spielfilm

8. Mai 2013

Murmel Murmel The Real Eighties (1): All the Marbles (Robert Aldrich, 1981)

Von Bert Rebhandl

© Warner Bros.

 

Ein Bericht in der Fachzeitschrift Wrestling World teilt All the Marbles von Robert Aldrich mehr oder weniger genau in zwei Hälften. Es handelt sich um ein «write up» oder auch um einen «spread» (wodurch gewisse Parallelen zu den Centerfolds im Playboy mitgedacht werden können, auch wenn in diesem Fall die genau angegebene Seitenzahl 87/88 für eine Platzierung weiter hinten im Blatt spricht). Gegenstand des Berichts sind die California Dolls, zwei bis zu diesem Zeitpunkt nicht sonderlich erfolgreiche Wrestlerinnen, die mit ihrem Manager Harry Sears (Peter Falk) das spätschwerindustrielle Amerika befahren. Iris und Molly kämpfen gegen die afroamerikanischen Toledo Tigers oder andere «tag teams», zwischendurch müssen sie sich auch so weit erniedrigen, im Schlamm zu kämpfen («mud wrestling» werden, weil es eh schon egal ist, die Bodysuits in Fetzen gerissen).

Die Beziehung der Frauen zu ihrem Manager ist kompliziert, beide haben wohl einmal etwas mit ihm gehabt, die starke, aber auch verletzliche Iris liebt ihn vielleicht immer noch, muss aber hinnehmen, dass er sich zwischendurch in einem Motel mit einer Blondine vergnügt, der er irgendetwas von Robert Redford vorgaukelt. Molly ist drogenabhängig. Beide sind sich darüber einig, dass Harry «a lousy human being» (und an anderer Stelle auch «a lousy lover» und mehr ist), aber sie kommen ohne ihn nicht weiter.

Aldrich filmt die drei häufig aus der Ferne, in einem Auto, das an Hochöfen und gigantischen Werkanlagen vorbeifährt, während wir Harry von Pagliacci reden hören, dessen Musik er im Auto gern spielt und der auch ein fahrender Entertainer war, jedenfalls für ihn. Nach der Schlammschlacht erreicht die Geschichte ihren Tiefpunkt: «I hate your guts, Harry. You turned me into a freak», sagt Iris.

Dann schlägt sie das Magazin auf, und All the Marbles nimmt eben diese Wendung. Die California Dolls treten nun nicht mehr in The House That Rubber Built auf (einem Vergnügungsort, gesponsert von Goodyear, dem Reifen- oder Gummigiganten), sondern werden nach Reno engagiert, «the biggest small town in America», für die Frauen zugleich «the end of the rainbow», also ein märchenhaftes Ziel. Hier kommt es zu einem großen Kampf gegen die Toledo Tigers, und Harry kann sich als cleverer Inszenierer seiner Stars beweisen.

Aldrichs Spätwerk enthält einige großartige Dialoge («I didn't know you were bilingual», sagt Harry zu Iris, nachdem diese einem fiesen Typen ihren Unterarm gezeigt hat; «What do you think of me in a wet t-shirt?», fragt eine sehr virile Wrestlerin den Impresario Eddie Cisco, der erwidert: «I'm working on it»), viel pittoreskes Working Class America in Metrocolor, und eine an manchen Stellen dann doch genuin melodramatische Andeutung in der Beziehung der beiden Frauen zueinander und zu ihrem "lausigen" Ausbeuter und Beschützer.

 

All the Marbles läuft im Rahmen der von The Canine Condition kuratierten Schau The Real Eighties heute, 08. Mai 2013, um 21.00h im Österreichischen Filmmuseum; Nikolaus Perneczky und Lukas Foerster geben eine Einführung; am Donnerstag gibt es um 17.00h ein Gespräch der beiden mit Alexander Horwath unter dem Titel «Die Kinder der 80er Jahre»

All the Marbles ist bei Warner Archive als codefreie DVD erschienen