crush

Crush Paul Dano

Von Kirsten Riesselmann

Little Miss Sunshine (2006)

© Fox Searchlight Pictures

 

Sehr bleich ist er immer. Sehr schmal auch. Die Beine sind irgendwie zu lang, das Gesicht hat etwas von einer Maus. Mit 16 Jahren, als er seine erste Hauptrolle in Michael Cuestas L.I.E. – Long Island Expressway spielte, sah alles noch danach aus, als würde ein klassischer Cutie aus ihm werden. Aber dann floh die untere Gesichtshälfte nach hinten, trat das Kinn spitz hervor, wurde der Mund schmallippig. Auf jüngeren Premierenfotos trägt er Pilzkopf, Karohemden, darüber Sakkos von bewusst unedler Textur, auf der Nase eine John-Lennon-Brille. Paul Franklin Dano, der im Juni seinen 26. Geburtstag feiert, wird es nicht mehr zum «Sexiest Man Alive» bringen. Was ihn, den Posterboy amerikanischer Indie-Kultur, sicher nicht kratzt. Und kann Sexyness nicht auch eine Menge damit zu tun haben, wie Dano in seiner letzten Hauptrolle in Matt Aseltons narrativ leider unbefriedigendem Film Gigantic (2009) den Bettenverkäufer Brian spielt – immer noch ohne einen einzigen Muskel am Körper, dafür aber mit Strickschal und einer umwerfenden Mischung aus schüchterner Höflichkeit (immer schön danke sagen nach dem Geschlechtsverkehr!) und kindlich-persistentem Haben-Wollen? Doch.

Seitdem Paul Dano 2002 für L.I.E. bei den Independent Spirit Awards mit dem Preis für das beste Leinwanddebüt ausgezeichnet wurde, sammelt der New Yorker mit großer Treffsicherheit Rollen, die ihn in seiner spezifischen Bandbreite profilieren. Kein anderer Schauspieler zurzeit hat Danos Kombinationsmöglichkeiten: Wie er Verdruckstheit, liebenswürdige Unschuld und rasendmachende Naivität mit einem subtilen, aber nichtsdestoweniger harten Kern rücksichtsloser Autonomie zu verschneiden versteht, das ist atemberaubend. Ob als Nerd in der High- school-Komödie The Girl Next Door (2004), als wortkarger Teenage-Schwerenöter in

dem Drama The Ballad of Jack and Rose (2005) oder neben Gael García Bernal als Gitarre spielender Predigersohn in dem großartig verstörenden The King (2005): Schon Paul Danos erste größere Nebenrollen sind Beweise für eine gleichermaßen verkopfte wie instinktsichere Darstellungskunst, die genauso viel von Off-Broadway, Literaturstudium und liberalem Bürgertum erzählt wie von einer leisen Lust am Sich-Anders- Fühlen.

Dann kamen die beiden Rollen, die ihn bekannt gemacht haben: In Little Miss Sunshine (2006) spielte Dano den postpubertären Dwayne mit stummer Verzweiflung und «Jesus was wrong»-T-Shirt. Der Ausdruck Dwayne’schen Weltekels, mit hängendem Unterkiefer immer zwischen Dämlichkeit und ohnmächtiger Wut irisierend, ist genauso ein Bild für die Ewigkeit wie der kraftvolle «Fuuuck!»-Ausbruch unter der Weite des kalifornischen Himmels. Und wie Dano dann den Eli Sunday als Widerpart zu Daniel Day-Lewis’ Ölentrepreneur in There Will Be Blood (2007) anlegte, war, nun ja, großes Kino: Der christliche Prediger als schillernder, nicht restlos in der Darstellung auserklärter Unsympath zwischen fischiger Zurückhaltung und manischer Besessenheit ist die Charakterrolle, an der Paul Danos zukünftige Entwicklung gemessen werden wird.

Und da ist einiges in der Mache: Gerade ist in den USA der Film The Good Heart angelaufen, eine kleine Komödie, die leider nicht allzu viel verspricht. Nächstes Jahr dann Hollywood-Oberliga: Humoriges mit Kevin Kline, Tom Cruise und Cameron Diaz. Erstaunlich. Erschreckend. Aufregend. In der Zwischenzeit: Dano zuhören (mook.bandcamp.com) wie er bei seiner Band «Mook» in folkiger Underdog-Manier köstliches Falsett schmelzt.