locarno 2017

15. August 2017

Locarno 2017

Von Lukas Foerster

Mrs. Fang

© Wang Bing

 

Teil III

Wang Bings neuer Dokumentarfilm Mrs. Fang begleitet eine schwerkranke Frau in den letzten Tagen ihres Lebens. Dominiert wird der Film von Großaufnahmen des Gesichts der Frau, aber es geht auch darum, das Sterben in den sozialen und räumlichen Zusammenhang einzubetten, in dem es stattfindet. Wang Bing filmt die Reaktionen der Angehörigen, die zumeist am Rand des Sterbebettes ausharren, aufmerksam jede Bewegung der alten Frau wahrnehmend und interpretierend, die manchmal aber auch über den nicht ganz so pflichtbewußten Enkel Weiwei herziehen. Gelegentlich zeigt er auch, wie sie sich aus dem engen Raum, in dem das Bett aufgestellt ist, entfernen. Dreimal begleitet er sie beim Fischfang. Die daraus resultierenden szenischen Miniaturen gehören zum visuell Schönsten, was ich dieses Jahr auf dem Locarno Festival gesehen habe.

Die erste ist entweder kurz vor oder kurz nach Sonnenuntergang fotografiert. Am Himmel sind einige rötliche Wolken erkennbar, aber das Flussufer ist bereits komplett in Dunkelheit getaucht. Die Wasseroberfläche wird illuminiert von Scheinwerfern, die die Fischer an ihren Elektronetzen befestigt haben, und mit deren Hilfe sie nach Fischvorkommen Ausschau zu halten scheinen. Es sind zwei Boote im Einsatz, auf einem ist die Kamera positioniert, es selbst bleibt unsichtbar – bis auf den im Bildvordergrund vagabundierenden Lichtkegel des Scheinwerfers, der den ohnehin weitgehend dimensionslosen Raum zusätzlich destabilisiert. Das Summen der Elektronetze und das rötliche Leuchten des auf den Booten befestigten Generatoren verleihen der Szenerie eine Science-Fiction-Anmutung.

Der zweite Angelausflug wird tagsüber, aber bei eher fahlem Licht unternommen, ohne Boot. Drei Männer stehen auf einer Brücke, und versuchen vergeblich, auf die Schnelle ein paar Fische zu ergattern. Als sie schließlich aufgeben, bleibt die Kamera auf der Brücke zurück und blickt ihnen hinterher, wie sie den Fluss entlang laufen und schließlich zwischen Büschen verschwinden. Auf einmal ist der vorher dynamische Bildraum stillgestellt. Der Lauf des Flusses, der sich in die Tiefe der Zeit hinein öffnet, die Landschaft, die sich einerseits scharf konturiert vom weißen Himmel abhebt, und andererseits – nur ein wenig matter, weicher – in der glatten Oberfläche des Flusses spiegelt, dazu die drei kleinen Figuren, die sich im Hintergrund kaum noch von ihrer Umgebung abheben: Da schlägt der DV-Realismus von einem Moment in einen Piktorialismus um, der an Ölmalerei denken lässt.

Ganz am Ende, als Koda, eine dritte Fischerszene. Ein Mann (der Sohn der inzwischen verstorbenen Mrs. Fang) allein auf dem Boot, diesmal mitten am Tag. Nun fügt sich die Szenerie in eine gleichzeitig glasklare und hypnotische Ton-in-Ton-Komposition: der Himmel ist unbestimmt farblos, auf dem graublau schimmernden Wasser schwimmen, sanft schaukelnd, mattgrüne Pflanzen, das hellblaue Hemd des eher gemütlich im Seetangdickicht herumstochernden Anglers wird zum einzigen klar definierten Fixpunkt einer Welt, der man anzusehen scheint, dass sie in diesem Film nichts mehr von sich preisgeben möchte.

