Hinzpeters. Während der unbedarfte Taxifahrer für einige aberwitzige Lacher sorgt, inszeniert der Film die Ereignisse des Massakers gekonnt als Actionfilm. Dass er dabei in einigen Szenen ins Pathetische kippt, ist dramaturgisch beinahe konsequent. TAEKSI WOONJUNSA ist kein reflektierender nachdenklicher Film, sondern ein staatstragendes Monument für ein Massaker, einen Journalisten, der seinen Hals riskiert hat und eine Gruppe Taxifahrer, die über sich hinauswächst.

Tag 2

Va piano ma vinci (I 2017) Alice Filippi, Reposi 5

Unter den Kinos des Festivals ist das Reposi nicht nur das größte, sondern auch das abgerockteste. Ein Multiplex, das nicht nur 90er-Jahre-mäßig aussieht, sondern in dem die Luft durch die abgenubbelten Teppich immer etwas stickig ist und dessen Management immer just zum Festival in den Urlaub zu fahren scheint.

Vor ein paar Jahren nutzte das Festival den kleinsten Saal für Zweitretros mit Perlen des italienischen Kinos (immer ohne Untertitel). Jetzt ist er Spielort für Nebenreihen. Morgens laufen hier gerne die auch in Italien eher generischen zeitgeschichtlichen Dokumentationen. Letztes Jahr etwa Filme zur Rolle von Frauen in der Resistenza, dieses Mal unter anderem Alice Filippis Dokumentarfilm 78 - VA PIANO MA VINCI (dt. Übersetzung: Mach langsam, aber gewinn) über einen Entführungsfall mitten in den «Bleiernen Jahren» (den Jahren der brutalen politischen Kämpfe der späten 1970er Jahre). Anders als früher sind diese Vorführungen mäßig besucht – und wenn, dann liegt der Altersdurchschnitt eher über 50.

Der Sohn eines Kleinindustriellen, Pier Felice Filippi, wird im Sommer 1978 von der 'ndrangheta entführt, um Lösegeld zu erpressen. Dessen Tochter hat aus der Geschichte einen Film gemacht. Aus der üblichen Kombination von Zeitzeugeninterviews und Reenactments stellt Alice Filippi einen insgesamt eher uninspirierten Film zusammen. Zwei Dinge machen ihn aber doch noch halbwegs erträglich: erstens ist die Geschichte der Entführung tatsächlich beeindruckend, weil diese mit einer Selbstbefreiung endete, die Pier Felice Filippi akribisch vorbereitet hat; und zweitens, weil die Mitschnitte der Telefonate des Vaters Pier Felice Filippis mit den Entführern einen bemerkenswert souveränen Verhandler zeigen.

GET TO KNOW YOUR RABBIT (USA 1972) Brian De Palma, 35mm, Massimo 3

Seltsamer und brillanter wird es in der US-Komödie der 1970er Jahre nicht, außer vielleicht mit Robert Altmans zwei Jahre zuvor entstandener, ebenfalls nicht unskuriller Kifferkomödie BREWSTER McCLOUD: Donald, ein junger Manager in Los Angeles, plant den Ausstieg aus der Karriere, um sich von einem gescheiterten, dauerhaft betrunkenen Magier (großartig: Orson Welles) zum Stepptanzzauberer ausbilden zu lassen. Währenddessen versucht sein Ex-Chef wieder und wieder, ihn von der Kündigung abzubringen. Auf dem Weg zum ersten Engagement sammelt Donald den unterdessen in die Obdachlosigkeit gefallenen Ex-Chef am Busbahnhof auf, quartiert diesen in seinem billigen Hotelzimmer ein und fährt zu einem Engagement. Als er wiederkommt, hat der Ex-Chef aus der Magier-Ausstiegsidee eine teure Erholungsmöglichkeit für Manager gemacht. Die Wände des Hotelzimmers werden in dauernder Expansion immer weiter eingerissen. Ein Film, der die aberwitzige Handlung mit noch aberwitzigeren Bildern vorantreibt und hemmungslos in Vorstellungen der Managementwelt schwelgt. Wie sagt Donalds Zimmernachbar: «I get carried away by my fixations»

RICCARDO VA ALL'INFERNO (I 2017) Roberta Torre, DCP, Massimo 1

Eine Richard III-Adaption zwischen queerem Fetisch-Musical, 1980er Dekadenzendzeitästhetik und Ludwig-II-Neuschwansteinschwulst. Roberta Torre hat sich seit den 1990er Jahren zu einer der interessantesten Regisseurinnen Italiens entwickelt. In Mailand geboren, hat sie in Süditalien (oft mit Laiendarstellern) eine Mischkalkulation aus Dokufiktion und barocker Schwelgerei voll schrägem Humor entwickelt, die ihresgleichen sucht.

