fußball

7. Juni 2010

Fußballkino 1 Zwei Filme und ein Buch zum argentinischen Fußball

Von Bert Rebhandl

Das Babylon Mitte in Berlin zeigt heute, Montag 7. Juni, zwei Filme aus Argentinien, in denen es um den Fußball als Nationalsport geht: El Hincha (1951, Regie: Manuel Romero) und El Crack (1960, Regie: José Martínez Suárez). Es trifft sich gut, dass gerade ein Buch erschienen ist, in dem man nachlesen kann, in welchen Kontext diese beiden Filme gehören. Pablo Alabarces erzählt in Für Messi sterben? Der Fußball und die Erfindung der argentinischen Nation ausführlich und mit begrifflichem Ehrgeiz, welche Rolle dieser Sport in der Herausbildung eines argentinischen Nationalitätsgefühls gespielt hat.

El Hincha und El Crack würden vor diesem Hintergrund eine der wesentlichen Transformationen in diesem Prozess markieren, denn der erstere fällt in die Blütezeit des Peronismus (einer populistischen politischen Bewegung, die auf Teilnahme der Massen an einer städtischen Kultur zielte – Tango und Fußball stehen im konkreten Fall in Konkurrenz zueinander), während El Crack ein Spiel zeigt, das zunehmend unter den Druck einer exzessiven Kommerzialisierung gerät (in einer Zeit, in der die von oben verordnete Entwicklungspolitik des argentinischen Staates sich selbst durch die Einwerbung ausländischen Investititonskapitals unter Druck setzt).

Alabarces beginnt mit seiner Darstellung im 19. Jahrhundert, er beschreibt, wie sich durch die Gaucho-Literatur zum ersten Mal ein Topos nationaler Identität in Argentinien etabliert, an den im frühen 20. Jahrhundert der «erste Sportnationalismus» anschließen kann: Gegen die Engländer, die den Fußball erfunden hatten und auch in Argentinien als Elitesport verwalteten, entwickelte sich unter beträchtlichem Aufwand ideologischer Begleitung ein «kreolischer» Spielstil, der vor allem durch die Einwanderer geprägt war und der durch die Bezeichnung «unsere Art» eindeutig von dem imperialen Stil unterschieden wurde (der «Dribbler» ist noch heute ein Abkömmling dieses kreolischen Stils).

Der Fußball zählt für Alabarces zu den herausragenden «Nationalitätsoperatoren», also zu den Faktoren, aus denen heraus sich eine nationale Identität konstituiert, die sowohl von oben (als Herrschaftsideologie) wie von unten (als Volksbewegung) bestimmt werden kann – im Populismus des ersten Peronismus fielen beide Momente zum ersten Mal zusammen, später fielen sie wieder auseinander, und schließlich erreichte die Bewegung «von unten» im (sic!) «Maradonismus» der achtziger Jahren einen Höhepunkt, der bekanntlich in zwei Momente zerfällt: 1986 wird Argentinien Weltmeister, 1990 unterliegt es im Finale gegen Deutschland (nach einem Elfmeter, den Alabarces für «zweifelhaft» hält).

Argentinien kann sich als Opfer eines europäischen Komplotts sehen – «dieses periphere und dezentrierte Land habe man nun bestraft, weil es gewagt habe, an dem Fest teilzunehmen ... und das mächtige Italien, das Gastgeberland höchstselbst, im Halbfinale aus dem Turnier zu werfen». Der Suhrkamp Verlag hat dem Buch von Alabarces, das im Original schlicht Fußball und Vaterland heißt, einen populistischen Titel gegeben – das sollte dieser gerade auch für Filmhistoriker ergiebigen Darstellung ein paar weitere Leser bringen, die sie in jedem Fall verdient.

 

El Hincha (Argentinien/E 1951, Regie: Manuel Romero) 20.00 | El Crack (Argentinien 1960, Regie: José Martínez Suárez) 22.00 Babylon-Mitte, Berlin 

Pablo Alabarces: Für Messi sterben? Der Fußball und die Erfindung der argentinischen Nation, edition suhrkamp 2010