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Travis Wilkerson mag Atticus Finch nicht. Vermutlich kann er schon die Romanfigur in Harper Lees Bestseller To Kill a Mockingbird nicht leiden, richtig auf die Palme bringt ihn aber Gregory Pecks Verkörperung des idealistischen Anwalts in Robert Mulligans gleichnamiger Verfilmung. Wilkersons ziemlich toller, autobiografischer Agitprop-Dokumentar- und gleichzeitig Southern-Gothic-Horrorfilm Did You Wonder Who Fired the Gun? nutzt Szenen aus Mulligans Film als Klammer (als eine von mehreren) für die Investigation eines Jahrzehnte zurückliegenden, juristisch ungesühnten Mordfalls: Sein eigener Urgroßvater hat in den 1940ern in dem familieneigenen Lebensmittelgeschäft einen schwarzen Mann erschossen. An der Täterschaft selbst und auch an deren rassistischer Motivation zweifelt Wilkerson keine Sekunde. Die Investigation gilt nicht einem Verbrechen, noch nicht einmal seinen Bedingungen, sondern eher: den Bedingungen der Nichterinnerung an dieses Verbrechen.

Er selbst, Wilkerson, will nicht Atticus Finch / Gregory Peck sein, er will nicht den white savior spielen, der den unterdrückten Schwarzen in einer vermeintlich selbstlosen Geste zu ihrem Recht verhilft. Stattdessen will er seinen Film als Teil einer schwarzen Protestbewegung verstanden wissen, genauer gesagt: als eine erinnerungspolitische Erweiterung der black lives matter-Bewegung, die am Ende (das hat in Locarno nicht geklappt und kann wohl sowieso, wenn überhaupt, nur in den USA klappen) direkt in den Kinosaal überspringen soll, in Gestalt eines Wechselgesangs.

Da er, Wilkerson, aber nun einmal weiß ist (und seinem rassistischen Uropa angeblich sogar ziemlich ähnlich sieht), erkennt er in Atticus Finch auch ein Spiegelbild, das er nie ganz loswerden kann. Das scheint eine zentrale Triebfeder des Films zu sein: Gerade weil Wilkerson gar nicht anders kann, als sich mit Atticus Finch zu identifizieren, will er diesen eigenen inneren Atticus Finch mit umso heftigeren Gesten exorzieren. Was sich unter anderem darin äußert, dass er den Found-Footage-Gregory-Peck so hässlich und ungesund wie nur irgendwie möglich aussehen lässt.

Teil II

Days of Glory

© RKO

 

Es mag damit zusammenhängen, dass ich den Film in der Spätvorstellung gesehen habe, nach einem langen Kinotag, in einem gleichzeitig hypersensitiven und ermatteten Zustand (den Bildern auf der Leinwand noch etwas hilfloser ausgesetzt als sonst); aber das wird nicht der einzige Grund dafür sein, dass mich Jacques Tourneurs Days of Glory verzückt hat wie lange nichts mehr im Kino. Der Film selbst wird schon auch eine Rolle gespielt haben.

Man müsste Forschungen anstellen zur Geschichte der Nichtrezeption von Jacques Tourneurs einzigem langem Kriegsfilm. Days of Glory scheint selbst unter knallharten Auteuristen noch nicht einmal ein echter Geheimtipp zu sein. In der Publikation zur Retrospektive bespricht ihn Pierre Gabaston wie einen Film von einem anderen Stern. Der Text ist etwas anstrengend («His pulse on the screen, his radiography is still generating forms. I have the zeal of a fresh convert. I am discovering Days of Glory; becoming its partisan in front of you»), aber die Geste kann ich verstehen. Ich bilde mir ein, ein-, zweimal über den Film gelesen zu haben, es dürfte da stets darum gegangen sein, dass Days of Glory zu den wenigen amerikanischen Spielfilmen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs zählt, die ausschließlich russische Helden haben. Eine Oberflächenobskurität, die den eigentlichen Wahnwitz des Films noch nicht einmal berührt. 

