spielfilm

15. Juni 2009

Arnaud des Pallières Prolegomena

Von Ekkehard Knörer

Ich weiß nicht viel über Arnaud des Pallières. Sogar das Internet weiß nicht sonderlich viel über Arnaud des Pallières. Er ist 1961 geboren, er hat Literatur studiert, er hat Theater gespielt, sogar eine eigene Theatergruppe gegründet. (Ein anderer aufregender französischer Regisseur, der vom Theater kommt, ist Eugene Green.) Er hat 1997 seinen ersten Spielfilm gedreht, er trägt den Titel Drancy Avenir und Richard Brody schreibt darüber:

Eschewing talking-head interviews and archival footage, des Pallières puts Holocaust testimony into surprising contexts. A survivor’s shocked description of the Drancy camp and his horror at returning to an indifferent France is heard over a view through a window into a courtyard in modern-day Drancy and continues over a clip of Orson Welles playing Shylock in a production of  The Merchant of Venice. The juxtaposition suggests, as the history teacher declares, that what is at stake in reaching the truth about France’s role in the deportations is nothing less than «humanity’s cultural heritage.»

Den Film gibt es auf DVD, erstaunlicherweise auch mit deutschen Untertiteln. Ich habe ihn noch nicht gesehen.

Dann ist da ein Kurzfilm, der ist schon älter, von 1994, Les Choses Rouges, er spielt, lese ich in der Pariser Banlieue. Es geht wirklich um rote Dinge. 

Der einzige Film von Arnaud des Pallières, den ich kenne, heißt Adieu. Er ist aus dem Jahr 2004, er hat eine der verblüffendsten Vorspannsequenzen. Ich weiß auch, dass des Pallières seine Filme schneidet, dass die Phase des Schneidens viele Monate dauert und dass das Wichtige erst im Schnitt passiert. Adieu ist vielleicht ein Spielfilm, eher aber nicht. Es ist ein experimenteller Spielfilm, ich habe darüber geschrieben, das folgende ist ein Auszug aus dem Film. Die Kamera zittert in Adieu, es ist keine Manier, sondern es ist ein Film, der die Welt, selbst zitternd, als zitternde erfasst.

Im letzten Jahr hat Arnaud des Pallières einen weiteren Langfilm fertiggestellt. Er heißt Parc und lief in einer Nebenreihe in Venedig im letzten Jahr. Es gab nicht viele Reaktionen darauf, die wenigen, die ich las, waren nicht sehr freundlich. Ich habe ihnen aber nicht getraut. Ich weiß jetzt aber, wie Arnaud des Pallières aussieht. Die Hauptrolle in Parc spielt Jean-Marc Barr, dies ist über den Film in einer der unfreundlichen Reaktionen, denen ich nicht traue, zu lesen:

Arnaud de Pallieres’ film is a would-be indictment of contemporary French malaise featuring entwined psychodramas: in one well-appointed suburban home, a miserable teenage boy suffers a nervous breakdown; next door, a miserable corporate type is also coming unglued. The latter takes time out to lunch with his poisonous mother, which gives him a rather nasty bit of inspiration and the filmmakers their rather ridiculous climax. All this after the de rigueur dispassionate sex sequence, of course — these new-school French provocateurs do love their anti-ooh-la-la.

Parc lief, irgendwie und sicher mit sehr wenigen Kopien, im Januar diesen Jahres in französischen Kinos.

Es gab noch einen weiteren Kurzfilm, fürs französische Fernsehen entstanden, er heißt Disneyland, mon vieux pays natal und stammt aus dem Jahr 2002. Er ist wirklich in Disneyland gedreht.

Dieser Eintrag hat einen Anlass. Es gibt nämlich einen weiteren Film von Arnaud des Pallières. Auch er entstand für das französische Fernsehen, eine Reihe über Schrifstellerinnen und Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Der Film heißt Is Dead (Portrait Incomplet de Gertrud Stein) und es geht wirklich um Gertrude Stein. Man sieht beschleunigte Aufnahmen von Père Lachaise (ein Grab wird ausgehoben), man sieht Aufnahmen von Gertrude Stein (dokumentarisch). Dazu zwei Stimmen, die eine ist die von Michael Lonsdale. Man hört Texte dazu, von Gertrude Stein. Die Texte sind französisch, keine Untertitel dazu. Dennoch. Der Film ist jetzt bei UbuWeb aufgetaucht, er ist zweiundfünfzig Minuten lang, er stammt aus dem Jahr 2002.