filmkritik

31. Januar 2019

Ideenfilmer Die Zeitschrift Filmkritik vor 50 Jahren (4): Heft 01 1969

Von Bert Rebhandl

 

Bei der ersten Ausgabe nach 1968 fällt mir deutlicher als zuvor auf, wie sehr die Autoren von Begriffen umstellt sind. Oder deutet sich da so etwas wie eine gruppeninterne Vorsicht an, ein Versuch, schreibend zu antizipieren, wie der eigene Text bei der Gruppe ankommen könnte? Und erst durch diesen Vorbehalt hindurch kommt man dann zum eigenen Text?

Siegfried Schobers Text über Rossellini heißt nicht von ungefähr im Untertitel «die wiedergewonnene Wahrnehmung». Das schließt an den Begriff an, den Enno Patalas im Heft davor ins Treffen geführt hatte: «sinnliche Erfahrung». Immer auf beiden Ebenen gedacht: die Filme und ihre Zuschauer vollziehen das gleichermaßen. «Vielleicht aber sind wir in unserer Liebe zum Kino garnicht mehr so unredlich, denn so wie unsere Reflexion den Filmen nie gerecht zu werden vermag, ebenso sind wir im Leben vielleicht schon dem voraus, was wir in Gedanken gerade erst zu ahnen beginnen.»

Die Filmkritik reflektiert in diesem Heft ihre «wachsende Identifizierung mit Institutionen», weil sie Teil von ihnen (Förderungsgremien, Lehrinstituten, Sendern) zu werden beginnt.

In München fand im November 1968 das Erste europäische Treffen unabhängiger Filmemacher statt, über das Enno Patalas berichtet: In Knokke (einem wichtigen Festival damals) sprach man von «Experimentalfilm», in Hamburg von «Das andere Kino», eine weitere Begriffsvariante betrifft einzelne Vertreter (die Hamburger Hellmuth Costard und Adolf Winkelmann werden - in München - «Ideenfilmer» genannt).

In einem zweiseitigen Text zieht Enno Patalas eine Bilanz über «Drei Jahre Autorenfilm. Die Autoren also sind da. Nur: Wo bleibt der Film?». In Deutschland hat das Kuratorium junger deutscher Film dafür gesorgt, dass nun Projekte gefördert werden können, die von Regisseuren (Autoren) eingereicht werden, und nicht von Produzenten. Das hat aber nicht zu den erwünschten Ergebnissen geführt. «Der neue deutsche Film lässt auf sich warten.» Vielleicht liegt es an einem Missverständnis? Vielleicht wurde die französische «Politik der Autoren» falsch übernommen? Patalas: «In den deutschen Begriff des Autorenfilms ist von den Prämissen der politique des auteurs nur die verkehrteste, reaktionärste eingegangen, das Vertrauen in die Allmacht des Regisseurs.» Er löst die Angelegenheit auch wieder vor allem begrifflich auf: «Es gibt keine Autoren - es gibt nur die Menschen und das Kino.» Ich bin versucht, zu ergänzen: in das Dazwischen zwischen Menschen und Kino geht Rossellini, geht Schober mit dem Leben, auf das er nach Rossellini stärker vertraut als vorher.

DVD-Bestellung: Lotusblüten füs Miss Quon (einer der «Referenzfilme» aus dem Jahr 1967, der nun als Beleg für die nicht funktionierende Filmförderung dient)