dokumentarfilm

2. Juli 2010

Golzow, DDR 35mm Doku

Von Ekkehard Knörer

Einen der Filme aus der Kinder von Golzow-Langzeitdokuserie, ich weiß nicht mehr welchen, hatte ich vor Jahren einmal gesehen und war doch mittel- bis extraschwer genervt von seiner Machart. Diese oft etwas paternalistische bis borderline-bösartige Fragetechnik von Winfried Junge, erst recht seinen Off-Kommentar fand ich nicht recht erträglich. Aus reinem Zufall und auf der Flucht vor allerlei Wulffiana blieb ich dann aber gestern Nacht beim im RBB ausgestrahlten Golzow-Film Da habt ihr mein Leben – Marieluise, Kind von Golzow hängen. Das war dann doch sehr interessant und wurde für meine Verhältnisse spät, weil ich einfach nicht ausschalten konnte. Man lernt wirklich sehr viel über die DDR in dem Film, kann sich davon überzeugen, was für ein hassenswertes Land sie dann doch recht schnell wurde, und insbesondere lernt man etwas über die furchtbare Verdruckstheit, die sie sogar bei den mutigeren unter ihren BewohnerInnen hervorgebracht hat. Daneben, darunter und das eigentlich Spannende: all die Unhinterfragtheiten des Alltags, die die Beteiligten dem Projekt natürlich selbst eher nicht anmerken und die das Leben in einer Wirklichkeit in seinen «wesentlichen Wesenselementen» (Christian Wulff) doch ausmachen.

Dieser Film ist kein Gruppen-, sondern eines der seit den Neunzigern dann entstandenen Einzelporträt, in dem Marieluise von der damaligen Gegenwart (1995) aus immer wieder auch auf ihr bisheriges Leben und die Aufnahmen daraus zurückblickt. An ihrer Seite – allerdings in den Achtzigern auf Druck von oben bald unsichtbar – ihr Mann Steffen, vergleichsweise relativ streng DDR-gläubiger NVA-Offizier, der allerdings den Übergang in die Bundeswehr nach der Wende erstaunlich gut hinbekommt. Die Mauer fällt, kurz träumt man noch von einem dritten Weg. Sehr kurz. Die große Tochter tanzt im Friedrichspalast einfach weiter. Marieluises Vater, Melker, Querkopf, Christ, dann SPD-Mitglied, schafft es spielend, im einen wie im anderen System außerordentlich unbeliebt zu sein. Eigentümlich ist es, erst die schwarzweißen, dann die bunten Dokumentarbilder in bestem DEFA-35mm-Filmmaterial zu sehen. So sieht die Wirklichkeit im Dokumentarfilm, wie man ihn aus dem Westen kennt, nämlich nicht aus. 

Erwähnt sei, dass in wenigen Tagen die Komplett-Box der Golzow-Filme bei absolutmedien erscheint (18 DVDs, 43 Stunden)