serien 2012

Ewing Energy Über die Lüge im Zeitalter der Information: Dallas

Von Gertrud Koch

© TNT

 

Zwischen der ersten Dallas-Serie, die ab 1978 gesendet worden war, und der Wiederaufnahme der Serie im August 2012 liegen über 34 Jahre, die letzte Folge der ersten Serie fiel in das Jahr 1991. Die erste von der zweiten trennen also mindestens 20 Jahre. Das ist eine ganze Generation. Und in der Tat setzt die neue Dallas-Generation nahtlos am genealogischen Modell der ersten wieder an. J. R., the bad, ist wegen Depressionen im Altersheim, Bobby, the good, ist an Krebs erkrankt und plant den Verkauf des Stammsitzes South Folk Ranch, und auch sonst bleibt viel Personal erhalten: Fast die gesamte erste Generation von Dallas spielt wieder in den alten Rollen weiter. Aber anders als etwa bei den Sopranos, wo ja auch ein Milieu, das der Mafia, in einem Verfallsstadium der Depotenzierung in komischer Distanz gezeigt wird, bleibt Dallas als Bühne der Ölbarone weitgehend ein Ort der Tragödien, der tödlichen Intrigen von Sex & Crime: There will be blood.

Zweimal werden in der ersten Staffel die dramaturgischen Regeln der Serie in den Mund von J. R. Ewing gelegt: einmal als Rat an seinen Sohn, durch dessen intrigante Energie er sich beleben lässt und wieder als Mitspieler auf den Plan tritt: «The drilling industry runs around two things: finding oil and information.» Mit dem ersten sind die beiden Söhne beschäftigt, J. R.s Sohn John Ross drillt gleich zu Hause auf der Ranch, was ihm Onkel Bobby verbieten möchte, und droht die Ranch zu verkaufen – schwieriger wird es mit dem zweiten Teil der Regel. Stärker noch als in der alten Serie, wo die Wechselbäder von Versöhnung und Verrat in weniger vorhersehbaren Frequenzen aufeinander folgten, entsteht ein Problem daraus, dass alle alle anlügen. In einer Welt, in der alle lügen, wird die Information zu einem kostbaren Gut, das nur mühsam zu erringen ist und den Schlüssel zur Strategie der eigenen Interessendurchsetzung darstellt. Informationen liefern genau jenes Wissen, das entscheidend für unser Verhalten ist, oder so könnte man sagen: Eine Information ist immer dann gegeben, wenn es einen Unterschied macht, ob ich sie habe oder nicht habe. In diesem Sinne müssen natürlich auch Gruppen, deren Mitglieder sich permanent gegenseitig in allen Lebenslagen, ob am Schreibtisch oder im Bett, belügen, über Informationen verfügen, mit denen sie die anderen der Lüge überführen können. Über weite Strecken der neuen Dallas-Staffel dreht sich alles darum, die Lügen der anderen früher durchschauen zu können, als diese die eigenen. Eine Struktur der Kommunikation, die identisch mit der Spionage ist, und so ist es nur folgerichtig, dass auch in den aktuellen Episoden viele Konflikte sich um falsche Identitäten herum aufbauen, mit denen der Zugang zum Bett der Mächtigen strategisch erobert wird. Aber Dallas ist kein (Industrie-)Spionage-Spätthriller aus der Feder John Le Carrés und so wird der Kampf um die Vorherrschaft auf dem Familienbesitz immer wieder zum Drama der verfehlten Anerkennung, die aus der Tragödie entlehnt ist: Keiner kann vom Anderen lassen, alle müssen ihren Weg immer tiefer ins Dickicht der Lügen fortsetzen, um ans Ende des vorhersagbaren Scheiterns zu gelangen. Das ist die zweite Wahrheit, die J. R. ausplaudern darf: Am Bett des im Koma mit dem Leben ringenden Bobby macht J. R. das Geständnis, dass er im Grunde seinen Bruder liebe, dass er ohne ihn nichts sei, denn nur im Kampf mit dem Gegner kann er der sein, der er ist.

So hat auch Dallas seine reflexive Brechung erreicht, aus der heraus Wiederholung überhaupt erst interessant wird; das Spiel geht weiter, die Regeln sind genannt, nach denen es gespielt wird, und die Fortsetzung der Genealogie ist in Gang gesetzt. Es werden auch wieder Kinder geboren, die aus Lügen gezeugt sind und als biologische Wahrheit zum Bestand der Familie und ihrer Konflikte beitragen werden. Kill Bill als Familienroman.

Weiter entwickelt hat sich die Serie insofern, als sie ein digitales Lifting angelegt bekommen hat, die Hochhäuser von Dallas sind nicht mehr die in der Sonne gleißenden Glasfassaden des international style, sondern hybride Lichterscheinungen der Nacht, die das verbotene Bohren auf dem Grund der Familie mit seinen schmutzigen und lauten Türmen ins ökologische Vorgestern verbannen; stattdessen prangen auf dem entscheidenden Hochhaus erleuchtete Ölturmsymbole als Logos von Dallas in die Nacht. Die neue Generation ist gespalten: Während der Spross von J. R. weiter auf Öl setzt, ist Bobbys Sohn den neuen Energien zugewandt: von Ewing Oil zu Ewing Energy.

 

Dallas (2012) läuft auf TNT (Warner Brothers) und liegt derzeit nur als VoD vor (z. B. als Instantvideo bei amazon.com). Eine zweite Staffel mit 15 Episoden wird ab Ende Januar 2013 ausgestrahlt