Disparater Medienkörper Trumps Lizenz und die Herstellung faschistischer Gefühlsregime: Über Brian Massumis «The Personality of Power. A Theory of Fascism for Anti-Fascist Life»
Unseren Institutionen, Ideen und Intuitionen entwischt die Wirklichkeit zunehmend. Um so verzweifelter klammern wir uns an ihnen fest. Ich gestehe: In mir hat das neue Buch des Philosophen Brian Massumi zunächst Abwehr hervorgerufen. Es ist dem Phänomen des Trumpismus gewidmet und verspricht eine Faschismustheorie für die Gegenwart. Doch wo ich mir Einordnung und Lösungsvorschläge erhoffte, lösten umfangreiche Kapitel zum Personenverständnis William James’ und Charles Sanders Peirce’ oder der Konzeption des Fehlers bei Alfred North Whitehead und Susan K. Langer zunächst ein Gefühl der Desorientierung aus, das der Überwältigung durch die Gegenwart unangenehm ähnelte. Um es offen zu sagen: Das Buch hat mich dann genervt. Warum muss ich mich fragen lassen, was für eine Art von Ding der Ozean ist, wenn ich den Wahnsinn verstehen will, der sich vor meinen Augen vollzieht, nur um daraufhin die Antwort zu erhalten, es handele sich um ein komplexes, welliges Ding? Cringe.
Ausgangspunkt dieses Umwegs ist nun allerdings eine Kritik genau derjenigen Institutionen, Ideen und Intuitionen, mit denen wir weiterhin vergeblich versuchen, die neue Situation zu begreifen. Für den kanadischen Philosophen verfehlen diese Instrumente und Kategorien des Denkens nicht einfach nur die Realität, sondern befördern so die Kanalisierung von Tendenzen in Richtung eines neuen Faschismus sogar. Auch der Faschismus betreibt ein Geschäft der Vereindeutigung und Zuschreibung, des Sortierens und Aussortierens. Der Eindruck, es durchblickt, eingeordnet und damit ad acta gelegt zu haben, ist für Massumi deshalb selbst Teil des Problems. In der Sehnsucht nach einfachen Antworten suchen wir genau dort Halt, wo etwas haltlos geworden ist. Das blockiere auch da, wo sich diese Antworten als antifaschistisch verstehen, den Ausweg. Logik selbst ist, darauf insistiert Massumi aus dieser Warte, eminent politisch. Auf die Wahl der Logik kommt es an.
An die Stelle der klassischen Logik setzt Massumi deshalb eine anspruchsvolle prozessorientierte Perspektive: Das beinhaltet die dezidierte Verschiebung von der Ontologie, also der Lehre vom Sein, hin zu dem, was er als Ontogenetik bezeichnet: die Lehre vom Entstehen. Die von Massumi vorgeschlagene prozessorientierte Logik privilegiert die Bewegung gegenüber dem Zustand und das heißt immer auch die Beziehung gegenüber der Sache, die Vielheit gegenüber dem Einzelnen und die Differenz gegenüber dem Gleichen. Das ist, darauf besteht er, nicht weniger rigoros. Auch diese Logik soll es ermöglichen, Unterscheidungen zu treffen, aber eben genauere, die der Komplexität der Wirklichkeit gerechter werden, unter anderem, indem sie die Entgegensetzung von Denken und Fühlen unterlaufen. Und tatsächlich hat mich, das sei vorweggenommen, der Entwurf dieser Logik dann doch noch mitgerissen. Abstrakte Landschaften tauchen im Kopf auf, die pulsieren. Verstanden habe ich nicht alles. Immer wieder gelingen Massumi aber in der Übersetzung von Philosophie in Gegenwartsanalyse und Gegenwartsanalyse in Philosophie Formulierungen, die etwas treffen und mir so neu aufschließen.
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