spielfilm

20. April 2010

Blicke auf Füße Eugene Green: A religiosa portuguesa

Von Ekkehard Knörer

Mit langen, und langsamen, fast ganz den Kreis schließenden Schwenks öffnet Eugène Green den Raum seines jüngsten Films Die portugiesische Nonne. Man sieht, vom erhöhten Standpunkt, Lissabon. Dann betritt eine Frau ein Hotel und im Gespräch mit dem Portier erfährt man, dass sie aus Paris kommt, in Portugal aber geboren wurde, Lissabon nicht kennt, aber Porto, dass sie als Schauspielerin in der Stadt ist, um ein paar Szenen eines Films abzudrehen, in dem sie eine Nonne spielt, die nicht spricht. Damit öffnet Eugène Green im Erzählraum seines Films eine Tür zum Film im Film, aus dem man dann Szenen auch sieht. 

Julie, das ist ihr Name, geht durch die Stadt und man denkt dabei sofort an Angela Schanelecs Marseille. Julie ist, wie Sophie in Marseille, in Lissabon auf der Suche, ohne dass ihr oder uns klar wäre, wonach. Sie hat Begegnungen. Von Zufall wird man nicht sprechen können in einem Film, der jedes Bild von der Stadt und jeden Rahmen für jedes Bild und jede Szenerie für eine Begegnung im Rahmen des Bildes so genau wählt, wie dieser es tut. Es ist aber eine Genauigkeit ohne Manier, eine Strenge, die von Bresson das Prinzip hat, aber von Eugène Green den trockenen Humor. Green selbst spielt im Film den Regisseur, der den Film im Film dreht über die Nonne.

Exzentrisch kann Green nur finden, wer das Zentrum zu kennen glaubt. Green macht Sachen mit einer Leichtigkeit und Sicherheit anders, als sie gelehrt werden, dass man sich gut eine Geschichte des Kinos vorstellen kann, in der alle Filme drehen wie Green. Immer aufs Neue ist es hinreißend, wie er Zwiegesprächs-Szenen auflöst. Nicht nur sprechen die Figuren immer – aber nicht in desinteressierter, sondern in wohl gesetzt bedeutender Weise – tonlos und oft in eher aphoristischer als kurz angebundener Stichomythie. Ins Bild gesetzt werden sie, als wäre es ein nach gegebenen Regeln aufzuführendes Ritual, in dynamischer Steigerungsform. Es beginnt mit Schuss/Gegenschuss über die Schulter, wechselt dann aber so verlässlich wie beim Ablauf eines jeden Rituals in Frontalen in symmetrischer Einstellung. Figuren sehen dich an. Schauspieler sehen dich an. Was dich ansieht, ist die auf diese Weise aufgelöste Differenz von Schauspieler und Figur. Es bleibt nur ein Anschauen und ein Angeschautwerden.

Wer Green-Filme sieht, ist also unmittelbar wenn nicht zu Gott, dann zum Wesen des Kinos, nämlich dem Blick. Die Frau im unteren Bild, Teil einer anderen, einer wenn man so will Erlösungsgeschichte des Films, blickt, und es ist nur konsequent, nicht ins Gesicht eines innerfilmischen Gegenübers. Sie blickt einzig und allein mir ins Gesicht.

Der Glaube ans Wesen des Kinos à la Bresson reicht Eugène Green jedoch nicht. Er ist kein Jansenist, wirklich nicht. Er will auch den Zweifel, er ist ein Ritualist und ein Schelm und also, wenn dann richtig katholisch. Und er will nicht nur Blicke nach oben, sondern auch Blicke nach unten. Was man in seinem Fall überaus buchstäblich zu nehmen hat: Man sieht nämlich in jedem seiner Filme auf der Figuren Füße und auf das, was sie tun. Der Fuß, scheint Eugène Green zu sagen, gehört zum Menschen wie der Blick. Davon hat das Kino viel zu häufig geschwiegen.