produktionskultur

25. Januar 2009

Jeunesse Doree Ein kleiner Spaziergang durch ein Hipster-Netzwerk. In den Hautprollen: Jordan Galland, Sean Lennon, Asia Argento und Michele Civetta

Von Ekkehard Knörer

Der Titel ist auf jeden Fall clever: Rosencrantz and Guildenstern are Undead. Der Film, der jetzt beim Slamdance-Festival zu sehen war (noch keine Kritiken), ist das Langfilmdebüt von Jordan Galland. Zu ihm gleich mehr. Ganz schwer zu sagen, ob das Werk irgendwann in einer Videothek in Ihrer oder meiner Nähe auftaucht, ich bin auch nicht sicher, wie viel ich mir davon verspreche, aber sehen möchte ich es schon. Hier jedenfalls ein paar Informationen zum Film, zu den Machern und zu den Freunden der Macher und den Freunden der Freunde der Macher. Einigen der Protagonisten eilt der Ruf voraus, nichts als prätentiöse Hipster-Arschlöcher zu sein. Die Zusammenhänge sind in jedem Fall recht interessant, bleiben Sie dran.

Wie der Titel vermuten lässt, setzt der Film auf Tom Stoppards Theaterstück (von Stoppard selbst auch verfilmt) Rosencrantz and Guildenstern are dead noch einen drauf. Oder sogar zwei oder drei. (Stoppard übrigens hat offenbar seinen Segen zu der Sache gegeben.) Schauplatz der Handlung ist New York, das East Village genauer gesagt. Den Helden namens Julian Marsh spielt Jake Hoffman, der wiederum nicht nur der Sohn von Dustin ist, sondern auch keineswegs das einzige Kind berühmter Eltern, das im weiteren Fortgang dieses Postings auftaucht. Ebenfalls mit dabei: John Ventimiglia, der bei den Sopranos Artie Bucco und Jeremy Sisto, der in Six Feet Under Billy war. 

Julian Marsh soll, so geht die Geschichte, ein Theaterstück inszenieren, das Titeltheaterstück des Films. Im Stück im Film ist Horatio ein Vampir, und Hamlet sowie seine Wittenberger «Freunde» Rosencrantz und Guildenstern sind es auch. Ophelia ertränkt sich, bevor Horatio kraftvoll zubeißen kann – und damit wäre das auch geklärt. Hamlet will sich erlösen, aber dazu muss er vom Gral trinken, der ist also gleichfalls im Spiel. Die Wikipedia-Seite erklärt die näheren Einzelheiten zum Meta-Theater-Aspekt:

The battle for the Grail between Hamlet and Horatio lasts for centuries and leads to the creation of four plays, each concealing a secret message. The first is Shakespeare's Hamlet, written at Horatio’s bidding. The second is Rosencrantz and Guildenstern, written in the Nineteenth Century by W.S. Gilbert (half of the duo of Gilbert and Sullivan). The third is Tom Stoppard's Rosencrantz and Guildenstern Are Dead, written in 1964. The final play in the cycle is this one, Rosencrantz and Guildenstern Are Undead, written by Horatio himself under the name Theo Horace. Its purpose: to lure the real Hamlet into a final confrontation.

Von dem tatsächlich existierenden Theaterstück ohne Sullivan-Musik von W.S. Gilbert habe ich bisher nichts gewusst; die Grundpointe scheint darin zu bestehen, dass Gertrud und Claudius sich ernste Sorgen machen um ihren (Stief)Sohn Hamlet, der nämlich eine gefährliche Tendenz zum ständigen Monologisieren hat. Zu heftigen Konflikten kommt es, als Hamlet, auf den Rat der zu seiner Zerstreuung an den dänischen Hof geholten Freunde Rosencrantz und Guildenstern, ein Theaterstück aufführt, das Claudius in seiner Jugend geschrieben und dessen Aufführung er streng verboten hat. Aber egal, darum geht es jetzt nicht, wer sich im Detail dafür interessiert, hat Glück: Das Stück ist komplett im Netz zu bekommen. 

Bevor es mit Informationen zu Jordan Galland weitergeht, der entweder nur ein schlauer Hipster ist oder doch ein interessanter Mann, gibt es erstens den Link zu einem ganz aktuellen Interview des Filmmaker Magazine mit Galland, zweitens einen Link zu einem nicht ganz aktuellen Interview.

