spielfilm

13. Dezember 2009

Liebesdreieck, griechisch Irrer Film: Dama Spathi

Von Ekkehard Knörer

© George Skalenakis

 

Hätte ich nicht vor wenigen Tagen einen kurzen Dokumentarfilm von Michelangelo Antonioni über die seinerzeit ausgesprochen populäre Kunst des Fotoromans gesehen, wäre ich wahrscheinlich weniger schnell darauf gekommen, dass mich Giorgios Skalenakis' ganz außerordentlich faszinierender Film Dama Spathi von 1966 justament daran wie an nichts anderes erinnert. Es passt schon der Titel des Antonioni-Films, L'amorosa menzogna (engl. Lies of Love) dazu wie die Faust aufs Auge. Der Plot von Dama Spathi (englische Titel: Love Cycles und Queen of Clubs) ist schnell erzählt. Das frisch verheiratete Fotomodel Elena (Elena Nathanael) holt am Hafen den zur See fahrenden Ehemann Vasili (Theo Roubanis) mit dem Auto ab. Sie haben eine Woche miteinander, fahren in ein Seebad und dort fällt Elenas Blick auf den überaus gutaussehenden Alexandros (Spiros Focás).

Der Rest des Films ist LIEBE, TOD, EIFERSUCHT, SEX. Großgeschrieben. Wie im Fotoroman. Und wie auch da gerinnt Skalenakis alles zur Pose, zum Tableau, zur choreografierten Bewegung. Nicht die Nuance zählt, sondern die Fassung, in die die hervorragende Kamera die Gefühle bringt. Es ist auf eine seltsame Weise das Gegenteil von Psychologie, worauf die Darstellung hinauswill. Nie werden Entscheidungen dramatisiert, zur Szene wird stets nur, was der Entscheidung, für, gegen den einen, den andern, immer rundherum geht das, folgt. Die Gefühle scheinen wie von den Figuren, die wie Fotomodelle und Dressmen durch den Film sich bewegen, gelöst und in die Komposition selbst hineinverstrebt. Aufgespannt wird das Eifersuchtsdreieck, das der Rest des Films dann in unberechenbarer Manier durchspielt, durch den in der folgenden Szene zu sehenden seltsamen Tanz. Gerade erst haben Elena und Vassili im Seebad den an der Hotelrezeption arbeitenden Alexandros kennengelernt. Blicke sind gefallen, viele Worte sind nicht gemacht. 

Das geht im daran anschließenden Youtube-Stück noch ein wenig weiter (lohnt sich, das Ende ist perfekt): eine der  großen Tanzszenen des Kinos – und wer an Godards Außenseiterbande denkt, liegt wahrscheinlich nicht ganz falsch. Freilich ist Skalenakis nicht Godard. Es ist jedoch schwer zu sagen, wer er dann ist. In manchen Momenten musste ich etwa an Bollywood denken (speziell sogar an Guru Dutts Jaal, den Skalenakis ganz sicher nicht gekannt hat), so selbstbewusst löst der Film einzelne grandiose Szenen fast völlig aus dem narrativen Zusammenhang und stellt sie hin wie eine Skulptur. Nur dass diese Skulpturen in Bewegung gesetzt sind und ausnahmslos auf eine stilisierte Weise, mit Sinn für ornamentale Konstellationen komponiert, die man absurd, lachhaft und over the top finden kann oder, wofür ich entschieden plädiere, einfach nur grandios. 

Puristen werden den Film abtun. Für mich aber ist er ein starkes Argument für die gezielte Kombination von Kunst und Kitsch. Nichts an diesem Film ist in klassischer Weise korrekt. Er überzieht und gibt sich manieriert und setzt auf das eine Klischee ein anderes drauf. Allein die Musik wird manchen zu nichts weiter als Kopfschütteln bewegen. Dabei ist sie toll. Suggestives Georgel mit Sirtaki-Unterströmungen. Sogar die gelegentlich haarsträubende englische Synchronisation in der vorliegenden Fassung passt in ihrer hölzernen Artifizialität, mit ihren gelegentlich unfreiwillig komischen Grunz- und Brummlauten ganz wunderbar zur Anmutung dieser Geschichte.

Ich hatte von dem Film nie zuvor gehört, bin nur beim Surfen durch meine Lieblingskanäle bei Youtube rein zufällig darauf gestoßen. Über den Regisseur Skalenakis ließ sich auf die Schnelle nur in Erfahrung bringen, dass er mit Milos Forman in Prag Film studiert hat. Er lebt noch, zwei Jahre später ist ein weiterer Film, Titel Imperiale, entstanden in ähnlicher Konstellation von Buch, Darstellern und Regie. Er scheint nirgends zu existieren. Und Dama Spathi existiert gleichfalls in keiner offiziellen DVD-Fassung. (Sogar die Filesharing-Quelle meines Vertrauens verzeichnet ihn nicht.) Gepriesen sei Youtube – und für mich persönlich ist spätestens nach Ansicht des Films der Beweis erbracht, dass mich auch in dieser qualitativ suboptimalen Form ein Film umhauen kann. Hier noch eine Lieblingsszene (aus einem Werk, das für den, der «Ja» zum ihm sagt, sozusagen im wesentlichen aus Lieblingsszenen bestehen wird), spät im Film, Rückblende auf die glückliche erste Zeit nach der Hochzeit. Dergleichen habe ich jenseits von Bollywood nur selten gesehen:

Der Film beginnt bei Youtube hier, eine Playlist gibt es leider nicht, d.h. man muss sich rechts über «ähnliche Videos» durchklicken. All jenen, die sich von der Beschreibung angesprochen fühlen, kann ich nur heftig versichern: Es lohnt auch unter diesen widrigen Umständen.