Es geht um eine Guerilla-Einheit der Roten Armee, die hinter der Front operiert und unterirdisch stationiert ist; in einem Bunker, der einmal ein Kloster war, wenn ich das richtig verstanden habe. Offensichtlich sind alle Räume des Films, die unter- wie die oberirdischen, zuerst Kinoräume. Die Sets haben dieselbe minimalistische Artifizialität wie in den berühmten Val-Lewton-Horrorfilmen, die Tourneur unmittelbar davor gedreht hatte. Eine klaustrophobische Welt, aber auf eine wattierte Art. Terror ruft sie nicht deshalb hervor, weil sie zu eng ist, weil man beim Versuch, sie zu beherrschen, auf materielle, unüberwindbare Grenzen stößt; eher hat die gesamte Welt etwas von einem Provisorium, von einer Skizze, die nur vorübergehend begehbar ist. Weil man nie genau sagen kann, wie weit man seinen Schritten trauen darf, wählt man automatisch einen bedachten, leicht sedierten Bewegungsmodus. 

Die gesamte erste Stunde besteht aus Stillstellungen, Verzögerungen und poetischen Abschweifungen (die sowjetischen Streitkräfte scheinen mindestens zur Hälfte aus verkannten Dichtern zu bestehen), und wenn am Ende der Krieg doch noch selbst ins Bild tritt, dann wird der Film erst richtig verrückt. Ein Flugzeug wird nicht vom Himmel geschossen, sondern ausradiert, wie in einem Comic; und den aberwitzigen, erotisch aufgeladenen Endkampf der Partisanen gegen einen Ansturm deutscher Panzer beschreibt Gabaston dann doch sehr treffend als «[a] warrior’s orgasm held in until it carries them away». 

«When I say retreat I mean attack», meint der Kommandant (Gregory Peck) vor dieser orgasmischen Entscheidungsschlacht. Im Kontext des Films ist das ein sinnvoller Satz. Verrrückt ist der Film, auch da auf einer Linie mit den Lewton-Horrorfilmen, gerade darin, wie er Exzentrik und Rationalismus ineinander verschränkt. Am deutlichsten wird das an der exzentrischsten Figur: Nina (Tamara Touanova) ist eine landesweit bekannte Ballerina, die es aufgrund einer eher minderplausiblen Drehbuchwendung in den Unterschlupf der Soldaten verschlagen hat. Tourneur gibt sich nicht die geringste Mühe, den absurden Ploteinfall zu naturalisieren. Ganz im Gegenteil interessiert ihn gerade das Groteske, Unangemessene an der Figur. Wenn der Krieg auch aus diesem statuesk-somnambulen Wesen eine Soldatin formt, dann nicht, indem er sie zähmt und erdet, sondern indem er ihre erotische Energie kanalisiert, zur Waffe werden lässt.

Sowohl für Toumanova als auch für Peck war Days of Glory der erste Filmauftritt. «It was a pleasure because I could do everything I wanted with them, just like with clay», erinnerte sich Tourneur später. Das ist keine Untertreibung. Der ungemein elegante Peck gleitet regelrecht durch den Film, seine Stimme erhebt sich selbst in den schwersten Krisensituationen nicht zum Kommandoton, aber seine wie zu sich selbst gesprochenen Sätze strahlen eine geisterhafte Autorität aus. Touanova ist noch erstaunlicher, ihr hell gleißendes Gesicht und ihr langer Hals verwandeln sich in einigen Einstellungen fast buchstäblich in Knetmasse, insbesondere in den Kussszenen. (Überhaupt sind Küsse bei Tourneur zentral; wie gierig und entschlossen sich die Frauen den Männern entgegenrecken, vor allem. Die Küsse sind nicht nur eine Konvention des Affektbilds, sie gewinnen eine gestische Qualität).

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Wenn Tourneur auf die Aktualität des Krieges mithilfe einer poetischen Distanzierung antwortet (die gleichwohl als intime Reaktion eines Exilanten auf die Schrecken in der alten Heimat Europa lesbar bleibt), dann ist Radu Judes The Dead Nation, den ich zufällig unmittelbar davor gesehen hatte, fast ein komplementäres Projekt: Ein Film, der gerade aufgrund des historischen Abstands zum selben Krieg die Möglichkeit hat, Distanz aufzuheben, Dinge beim Namen zu nennen, von denen nicht nur in Rumänien lange Zeit nicht gesprochen werden konnte. Gleichzeitig erweist er sich als ein eindrucksvolles Komplementärprojekt zu Judes fiktionalem Historienfilm Aferim!.

