spielfilm

9. Januar 2017

Amateure, Dilettanten Filmhinweis für Paris: Ginger e Fred (1986) von Federico Fellini

Von Bert Rebhandl

© Les Films Ariane

 

Was weiß man eigentlich über die Entstehung des Steptanzes (italienisch: Tip Tap)? Pippo (Marcello Mastroianni) hat dazu eine Geschichte. Die «Negersklaven» (so sprach man 1986 noch unbefangen) haben sich auf diese Weise verständigt, eine Art Morsealphabet, das später die Seite gewechselt hat, denn im klassischen Hollywoodkino, mit Stars wie Fred Astaire und Ginger Rogers, war eher Weiß die Leitfarbe.

In dieser Ära hatten auch Pippo und Amelia ihre große Zeit. Nun sollen sie noch einmal zusammen auftreten, in einer gänzlich veränderten kulturellen Situation, in einer Fernsehsendung zu Weihnachten, die den Titel Ed ecco a Voi trägt («Und jetzt zu Ihnen»). In einem der letzten Filme von Federico Fellini: Ginger e Fred.

Bei Fellini denkt man an die große Zeit des europäischen Nachkriegskinos, hier gibt er seine Abdankungserklärung. Sein Medium ist Giulietta Masina, die Gelsomina aus La Strada. Sie wird in Ginger e Fred zu einem Teilchen in diesem Riesenauflauf, den das Fernsehen – das neue Leitmedium – veranstaltet. Ed ecco a Voi ist so etwas wie ein Kuriositätenkabinett, eine Kuh mit (angeblich) 15 Zitzen soll auftreten, eine Frau namens Pietruzza Silvestri (die gegen Geld ein Monat auf den Fernseher verzichtet hat und davon gründlich geschafft ist), zwei Männer, die einen essbaren Slip erfunden haben, den Galane vom Hintern ihrer Geliebten wegschnabulieren können.

Zwischen all den «Liliputanern, Transvestiten» (Amelia) und «Amateuren, Dilettanten» (Pippo), vor allem aber: zwischen all den Doubles (Doppelgänger von Franz Kafka bis Ronald Reagan) taucht auch ein viel geliebter Komiker auf: «il nostro Totò» ist der einzige, mit dem Amelia und der später hinzukommende Pippo etwas anfangen können. Die beiden sollen noch einmal ihren Act zeigen, aber sie haben einander 30 Jahre nicht gesehen, und zwischen ihnen liegt auch sehr viel Unausgesprochenes, das sich aber beim besten Willen jetzt nicht mehr sagen lässt.

Im nostalgischen Universum von Fellini ist Ginger e Fred so etwas wie der Umschwung in den infiniten Regress. Einen originären Anfang gab es weder für das Tip Tap noch für die Tanzkunst von Ginger und Fred, die ja von Beginn an ein Imitat war (oder eine Würdigung), und das gefräßige Fernsehen nimmt nun alles in sich auf, verdoppelt es, macht den Unterschied zwischen Original und Kopie hinfällig. «La luce non torna piu», das Licht kommt nicht mehr, sagt Pippo während eines Stromausfalls. Aber das Licht kommt natürlich zurück. Es ist das grelle Licht, in dem der Glaube an eine Pasta gedeihen kann, die schlank macht. Ginger e Fred endet mit Reklame.

Die Cinémathèque francaise zeigt Ginger e Fred heute um 21.30 aus Anlass der 100. Ausgabe der Filmzeitschrift Trafic. Um 19.00 gibt es zwei Filme von und mit Serge Daney.