dokumentarfilm

3. Februar 2009

Selbst-Monumentalisierung Eine Dokumentation zu den Dreharbeiten von Theo Angelopoulos' neuem Film Der Staub der Zeit, der bei der Berlinale im Wettbewerb außer Konkurrenz läuft.

Von Ekkehard Knörer

Theo Angelopoulos, der einmal einer der großen Meister des europäischen Kinos war, dreht in Berlin Szenen seines neuesten Films Der Staub der Zeit, Teil zwei der Trilogie, die er mit Die Erde weint begann. Nicos Ligouris ist für den WDR und 3sat dabei, beobachtet Angelopoulos und die Darsteller bei der Arbeit. Gedreht wurde auch in Rom, in Athen und in Kasachstan, der Schauplatz der Dokumentation aber ist Berlin. Januar, Februar 2008: Der Flughafen Tempelhof, der Bahnhof Gleisdreieck, die Schlossbrücke. Wir sehen: Michel Piccoli, Willem Dafoe, Irene Jacob, kurz auch Christiane Paul.

Wir sehen: Bruno Ganz, der die Arme erhebt in einer Geste, womöglich, der Verzweiflung und dann stürzt er mit verzerrtem Antlitz ins Wasser. Soll heißen: auf eine Matte, wieder und wieder, mal sind die Füße im Bild, mal stimmt etwas anderes nicht. Der Gesichtsausdruck von Ganz lässt das Schlimmste befürchten, jene Mischung aus Ikonen-Produktion und unfreiwilliger Komik nämlich, die schon die letzte Kooperation von Angelopoulos und Ganz, im Film Die Ewigkeit und ein Tag, so schwer zu ertragen machte.

Willem Dafoe spielt einen Regisseur namens A (sic!), der an einem Film über seine Eltern arbeitet, als seine Tochter nach Berlin verschwindet. Ein Jahrhundert wird so über die Generationen aufgerollt, wieder setzt Angelopoulos – wie in seinem Hauptwerk Die Wanderschauspieler – ganz weiche Schnitt durch die Zeit mitten hinein in die zur Signatur des Regisseurs gewordenen Plansequenzen. Jedenfalls darf man das schließen aus dieser Kritik, die sich auf eine seitdem wohl noch einmal umgearbeitete Fassung bezieht, die beim Filmfestival von Thessaloniki ihre Welturaufführung erlebte.

Im On sieht man, wie Angelopoulos mit Mitarbeitern und Darstellern arbeitet, im Off von Ligouris' Dokumentarfilm erklärt Angelopoulos seine Ästhetik, seine Anschauungen über das Filmemachen. Diese Weisheiten sind freilich in der Mehrzahl bestürzend banal – «der Bildausschnitt ist das, was der Zuschauer sieht», «der Regisseur produziert aus den verschiedenen Darstellungsstilen seiner Schauspieler ein harmonisches Ganzes». Wie wenig sich Angelopoulos noch für die Gegenwart des Weltkinos interessiert, sagt er ausdrücklich. Seinen Filmen, die seit langem nichts anderes mehr sein wollen als auf den ersten Blick erkennbare Angelopoulos-Werke, merkt man es an.

Die Dokumentation verhält sich zu dem, was man hört (O-Ton Angelopoulos) und sieht (Dreharbeiten, Angelopoulos ständig in Bewegung) registrierend und nüchtern. Keine Kommentare, ganz die alte WDR-Schule. Ligouris legt keinen Widerspruch ein gegen die Selbst-Monumentalisierung des Regisseurs, macht sie aber auch nicht durch eigene Emphase mit. Für alle, die Angelopoulos noch immer bewundern, ist das Ergebnis mit dem sehr zutreffenden Titel Theo Angelopoulos dreht Der Staub der Zeit von großem Interesse. Alle anderen können daraus lernen, wie man von einem großen Regisseur zum Anachronismus zu Lebzeiten wird.