spielfilm

19. Januar 2013

Larissa Schepitko Retrospektive im Arsenal

Von Bert Rebhandl

© Mosfilm

 

Die Genossin Nadeschda Petruschkina, Protagonistin von Larissa Schepitkos Film Kryla (Flügel, 1966), war im Krieg eine herausragende Fliegerin. Nun muss sie sich in den Mühen der Ebene zurechtfinden. Die Leiterin einer Schule ist in verschiedenen Funktionen gesellschaftlich aktiv. Ihr Privatleben aber ist leer, und eines Sonntags lässt sie mit dem Ausruf «Wozu gibt es Restaurants?» das Kartoffelmesser fallen und geht aus dem Haus. In das Restaurant wird sie aber nicht eingelassen, denn eine «einfache Sowjetfrau» ist nur in (männlicher) Begleitung gesellschaftsfähig. Damit hat die Szene aber noch nicht ihr Bewenden, denn Larissa Schepitko lässt ihre Heldin in einer schäbigen Männerkneipe landen, wo sie einen «Hooligan» antrifft, den sie von der Schule verwiesen hat.

Später kehrt sie noch einmal an diesen Ort zurück, dieses Mal ist nur die Schankfrau da, mit der sie ein Bier trinkt – und dann in einem ausgelassenen Moment einen Walzer tanzt, bis sie der Blicke gewahr wird, die von außen auf die beiden Frauen gerichtet sind. Mit dieser Andeutung anderer als «einfacher» heterosexueller Zuordnungen rührt Kryla am deutlichsten an das im amerikanischen Kino so populäre Genre des Melodrams, und öffnet damit das sowjetische Kino der Tauwetter-Periode auf Formen der Subjektivität, die der Sozialismus überwunden glaubte, weil er sich totalitär überschätzte.

Kryla – heute, 19. Januar 2013, um 19.30h im Arsenal Berlin (Einführung: Barbara Wurm) zur Eröffnung einer Retrospektive der Filme von Larissa Schepitko (1938-1970)