Judes Film montiert zwei Archivfunde. Das visuelle Material besteht – abgesehen von nüchtern linear voranschreitenden Jahreszahlen – aus Fotografien, die dem Archiv Costică Acsinte entstammen; Portraitfotografien und andere kommerzielle Auftragsarbeiten, zumeist entstanden anlässlich von Volksfesten, Hochzeiten und anderen Feierlichkeiten, allesamt aus den Jahren 1937 bis 1949. Und zum anderen, auf der Tonspur, Tagebucheinträge des jüdischen Arztes Emil Dorian, der in derselben Zeit Zeuge und um ein Haar eines von unzähligen Opfern des eskalierenden Antisemitismus wurde. Dazwischen gelegentlich historische Tondokumente: Politikerreden, Marschlieder der rumänischen Faschisten.

Die Struktur ist simpel und unnachgiebig: Die Fotografien (die, so steht zu vermuten, fast ausschließlich nichtjüdische Rumänen portraitieren) geben kein Zeugnis von der Geschichte der Gewalt, die die Tonspur wiedergibt. Sie zeigen nicht die offizielle, aber die alltägliche Selbstrepräsentation eines Rumäniens, das auf aggressive Art nichts wissen will. Wenn sich die beiden Ebenen doch berühren, dann auf eine sarkastische Art. In den Hitlergrüßen zum Beispiel, die gelegentlich vor der Kamera eingeübt werden, oder auch in historischen Bildkonventionen: Männer, die mit Messern posieren, Frauen, die in Portraitfotografien den Kopf auf die flache Hand stützen, was einen sicherlich nur im Kontext des Films an das Durchschneiden einer Kehle denken lässt. 

The Dead Nation ist kein subtiler Film, sondern, wie schon Aferim!, ein Fehdehandschuh, der gleichzeitig der rumänischen Erinnerungspolitik und einem rumänischen Gegenwartskino, das es sich inzwischen in den Ambivalenzen seiner Realismusästhetik vielleicht tatsächlich etwas zu gemütlich eingerichtet hat, hingeworfen wird. Jude montiert schon auch mal eine Serie von martialischen Portraitfotografien zum Rhythmus der Marschmusik. Redundanz gehört zum Konzept. Dass die Portraitierten direkt in die Kamera blicken, während auf der Tonspur Grausamkeiten ausgebreitet werden, ist von Anfang an kaum auszuhalten, und das wird natürlich nur noch schlimmer, wenn der Film die 1940er erreicht.

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Das aufwändige rebranding, dem sich das «Locarno Festival», wie sich das ehemalige «Festival del Film Locarno» seit diesem Jahr etwas großspurig nennt, unterzogen hat, hätte ich vielleicht gar nicht mitbekommen, wenn es nicht auch mein Lieblingskino, das GranRex – früher ExRex – etroffen hätte: Die Bestuhlung ist ausgetauscht, die Sitzreihen aufgelockert und abgesenkt, insgesamt ist das renovierte Kino sicherlich komfortabler und mit etwas Gewöhnung kaum weniger schön als vorher – aber die alte erste Reihe vermisse ich doch. Da saß man recht hoch, wie auf einer Tribüne, von der Leinwand durch eine Art Graben getrennt, wodurch die Filme wie persönliche Darreichungen wirkten: direkt auf Augenhöhe und gewissermaßen losgelöst von der physischen Realität der Kinoarchitektur.

Jacques Tourneur, dem die diesjährige Retrospektive gewidmet ist, tröstet mich glücklicherweise schnell über den Verlust hinweg. Der erste Film, den ich in Locarno sehe, ist They All Come Out, ein unglaublich ökonomisch gestalteter B-Film, der von «Former U.S. Attorney General Homer S. Cummings» und dann auch noch von «James V. Bennett, Director of the Federal Bureau of Prisons» anmoderiert wird, anschließend in gerade einmal 20 Minuten einen kompletten Gangsterfilm abspult, nur um sich in den abschließenden 40 Minuten als ein volkserzieherischer Lehrfilm über die Funktion und vernunftsgeleitete Organisation des amerikanischen Gefängniswesens zu erweisen. Die institutionelle Logik der Erziehungs- (nicht Straf-)institution Gefängnis dreht dem Genrekino humorlos die Luft ab, beziehungsweise verzeichnet und sortiert dessen Personal auf Karteikarten.