Riccardo (Richard) wird zu Beginn aus einer Irrenanstalt entlassen, die dem 19. Jahrhundert zu entstammen scheint. Er kehrt auf das Anwesen seiner Familie zurück, lebt aber zunächst zurückgezogen in einer Unterwelt, die er mit ehemaligen Insassen der Irrenanstalt, die ihm treu ergeben sind, teilt. Dann beginnt er seine Familie umzubringen, ein MItglied nach dem anderen.

Torres Shakespeare-Adaption erfreut sich an der Inszenierung männlicher wie weiblicher Körper. Die Besetzung Riccardos mit dem in Neapel geborenen Sänger und Schauspieler Massimo Ranieri erweist sich dabei als Glücksfall. Ranieri überflügelt das Korsett des geschundenen Körpers Riccardos und verleiht dem Narzissten aus enttäuschter Liebe beinahe zärtliche Züge.

RICCARDO VA ALL'INFERNO ist von einer spielerischen Bildgewalt, die zugleich an Derek Jarman und Luchino Visconti erinnert. Ein Film, der auf diesem Festival und in diesem Jahr wohl nicht mehr übertroffen wird.

Tag 1

CASUALTIES OF WAR (USA 1989), Brian De Palma, 35mm, Massimo 3

Unter Programmgestaltern zieht man sich mit Retrospektiven zu «großen Regisseuren» (alten, männlichen, weißen zumal) eher Spott zu ob der konventionellen Darbietungsform. In der italienischen Cinephilie sind diese Reihen aber nie aus der Mode gekommen. Sich wieder und wieder den «maestri» zuzuwenden ist hier Selbstversicherung für Cinephile, kulturpolitische Strategie und Bewahrung des Kanons zugleich.

Wie wichtig letzteres bei aller Kritik an Kanonisierungsstrategien ist, zeigt der Vergleich mit Deutschland: dort sind große Teile der Filmgeschichte aus finanziellen und konzeptuellen Gründen nicht nur aus dem Fernsehen verschwunden, sondern zunehmend auch aus den Kinos. Ein weiterer Punkt für Regisseur_innen-Retrospektiven: in Zeiten des Umbruch vom Analogen zum Digitalen sind solche Vorführungen auch immer schöne (und nicht selten vielleicht eine der letzten) Gelegenheiten, Filme wie die von Brian de Palma noch einmal so zu sehen, wie sie gedacht sind.

CASUALTIES OF WAR greift eines der heute bekanntesten Kriegsverbrechen der US-Armee im Vietnamkrieg auf: eine kleine Einheit von US-Soldaten entführt eine junge Frau aus einem vietnamesischen Dorf, um sie als Sexsklavin mit auf Patrouille zu nehmen. Nur einer der Soldaten weigert sich entsetzt, mitzumachen und sucht nach Wegen, der jungen Frau zu helfen.

De Palma lässt den Film mit einer Alltagsszene beginnen: einer Bahnfahrt. Eine junge Frau steigt ein und ein bislang vor sich hin dösender junger Mann kann sich immer weniger zurückhalten, sie anzustarren. Die Rekonstruktion der Ereignisse in Vietnam wird in einer langen Rückblende erzählt.

