italien 5

29. Juni 2023

5 x Dino Risi

Von Ekkehard Knörer

Il segno di Venere

Il segno di Venere

© La casa del cine para todos

 

Il segno di Venere (1955)

A wie Agnese und C wie Cesira. Die eine Frau, Agnese (Sopia Loren) wird die Männer nicht los, die Hände und Finger der Männer, die Blicke der Männer, während Cesira (Franca Valeri) den einen oder den anderen nähme, sie bietet in einem Bahnhofsbüro neben anderen Frauen ihre Dienste als Tipperin, Geschäftliches, Poesie, Liebesbriefe nähme sie auch, die Männer sitzen und diktieren, sie schreibt. Da ist der Dichter (Vittorio de Sica), so soigniert wie verkracht und sowieso alt; ihn sich schön zu gucken könnte Cesira gelingen, aber es wird aus ihm keiner, der was taugt. Nur sind die anderen keineswegs besser, sie dealen mit Autos, auf der Party tanzen wie die Blöden, die sie leider auch sind, im Zweifel hängen sie eh an der Mamma. Es ist Rom, es ist, daran lässt der Film keinen Zweifel, die Hölle, guter Rat ist nicht teuer, die Tante, selbst (und selbstbewusst) ohne Mann, interveniert, aber gegen den Traum vom Richtigen wie gegen den Aufmarsch einer gefühlt endlosen Reihe von Falschen kämpfen sogar Göttinnen sehr vergebens. Alles sehr bitter, das Drehbuch, an dem acht Autor*innen, darunter Franca Valeri, mitgemischt haben, nimmt die Auftritte seiner Stars komisch, recht eigentlich aber fährt die Sache keinem glücklichen Ende entgegen, sondern eher gegen die Wand: Die spinnen, die Römer, genauer gesagt, dieses Rom hat ein strukturelles Problem. (62cp)

 

Una vita difficile (1961)

Schnelldurchlauf italienische Geschichte: Krieg, Partisanen, Silvio (Alberto Sordi) findet bei Elena (Lea Massari) ein Versteckt, sie schlägt, als Not an der Frau ist, einem deutschen Soldaten den Schädel ein. Aus fare la resistenza wird fare l’amore, am Ende des Kriegs geht Silvio nach Rom; Elena, der er eine gemeinsame Zukunft versprach, bleibt zunächst mit ihrer Mutter zurück. Auf einem Umweg wird nach dem Krieg doch noch eine Ehe daraus, Elena und Silvio speisen am Abend, an dem der Ausgang der Volksabstimmung über Monarchie oder Republik verkündet wird, als überzeugte Republikaner monarchisch: Sie verstören den Adel, der sie sehr versehentlich einlud, und tun sich am Pasta-Mahl dennoch gütlich. In solche komischen, oft eigentlich bitteren Szenen löst Dino Risi das - in dieser Konstellation jedenfalls - Unauflösliche auf. Silvio hat kaum mehr als, mindestens so außen- wie innengeleiteten, Anstand, noch wenn er zum millionenschweren Korruptionsansinnen Nein sagt, scheint ein versichernder Blick in seinen Augen zu liegen, denn versucht ist er schon. Und widersteht, ein tapsiger Held, und kommt in den Knast. Gibt dem Druck von Frau und Schwiegermutter nach, die als Opportunismus-Erwartungs-Block konturiert sind, unter dessen Drängen Silvio schmählich bei der (buchstäblich betonharten) Prüfung versagt. Ein stark-schwacher Mann, der nicht weiß, wo er nachgeben soll; der in mehr als ungelenken Manövern betrunken die Frau wiederzugewinnen versucht. Zwischendurch endet er auf der Straße am Meer, Viareggio ist der Ort, torkelt, spuckt auf die vorbeifahrenden Autos, legt sich, wie zum Sterben, auf den Asphalt, steht wieder auf. Das ist der Film: Italienische Kriegs- und Nachkriegsgeschichte als Stehaufmännchen-Erzählung. Korrupte, hassenswerte Autoritäten, zum Schluss noch ein Proto-Berlusconi, gegen die ein komödiantischer Softie wie Alberto Sordis durch sein Leben torkelnder Silvio wenig vermag Außer: die eigene Ehre zu retten, aufrecht geht er, seine Demütigung ohrfeigend rächend, in eine gewiss nicht bessere Zukunft davon. (80cp)

 

Il sorpasso (1962)