Wunderbarerweise widersetzt sich die Liebesgeschichte, die Tourneur nebenbei auch noch erzählt, beidem. Wenn die Gangsterbraut Kitty (Rita Johnson, eine Entdeckung) den vom Leben gedemütigten Rumtreiber Joe (Tom Neal, noch nicht so derangiert wie später in Detour) in einem Diner aus der Tiefe des Bildes heraus in den Blick nimmt und ihn dann mit matter, aber bestimmter Stimme anspricht, ist bereits ununterscheidbar, ob sie ihn rekrutieren oder retten will.

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Zwei Programme sind den Kurzfilmen gewidmet, die Tourneur, bevor er zum Langfilmregisseur befördert wurde, Ende der 1930er Jahre für MGM gedreht hatte. In den fast durchweg im Gestus der Dokufiktion gehaltenen Filme finden sich erstaunliche motivische Parallelen zu den späteren Langfilm-Meisterwerken, aber sie sind auch für sich selbst sehenswert. In fast allen Filmen geht es darum, ein Mysterium (oft historischer, manchmal aber auch, wie im phänomenalen Romance of Radium, naturwissenschaftlicher Art) nicht aufzuklären, sondern als Mysterium auf den (filmischen) Punkt zu bringen. Es geht um Investigationen, deren Ziel es ist, das Rätselhafte am Rätsel besser in den Blick zu bekommen.

Allein die Art, wie die Filme Voice Over einsetzen. Fast durchgängig liegt über den Bildern eine Erzählerstimme, deren Sätze zunächst rein deskriptiv angelegt scheinen. Tatsächlich wechselt der Voice Over aber äußerst geschmeidig und ironiebegabt zwischen direkter und indirekter Rede hin und her, lässt den Bildern mal einen kleinen Vorsprung, um sie dann wieder zu überholen, setzt sich gelegentlich auch in einen leisen Konflikt zu ihnen. Die Bilder werden von der Stimme nicht verdoppelt oder gefesselt, sondern mit Möglichkeitsdimensionen aufgeladen. Im erstaunlichen The Ship That Died heißt es an einer Stelle: «and here the known images end». Woraus folgt, dass die restlichen zwei Drittel des Films aus «unknown images» bestehen. In The King Without a Crown erweitert sich die Investigation am Ende in den Kinosaal hinein: Gesucht wird der verschollene Sohn von Louis XVI und Marie Antoinette. Möglicherweise war er bei der Geburt vertauscht worden, ist später nach Amerika ausgewandert, und einer seiner Nachkommen schaut sich nun ein MGM-Filmprogramm an.

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Teil I

Phantom Riders

© MGM

 

Noch ein Tourneur-Frühwerk: Phantom Raiders (1940) ist der zweite Teil einer Filmserie um den Privatdetektiv Nick Carter, der regelmäßig arroganten Superschurken das Handwerk legen muss und dabei von einem bizarren Sidekick namens «B-Man» unterstützt wird – einem älteren Herrn, der in seiner Tasche einen Schwarm Bienen mit sich führt. Der selbst für B-Movie-Verhältnisse äußerst billig produzierte Phantom Raiders spielt fast durchweg in einer Handvoll enger Sets, die durch Jalousien und Ventilatoren dynamisiert werden; die terroristische Verschwörung, bei der immerhin mehrere ausgewachsene Ozeandampfer draufgehen, wird erst durch ferngesteuerte Radarwellen in Gang gesetzt, und anschließend von Nick Carter, der den ganzen Film über darauf besteht, sich eigentlich im Urlaub zu befinden, durch ferngesteuerte Kommunikationsroutinen lahm gelegt.

Das ist natürlich Unsinn um seiner selbst Willen, sozusagen the genius of the system im Leerlauf – aber gerade dieser Leerlauf hat es mir angetan. Zumindest vermisse ich im gegenwärtigen Kino wenig mehr als die gewissermaßen interesselose geistige Wendigkeit und inszenatorische Raffinesse von Filmen wie Phantom Raiders.