praschl

Uploadfilter

Von Peter Praschl

Die Youtube-Videos Allyson M.s sind gar keine. Sie zeigen nur ein einziges Standbild, Stock-Fotografie vermutlich: das Innere einer Kathedrale, eine menschenleere Shopping Mall, Metalltüren von Klokabinen. So war ich auf sie gekommen: Ich hatte nach Videos von The Less I Know The Better von Tame Impala gesucht, nach vielen Jahren endlich wieder ein Song, der in mir den Wunsch abzustürzen ausgelöst hatte, und war bei The Less I Know The Better but you’re in a bathroom gelandet. Man sah das Foto sepiagetönter Klokabinen, wie in einem dieser amerikanischen Flughäfen, und hörte dazu Tame Impala wie aus einem anderen, weit entfernten Raum, durch dicke Wände gedämpft, es war, als hätte man eine Party verlassen, um sich für ein paar Minuten auf dem Klo in einer Kabine einzusperren, sich kaltes Wasser über den Puls laufen zu lassen oder sich verzweifelt im Spiegel anzusehen und scheiße zu finden. Gleich würde man wieder zurückgehen, den anderen dabei zusehen, wie sie gut drauf waren, sich noch einen Gin Tonic holen oder eine Zigarette anzünden, um den Händen etwas zu tun zu geben, oder man würde einfach nach Hause gehen, ohne sich zu verabschieden, man wollte ja niemanden schlecht draufbringen.

Bei Allyson M. gibt es noch mehr von diesen Videos. Sie hatte die Arctic Monkeys so abgemischt, dass sie sich anhörten, als würde man sie in einer leeren Shopping Mall zu hören bekommen, I Need Some Sleep von den Eels, als kämen sie aus dem Radio eines Autos, in dem man durch eine Regennacht fährt, oder Weezers Island in the Sun aus dem Inneren eines Clubs, vor dem man steht, weil man kein Konzertticket mehr bekommen hat. Lauter Uploadfilter, die über die Musik ein Gefühl legten, obwohl es natürlich kein Gefühl war, sondern ein wenig nicht einmal besonders raffinierte Remix- Magie, aber es funktionierte, jedenfalls bei mir. Sofort war ich wieder auf den Partys, bei denen ich mir verloren und hilflos vorgekommen war, damit beschäftigt, mein fundamentales Getrenntsein von der Welt zu ertragen und an meiner Unfähigkeit zu Small Talk zu leiden, außer wenn ich trank oder mir jemanden suchte, auf den ich manisch und wie bedenkenlos einreden konnte und der mich deswegen für interessant hielt, aber meistens ging ich einfach wieder, in meinem Rücken immer leiser pochende Musik, bis sie ganz weg war.

Solche Videos sind das. Sie stülpen Musik – die durch Smartphones und Spotify längst überall, also ortlos geworden ist – Orte über, an denen man sie hören könnte. Und obwohl die Musik dadurch schmerzt (Allyson M. lässt einen spüren, wie getrennt man von ihr ist, während sonst alles daran gesetzt wird, einen mit Immersion zu überwältigen), tröstet sie mich auch – vielleicht sogar, weil sie mich endlich wieder schmerzt.