Ein rasender und ein aufgegabelter Mann. Der eine (Jean-Louis Trintignant) klein und blond, Jurastudent, einer, der nicht aus sich herausgeht, ein schüchterner, eingeklammerter Junge. Der andere (Vittorio Gassman) ist um die vierzig, würde, hätte es Aussicht, noch Felsen beflirten, stürzt sich aufs Leben, als ließe sich das Vergehen der Zeit dadurch überwinden, die Zeit selbst überholen Diese beiden werden für die Dauer eines Films, zweier Tage, als Archetypen der Verschiedenheit, Bruno und Roberto, in einem Lancia Aurelia zusammengesteckt. Der eine am Steuer, der andere nicht. Ein Roadmovie von Rom in die Provinz, halsbrecherisch und am Ende fatal die Manöver, die Hupe jodelt, die Fahrt selbst wird mehrfach unterbrochen, Kampf mit dem Automaten, Flirt mit der Frau, Restaurantbesuch, Flirt mit der Frau (während Roberto immer aus der Ferne nach einer Valeria schmachtet). Begegnungen mit der Vergangenheit: Bruno öffnet  Roberto die Augen über die sexuellen Zustände, die dieser einst nicht begriff (plus: Flirt mit der Tante, die der Junge damals umschwärmte). Besuch bei Brunos Frau, von der er, die Beziehungsunfähigkeit in Person, lange getrennt ist, Auftritt der Tochter (die Bruno am Strand, sie trägt Perücke, aus Versehen beflirtet). Kein Buddy-Film, sondern eine Komödie, also recht eigentlich Tragödie, des Narzissten, der eine unvollständige, eingeklammerte Person als Bewunderer braucht. Und verbraucht. Also letztes Manöver, dies Hupe jodelt nicht mehr. (80cp) 


 

Noi donne siamo fatte così (1971)

12 Episoden, mal kürzer, mal länger, was sie vereint, ist, dass Monica Vitti in allen die Hauptrolle spielt. Als Beckenschlägerin, die mit dem Instrument durch die Stadt eilt, kurz auftritt und wieder verschwindet. Als Blinde, von deren leerem Blick sich die Männer im Restaurant (und auch eine Lesbe) beflirtet fühlen. Als Mutter von 22 Kindern, das nächste bringt sie rasch im Nebenraum auf die Welt. Als sexuell gelangweilte Ehefrau, die sich per Anruf-Sendung im Radio ihre Vergewaltiger zur Wiederholung des Vergnügens bestellt. Uff. Als Stewardess, die ihre Jobwahl bei Turbulenzen verflucht: Am Ende steht das Bild Kopf. Als Teil eines sexuell befreiten Paars, das sich beim Partygespräch nonchalant diverse Untreue-Taten gesteht, um sich (und die Partner) am Ende über den Haufen zu schießen. Als Sängerin im Nonnengewand, die vor versammelten katholischen Würdenträgern einen mehr oder weniger frommen Song im Dylan-Style schrammelt. Subtil ist das nie, selten komisch, die Episoden sind selbstverständlich nur von Männern geschrieben (neben Risi und anderen auch Ettore Scola darunter), wobei nicht nur die Vergewaltigungsfantasie etwas Abstoßendes hat. Kamera Carlo di Palma, Monica Vitti als versatile Darstellerin; es ist nur alles so platt, dass sie unter ihren Möglichkeiten brilliert. (45cp)


 

Anima Persa (1977)

Ein junger Mann kommt nach Venedig, das Malen zu lernen, er hat vom Leben noch nicht viel gesehen. Durch die Kanäle geht der Vorspann im Dunkeln, das Haus von Onkel und Tante (Catherine Deneuve und Vittorio Gassman) hat prächtige Zimmer, andere sind, wie das Theater, verblasst, verfallen, Zeugnisse vergangener Größe. Eine Stiege nach oben wird dem jungen Mann verboten, ein heimliches Zimmer, es wird zum Faszinosum des Films. Hier haust, ist nach und nach zu erfahren, dann auch zu sehen, ein Mad man in the attic. Einst hat er Insekten gesammelt, nun rollt er die Augen und auch die Zunge und schlachtet eine Melone. Die Tante erzählt eine Geschichte vom Missbrauch und Tod eines Mädchens, der junge Mann macht dem Nacktmodell seiner Malklasse schöne Augen, vor allem an der Accademia-Brücke. Ein Film wird vorgeführt, vieles, das behauptet wird, erweist sich als Lüge, Franics Lai hat sich einen sehr schön unheimlichen Score ausgedacht. Der sich ebenso zwischen den Stühlen bewegt wie alles an diesem Film Horror, der sich kaum manifestiert, Giallo-nah, nur dass diese Nähe eher im Atmosphärischen liegt. Geschichte eines nicht nur sexuellen Erwachens, der Blick hinter die Kulissen offenbart dann doch einen Abgrund zu viel. Der Onkel war Gas-Ingenieur, und ist es nicht mehr; der wahnsinnige Insektenforscher ist nicht das, was er scheint. Die blonde Tante hält einen Verfalls-Monolog, während ihre Daseinsform etwas Gespenstisches hat: Ganz anwesend ist sie nie. Venedig tut das Seine dazu; Kirche, Kanal, Friedhof. Ganz lokalisierbar ist der Schrecken, der in diesem Film umgeht, bis zuletzt nicht. (74cp)

 

Anima Persa

Anima Persa

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