Jordan Galland, das ist auf seiner Website nachzulesen, hat mit 13 Jahren sein erstes Theaterstück geschrieben. Er hat mit 18 Jahren eine Band gegründet, des Namens Dopo Yume, und ist mit dieser Band ein bisschen halb berühmt geworden, immerhin durch die Welt getourt mit größeren Stars wie zum Beispiel Rufus Wainwright, der der Sohn berühmter (und jedenfalls musikalisch grandioser) Eltern ist, nämlich von Kate McGarrigle und Loudon Wainwright III (der dem Filmfreund aus diversen Judd-Apatow-Abenteuern bekannt ist und in der ziemlich tollen Apatow-College-Fernsehserie Undeclared sogar eine Hauptrolle spielt; aber darum soll es nicht gehen, wer sich für die Serie interessiert, kann diesen Ausschnitt genießen, in dem Loudon Wainwright in der Gegenwart von Adam Sandler, der Adam Sandler spielt, einen sehr peinlichen Gesangs-Auftritt hat.

Sorry, das war eine Abschweifung, die gar nicht intendiert war. Es kommt aber noch dicker. Einer der engsten Freunde von Jordan Galland ist Sean Lennon, der Sohn von Yoko Ono und John Lennon. Von Lennon stammt der Score zu Rosencrantz and Guildenstern are Undead, mit Sean Lennon gemeinsam hat Jordan Galland das Buch zu seinem ersten Kurzfilm Smile for the Camera (Informationen bei Wikipedia) geschrieben, in dem es um Seelendiebstahl durch Fotografie geht. Milla Jovovich hat einen Cameo-Auftritt, auch Sean Lennon, den man im übrigen im Clip zum Dopo Yume-Song Igloo an einem großen Lolli schlecken sieht:

Als Dritter im Bunde taucht immer wieder auf: Michele Civetta. Er hat Regie geführt bei obigem Music-Clip, aber auch, nur zum Beispiel, dieses Video zu Lou Reeds Song Ecstasy gedreht. Er ist jedoch auch, und wir beginnen uns langsam den Töchtern berühmter Väter zu nähern, der Regisseur einer ungewöhnlichen Folge von kurzen Video-Clips oder, man kann das offenbar unterschiedlich sehen, eines gut fünfzigminütigen Films, den Sean Lennon seinem zweiten Album, das den Titel Friendly Fire trägt, als Bonus beigelegt hat.

Dieses Album hat einen persönlichen Hintergrund, es dreht sich nämlich um die Trennung Sean Lennons von seiner Freundin Bijou Phillips. Diese ist nicht nur die Tochter von John Phillips – ja, genau, von The Mamas and the Papas – und das Patenkind von Andy Warhol, sondern auch eine Scientologin, eine Musikerin, ein Model und eine Schauspielerin (mit unter anderem einer Hauptrolle in Eli Roths sehr unangenehmem Osteuropa-Slasher  Hostel, Part II). In Rosencrantz and Guildenstern are Undead hat sie einen Cameo-Auftritt. Sean Lennon, dessen Freundin sie war, hat sie mit dessen bestem Freund Max LeRoy betrogen und bevor es zur Versöhnung kommen konnte, starb dieser bei einem Motoradunfall. Diese Geschichte also wird aufgearbeitet auf dem Album – das Max LeRoy gewidmet ist und musikalisch sehr schönen und freundlichen und etwas arg harmlosen Gitarrenpop enthält – und auf der dazugehörigen DVD eben die Clips/den Film von Michele Civetta.

Das wäre nur halb so interessant, wäre nun Civetta nicht der nachmalige Ehemann von – ich kann auch nichts dafür – Asia Argento, deren berühmten Vater man ja gewiss nicht vorstellen muss. Und schon in den Videos zum Sean-Lennon-Album spielt neben Bijou Phillips (die sich selbst spielt) und Lindsay Lohan (weiß nicht, wo die jetzt herkommt) und Carrie Fisher (dito) und Jordan Galland eben auch Asia Argento mit.

Alle miteinander werden sie im nächsten Jahr beim bisher größten Projekt, an dem sie beteiligt sind, auftauchen. Nämlich der Verfilmung des Kultromans Coin Locker Babies von Ryu Murakami. Das Drehbuch dazu haben Sean Lennon und Jordan Galland schon vor einigen Jahren geschrieben, nun wird der Film – mit umgeschriebenem Drehbuch, koproduziert von Don Murphy und Wild Bunch – wohl tatsächlich gedreht. Regie: Michele Civetta. Hauptrollen: Val Kilmer, Tadanobu Asano und Asia Argento. Ein paar giftige Worte – Stand vor einem Jahr – hat dazu Grady Hendrix. Wir bleiben am Ball.

 

Bonus-Tracks

Website mit Video-Interviews verschiedener Darsteller auf dem Set von Rosencrantz and Guildenstern are Undead

MySpace-Seite von Jordan Galland, da sind auch recht hübsche Songs von seinem im letzten Herbst selbstveröffentlichten ersten Solo-Album Airbrush zu hören