routine pleasures

Fernsehen

Von Christiane Rösinger

Ach, das Fernsehen hat diesen Sommer keinen Spaß gemacht, fast wäre man zum bildungsbürgerlichen Fernsehverächter geworden und hätte gar nicht mehr eingeschaltet. Nicht einmal das allerstumpfeste Vergnügen wie Wer wird Millionär? oder Wetten dass? wurde einem gegönnt, weil Thomas Gottschalk und Günther Jauch Sommerpause machten.

Am Sonntag blieb zwar die heilige Dreifaltigkeit von Lindenstraße – Weltspiegel – Tatort im Ersten bestehen, aber der Tatort war meistens eine Wiederholung oder ein Polizeiruf, und der schlechteste Polizeiruf aller Zeiten hieß Tod im Atelier – ein nach Missbrauch und Selbstmordversuch behindertes Mädchen ersticht vom Rollstuhl aus den malenden Künstlervater. Einziges Highlight war die allerletzte Staffel Emergency Room: Alle früheren «characters», auch George Clooney, spielten noch einmal mit. Mit ihnen wurde man Mittwoch abends aus dem gewittrig-schwülen Deutschland ins kalte, immer windige Chicago versetzt, wo im Eiltempo Sättigungen stiegen und fielen, immer wieder «Kammerflimmern!» festgestellt und intubiert wurde was das Zeug hielt. Je näher der September kam, desto mehr verödeten Politsendungen und Sommerinterviews das spärliche Programm. Interessant war lediglich die Beobachtung, wie sich die privaten Sender immer mehr den Öffentlich-Rechtlichen anpassten und umgekehrt. Bei der Inszenierung der RTL-Sommerinterviews schienen sogar die Anzüge der RTL-Anchormen «Seriös! Seriös!» zu raunen, im Ersten und Zweiten hingegen versucht man mit Technik und Verflachung Leichtigkeit und Modernität vorzutäuschen.

Rechtzeitig zur Endphase des Wahljahres präsentierte das ZDF das viel gepriesene neue digitale Nachrichtenstudio – intern auch «die grüne Hölle von Mainz» genannt – mit 300 Scheinwerfern, Roboterkameras, Moderationsinseln und Dialogecken. Wirre Grafiken, ein vierfach geteilter Splitscreen und anderer Schnickschnack überfordern jetzt die Moderatoren, sie laufen planlos im Studio umher, machen unvermittelt elegante 90 Grad-Drehungen oder wenden sich jäh der 40-Jahre-Mondlandung-in-3D-Animation oder sonst einem aufpoppenden Einspielerfenster zu.

Traurig war auch das ZDF-Porträt «Kann er Kanzler?». In dunklen Bildern und beengten Interieurs wurden Steinmeier-Freunde aus Gießener WG-Zeiten und vom Fußballplatz befragt. Sie malten ein niederschmetterndes Charakterbild des Mannes ohne Charisma: Er hat halt immer seine Aufgaben erfüllt, aber war kein Spielmacher, im Mittelpunkt stand er nie. Den absoluten Tiefpunkt der ZDF-Reihe Wahl Watching aber erreichte man mit Illner intensiv. Die Moderatorin Maybritt Illner stellte dort Parteien auf den «Prüfstand» und zeigte bei der Linken ein wahrscheinlich «frech» gemeintes Einspielfilmchen, in dem Marx, Lenin, DDR-Funktionäre und Personal der Linken als Zombies zu Michael Jacksons Thriller tanzten.

Aber zum Glück naht der Wahlabend schon: Fünf vor Sechs beginnt der Countdown bis zu den ersten Prognosen, dann folgt das spannende Hochrechnungen-Zapping, die ersten Analysen, Elefantenrunde und Wahlpartyberichterstattung-Hopping … und dann kommen mit dem Herbst hoffentlich ein paar gute neue amerikanische Serien ins Programm.