Keiner der besten Filme de Palmas. Mit der Geste authentischer Rekonstruktion verbietet er sich selbst einen halbwegs freien Umgang mit der Geschichte. Dabei hätte man sich als Zuschauer nach der Einblendung zu Beginn (derzufolge der Film auf einer wahren Begebenheit beruht) und dem anschließenden Sprung in die Bahn auch einen Film wie Walter Hills SOUTHERN COMFORT vorstellen können (Hills Film zeigt eine aus dem Ruder laufende Übung von Nationalgardisten im Süden der USA). Stattdessen darf Michael J. Fox als Protagonist das Verhalten seiner Kollegen mit seinen Idealvorstellungen der US-Armee im Allgemeinen und des Vietnamkriegs im Besonderen abgleichen, was CASUALTIES OF WAR bisweilen etwas staatstragend macht. Überdies soßt Ennio Morricone einige Szenen dieser Szenen ziemlich zu.

Auch wenn CASUALTIES OF WAR alles in allem kein großer Film ist, ist es dennoch irgendwie umwerfend, dass de Palma ihn gemacht hat. Welches Land kann schon von sich sagen, die Filme über die eigenen Kriegsverbrechen so zeitnah zu den Ereignissen und gleich selbst zu drehen. Und welcher Regisseur kann von sich behaupten, gleich zwei solcher Filme gemacht zu haben. (der zweite – deutlich bessere – wäre im Anschluss im gleichen Kino gelaufen).

Die meisten Kinos, wie überhaupt große Teile der Innenstadt sind durch überdachte Galerien miteinander verbunden – was angesichts des notorisch hohen Niederschlags in Turin auch bitter nötig ist. Obwohl die Stadt eine U-Bahn hat und es in dieser Woche nachts unter Null ist, sind die Ecken der Galeriebögen von Obdachlosen bewohnt, die sich so gut es geht gegen die Kälte schützen. Zwischen einem Café und dem Kino Classico, in dem die Pressevorführungen stattfinden, hat sich eine obdachlose Person mit Decken und Matratze niedergelassen.

NAPALM (F 2017), Claude Lanzmann, DCP, Classico

Ein seltsames Alterswerk ist dieser Film: Lanzmann reist nach China, dann nach Nordkorea, um die fast 60 Jahre alte Geschichte einer Affäre zu erzählen. Das schält sich immer mehr als Kern des Films heraus, der zu Beginn – dem Anschein nach – ein Film über Nordkorea und seine Geschichte sein will.

Drei Mal war Claude Lanzmann in Nordkorea: 1958, 2004 und 2015. Der letzten Besuch ist der Ausgangspunkt von Napalm, der erste der Fluchtpunkt. Nach einer Einleitung mit einer Sequenz zu zwei Monumentalstatuen von Kim Il Sung und Kim Jong Il und einigen Besichtigungsterminen, bei denen sich Lanzmann beim Schäkern mit jungen Nordkoreanerinnen zeigt, folgen irgendwann einige Sequenzen, in denen Lanzmann seine Erzählungen direkt in die Kamera spricht. Eine Begegnung mit einer jungen attraktiven Krankenschwester während des ersten Besuchs in Nordkorea 1958. Wie die Aufnahmen von den Besuchsterminen ist die Geschichte durchtränkt von Machismen, aber dennoch gut erzählt, nur selten droht die Sinnlichkeit zu kippen.

Die Schwester sollte Lanzmann damals eine Reihe von Vitamin-B12-Spritzen setzen – gegen dessen Erschöpfung durch die strikt durchgetaktete Delegationsreise. Die Anziehung zwischen den beiden war laut Lanzmann fühlbar. Ein Termin, den die Schwester alleine wahrnimmt, führt schließlich zu einer Verabredung zum Bootsfahren zu zweit. Danach herrscht «Alarmstufe rot bei den Käppchen» - «Käppchen» so nennt Lanzmann die nordkoreanischen Offiziellen.

Der Film funktioniert nicht. Der allgemeine politisch-historische Anfang und die persönliche Erinnerung fügen sich nicht recht zu einem Film und NAPALM (der Film heißt wohl so, weil die Krankenschwester Lanzmann beim Bootsfahren ihre Napalmverletzungen zeigt und er sie vermutlich auch als Sinnbild für die Verheerungen des Napalmeinsatzes im Koreakrieg sieht) bleibt weit hinter den übrigen Filmen Lanzmanns zurück.

Danach blieb nur, den Nachtportier erschöpft zu verwirren, indem ich meine Berliner Postleitzahl zunächst als Zimmernummer nenne.